Zahlen zu antimuslimischen Rassismus: Muslime erfahren immer mehr Hass
Verdoppelung der Vorfälle: Die Diskriminierung nimmt beänstigend zu, sagt das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan).
Fälle wie dieser sind keine Seltenheit – im Gegenteil. Die Beschwerden über antismuslimischen Rassismus, die beim Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan), einlaufen, nehmen Jahr für Jahr zu. Seit 2016 erfasst die Anlaufstelle systematisch Beleidigungen, Anfeindungen, Benachteiligungen bis tätliche Angriffe auf Muslim*innen und Menschen, die als solche angesehen werden.
Am Dienstag stellte Inssan die Zahlen erstmals bei einer Online-Pressekonferenz vor. Danach wurden 2019 insgesamt 265 Vorfälle gemeldet, das waren 50 Prozent mehr als im Vorjahr (2018: 176), und über 100 Prozent mehr als 2017 (115) und 2016 (110). „Antimuslimische Ressentiments sind in breiten Gesellschaftsschichten verankert. Hunderte Menschen werden tagtäglich in Berlin als fremd und nicht zugehörig markiert, ihr grundlegendes Recht auf gleiche Teilhabe immer wieder angegriffen“, sagte Seynep Cetin, Projektleiterin von Inssan. Dabei seien die Vorfälle, die Inssan gemeldet werden, sicher nicht repräsentativ: Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
Nach Auswertung aller Beschwerden ereignen sich laut Inssan 51 Prozent der Vorkommnisse im „sozialen Nahraum“, also auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr, im Haus oder auf dem Spielplatz. Hassmails und Drohungen im Internet, die erst seit 2018 erfasst werden, machen inzwischen 19 Prozent der Vorfälle aus.
Antidiskriminierungsgesetz des Landes geplant
Im Bereich Bildung, erklärte Cetin, reichten die Vorfälle von abfälligen Bemerkungen seitens der LehrerInnen über schlechtere Noten bis hin zu Kopftuchverboten. Auf Nachfrage der taz sagte sie, dass sie allein im vorigen Jahr vier Beschwerden bekommen hätten, dass Schulen Mädchen das Kopftuchtragen verboten hätten – entgegen den gesetzlichen Bestimmungen. „In einem Fall mussten wir sogar die Schulaufsicht einschalten, weil der Schulleiter nicht wollte, dass ein Mädchen mit Kopftuch am Unterricht teilnimmt.“
Sie hoffe, so Cetin, dass sich solche Vorkommnisse mit dem geplanten Landesantidiskriminierungsgesetz erledigen werden. Das Gesetz sieht eine Klagemöglichkeit für Betroffene gegenüber diskriminierenden Behörden und staatlichen Institutionen, etwa Schulen, vor. Es sollte im November verabschiedet werden, doch offenbar gibt es noch Beratungsbedarf innerhalb der rot-rot-grünen Koalition.
Was die Diskriminierungsgründe angeht, so hat Inssan festgestellt, dass diese oft intersektional verschränkt sind, sprich: Diskriminierung aufgrund der Religion, Ethnizität, des Geschlechts oder sozialen Status überlappen sich. So wurden laut der Zahlen für das vorige Jahr 225 der meldenden Personen vordergründig aufgrund ihrer islamischen Religionszugehörigkeit diskriminiert. 162 Muslim*innen erfuhren zudem auch aufgrund ihrer (zugeschriebenen) ethnischen Herkunft Anfeindungen und 124 Personen auch aufgrund ihres Geschlechtes. Insgesamt sind laut Bericht Frauen mit 54,7 Prozent öfter Opfer von Diskriminierung – oder meldeten sich häufiger.
Seynep Cetin, Projektleiterin Inssan
Vom Senat fordert Inssan mehr Geld, um die Beratungs- und Dokumentationsstelle ausbauen zu können und „eine gesicherte Förderung der oft ehrenamtlich geleisteten Beratungsarbeit“, so Cetin. Es müssten aber auch antimuslimisch-rassistische Debatten vor allem in Politik und staatlichen Einrichtungen als solche klar benannt und entschieden angegangen werden.
Kati Becker, Leiterin der Berliner Registerstellen, die ebenfalls seit Jahren rassistische Vorfälle dokumentieren, bestätigte bei der PK die von Inssan beobachtete Tendenz: Im Bereich antimuslimischer Rassismus hätten die Register 2019 im Vergleich zu 2018 eine Verdoppelung der Vorfälle registriert.
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