ZDFneo-Serie „Der Schatten“: Mit dem 71er zum Zentralfriedhof
In der ZDFneo-Serie „Der Schatten“ wagt eine Journalistin ihren Neustart in Wien. Doch kippt die Stimmung, als eine Bettlerin ihr Unheil prophezeit.
Das sieht echt nach Neuanfang aus: Norah Richter (Deleila Piasko) zieht von Berlin nach Wien und lässt es alle wissen: #goodbyeberlin und #neuwienerin tippt sie ins Smartphone. Und löscht Fotos, die sie zusammen mit ihrem Ex-Freund zeigen. Eben ein Neuanfang. Es lässt sich ja auch gut an. Die junge Frau tritt einen Job als Reporterin beim Wiener Magazin Neue Normalität an und wird dort mit (nicht verständlichen) Vorschusslorbeeren empfangen.
Normal aber ist in der Serie „Der Schatten“ – die im letzten Jahr den Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Regie Fiktion“ einheimste – gar nichts. Die Stimmung kippt schnell und dramatisch. Das macht schon die Musik deutlich, die allzu oft bedeutungsschwanger vor sich her dröhnt. Warum muss das eigentlich immer so sein? Schon klar, das soll die Spannung erhöhen, ist auf Dauer aber eher nervig.
Unerhörtes passiert: Bettlerin Dorothea Lechner (Elisabeth Rath) fällt die Schale fürs Kleingeld zu Boden (ist das Absicht?). Norah hebt sie auf und die Frau mit den auffallend leuchtenden Augen ergreift ihre Hände und spricht eine „Prophezeiung“ aus. So heißt denn auch die erste Folge der sechsteiligen Serie, die im Auftrag von ZDFneo entstand und in Wien und Prag von einer Münchner Firma produziert wurde.
Verhängnisvolle Prophezeiung
Die Weissagung hat es in sich: „Du bringst den Tod“, raunt sie. Und es kommt noch dicker. „Vögel fallen tot vom Himmel. Blumen welken. Uhren bleiben stehen.“ Das volle apokalyptische Programm. Außerdem wird Norah am 13. August im Prater einen gewissen Arthur Grimm umbringen. Puh!
„Der Schatten“, 6 Folgen, ZDF-Mediathek
Norah aber kennt keinen Mann dieses Namens. Und würde sicher niemals jemand ermorden. Oder? Ihren Neustart in Wien hatte sie sich echt anders vorgestellt. Aber hey, das hier ist schließlich eine Thrillerserie und eine durchaus spannende Alternative für alle Fußball-Muffel und die dadurch bedingten ewig gleichen Wiederholungen gut abgehangener Fernsehkrimiware.
Ein paar kleine Mängel wie die nervige „Musikfarbe“ und einige scheinbar unvermeidliche Versatzstücke aus dem Baukasten für Thriller mit mysteriösem Einschlag sind verzeihlich. Klar, dass immer wieder Dinge verschwinden oder auf einmal wieder da sind. Und die Bettlerin, da verrät man nicht zu viel, ist in der zweiten Folge tot, kaum dass Norah sie ausfindig gemacht hat.
Der Tod ist allgegenwärtig
„Der Schatten“ arbeitet mit Rückblenden und immer wieder mit Traumsequenzen. Die führen stets in die Vergangenheit. Norah ist mit ihrer damals besten Freundin Valerie zu sehen. Sie fahren mit dem Fahrrad über eine Stauseebrücke – und man ahnt das Unheil. Valerie, gerade 16 Jahre alt und schwanger von einem viel älteren Mann, lebt nicht mehr. In Norahs Gedanken aber geistert sie weiter herum. Norah kann nicht loslassen, fühlt sich immer noch schuldig. Mit dem Umzug nach Wien kommt alles wieder hoch. Norah gerät in einen Strudel aus Wahn und Wirklichkeit.
Norah landet mit einem jungen Kollegen im Bett, nachdem sie Ecstasy eingeworfen hat – dabei hatte sie früher mit Drogen (und inneren Dämonen) zu kämpfen. Und im neuen Job ringt sie mit dem Chef und außerdem einem Künstler, der im wahrsten Sinne des Wortes verletzende Kunst macht. Den soll sie porträtieren, aber er wird bald sterben.
Sagen wir mal so: der Tod ist hier allgegenwärtig. Tja, wir sind halt in Wien. Wie sagt man in der Stadt so schön, wenn jemand gestorben ist? Man hat den 71er genommen. Diese Tramlinie fährt zum Zentralfriedhof.
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