ZDFinfo-Doku über Rassismus: Aufklärung über das Empörende
Die ZDFinfo-Doku „Rasse. Wahn. Verbrechen. Die Geschichte des Rassismus“ bündelt, was zu sagen ist. Eine Grundlage für den Schulunterricht.
taz | Dass Rassismus eines der übelsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verkörpert und bis in kleinste Alltagspraktiken jene Menschen – und nicht nur sie – peinigt, die von ihm betroffen sind, versteht sich längst von allein. Und zwar auch für all jene, die von Giftereien, schmutzigen Sprüchen und hässlichen Gesten nicht betroffen sind: „hellhäutige“ Menschen. Eine zivilisatorische Errungenschaft wenigstens in Europa ist, dass über Rassismus gesprochen wird – und dass Rassismen heftige Kritik ernten.
Der renommierte deutsche Dokumentarfilmer John A. Kantara hat für ZDFinfo ein starken Film gefertigt, Titel: „Rasse, Wahn, Verbrechen“, die, wie es heißt, „Geschichte des Rassismus“. In sieben historisch informierenden Schritten nimmt der Autor akkurat auseinander, wann Rassismus vor allem in die global ton- und machtangebende europäische Welt einzog, in der frühen Neuzeit kurz vor der sogenannten Entdeckung Amerikas.
Damals waren die Fundamente für das gelegt, was bis heute fortwirkt: Die Herabwürdigung, ökonomische und kulturelle Vernutzung von jenen, die als „Fremde“ wahrgenommen wurden – Menschen nichtweißer Hautfarbe.
Es begann freilich nicht mit der Versklavung von Schwarzen Männern (und Frauen) – Sklaverei war ein übliches Geschäft in der Menschheitsgeschichte, von der auch Weiße betroffen waren, etwa durch arabische Händler.
Wirkt bis heute fort
„Rasse. Wahn. Verbrechen. Die Geschichte des Rassismus“, John A. Kantara, Donnerstag, 15. Februar, 20.15 Uhr, ZDFinfo; auch in der ZDF-Mediathek
Vielmehr war es die theologische, die christliche Begründung mit der Rückeroberung Spaniens durch militärische Bewegungen gegen die islamischen Herrscher in jenen Jahren: In Muslimen (und Juden) pulsiere falsches, besser: anderes, minderwertiges Blut. Die Idee, dass sich im körperlich Objektiven – dem Blut eben – ein Stoff finde, der prinzipielle Minderwertigkeit bewahrheite, ist exakt jene, der sich alle Rassistinnen* bis in heutige Tage bedienen.
Neben Schilderungen der spanischen Reconquista gibt es Abschnitte zum US-amerikanischen Rassismus zumal in den Gründerjahren der USA, zum kolonialen des britischen Königreichs in Indien, zur Naziverfolgung von jüdischen Menschen, vom britischen Kolonialismus – bis hin zum mächtigen Protest gegen die Tötung des nichtweißen US-Bürgers George Floyd durch Polizisten.
Die Beispiele sind prominent gewählt, kein Bild in diesem Film ist überraschend. Auch nicht die Statements von Expertinnen*, die Kantara aufbietet. Historiker*innen wie Christian Geulen und Patrice G. Poutrus sowie andere liefern gute Sätze.
Tatsächlich kann auch eine solche Dokumentararbeit nur nüchtern sein und viel zu weniges an nicht nur Anekdotischem zum Thema Rassismus beitragen: Dass die erste nichtweiße Oscar-Preisträgerin, Hattie McDaniel, für ihre Rolle im rassistisch durchwobenen US-Südstaaten-Epos „Vom Winde verweht“ zwar zur Preisverleihung kommen durfte, aber Platz nehmen nur an einem Nebentisch, in einem von Scheinwerfern unbeachteten Eckchen.
Überwiegend konventionell
Oder dass im britischen Königshaus nicht erst Meghan Markle die Niederträchtigkeit von Rassistischem gewärtigen musste, vielmehr war es das Königshaus selbst, das erst in jüngerer Zeit als Büroangestellte in der Verwaltung der monarchischen Apparate nichtweiße Menschen anheuerte – bis dahin waren sie nur zugelassen für DienstbotInnen.
So weit, so überwiegend konventionell. Was den Film jedoch ausmacht, was jedes Lob zu sagen verdient, ist womöglich seine Tauglichkeit für den Schulunterricht. Schaut man sich diese Dokumentation an, hält die geballte Revue an geschichtlich fundierten Niederträchtigkeiten die vollen 45 Minuten aus, so ergibt sich das weitere Schulgespräch wie von selbst.
Alle Schüler und Schülerinnen können zum Thema etwas beitragen, Wissen und Erfahrung in eigener Sache höchstwahrscheinlich. Das wären dann Reaktionen, die Diskriminierungen im (auch deutschen) Alltag, die in der Doku als „strukturell“ verstanden werden, erlebbar machen.
Zu wünschen wäre dann ein zweiter Teil: eine Dokumentation über deutsche Rassismen, erarbeitet aus den Stimmen jener, die in die Bundesrepublik seit Ende der fünfziger Jahre als sogenannte „Gastarbeiter“ kamen und die, wenn überhaupt, dann nur ausnahmsweise als gleichwertige Bürger und Bürgerinnen anerkannt wurden.
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