ZDF-Krimi „Tod eines Mädchens“: Nichts ist wie immer
Ein gutes Ensemble und keine Redundanzen: Der Krimi-Zweiteiler „Tod eines Mädchens“ macht vieles besser als seine Artgenossen.
In dem derzeitigen Vorabend- und Primetime-Krimi-Overkill der Öffentlich-Rechtlichen läuft ein tendenziell genervter, dem Genre aber nicht grundsätzlich abgeneigter Gelegenheitsgucker schnell Gefahr, die guten Sachen zu verpassen. Zumal wenn der Titel so scheinbar nichtssagend ist wie „Tod eines Mädchens“. So könnte jeder dritte Krimi heißen. Dabei ist der Titel hier ausnahmsweise sehr passend.
Der Zweiteiler ist nach dem Whodunit-Muster à la Agatha Christie konstruiert. In knapp 180 Minuten wird ein Tableau mit etlichen Verdächtigen entfaltet, der Zuschauer darf miträtseln, und der Mörder, der erst in den letzten Minuten entlarvt wird, entstammt dem eingeführten Personenkreis. Das ist genauso konventionell wie die Szene mit Spurensicherung und den leitenden Ermittlern am Fundort – es gibt sie in jedem „Tatort“.
Die angespielte Routine der Szene wird hier aber emotional gebrochen. Kommissarin Hella Christensen (Barbara Auer) kennt das tote Mädchen, es ist die 14-jährige Nachbarstochter. Christensen hat einen Sohn im gleichen Alter, die Familien sind befreundet. Bald kommt auch noch die Mutter (Anja Kling) angerannt, deren böse Ahnung gerade Gewissheit geworden ist.
„Tod eines Mädchens“: 1. Teil am Montag (9.2.), 2. Teil am Mittwoch (11.2.), jeweils um 20.15 Uhr im ZDF.
Idyllische kleine Orte an der Nord- oder Ostsee sind im TV-Krimi überrepräsentiert, also auch konventionell. Eigentlich. Selten aber hat sich ein Krimi so ins Zeug gelegt, den „Tod eines Mädchens“ wirklich zu erzählen. Drei Stunden lang zu erzählen, was es für so einen Ort bedeutet, wenn ein Kind, das alle kannten, ermordet wird: Da ist die Ungeduld mit der Polizei, das Gedenken am Fundort, wo einer zu den Kerzen und Blumen und Beileidsschreiben eine andere Botschaft gelegt hat: „Todesstrafe für Kindermörder!“ Da ist der, der den Zettel entfernt, weil er ihn unwürdig findet. (Oder warum macht er das?) Da ist der Bürgermeister, der verkündet: „Wer immer es gewesen ist – er soll ab diesem Moment keine ruhige Minute mehr haben!“ Psychogramm einer Kleinstadt, Melodram – „Tod eines Mädchens“ ist mehr als nur ein konventioneller TV-Krimi.
Vertrauen in die Kraft der Bilder
Niemand bleibt unbeteiligt. Der Cliffhanger am Ende des ersten Teils: Kommissarin Christensens neuer Chef Simon Kessler (Heino Ferch) steht vor der Haustür. Sie hatte ihn zum Abendessen eingeladen. Es dauert ein paar Minuten, bis sie bei einem zufälligen Blick durchs Fenster den Polizeiwagen vor der Tür sieht. Kessler ist nicht zum Kontaktknüpfen gekommen. Die Erkenntnis und die folgende Festnahme werden – von Stefan Holtz und Florian Iwersen (Buch), Thomas Berger (Regie) und Frank Küpper (Kamera) – beinahe wortlos in Bildern erzählt. Und das ist fürwahr eine Ausnahme in einem populären Genre, in dem sich visuelle und sprachliche Informationen regelmäßig so doppeln, dass man sich mitunter fragt, ob man versehentlich die Zweikanaltonfassung für Sehbehinderte eingeschaltet hat.
Dieser so gefühlskalt daherkommende Chef Kessler ist mit seiner diagnostizierten Anpassungsstörung wiederum derzeitiger Standard („Kommissarin Lund“, „Die Brücke“, „Homeland“) – inzwischen also eigentlich konventionell. „Arschloch“ nennen ihn die Kollegen. Aber wenn ihm in einer herrlich bösen Miniatur der Kollege von der Abteilung Amtsdelikte (Hansjürgen Hürrig) gegenübersitzt („Wie gesagt, nehmen Sie meine Fragen bitte nicht persönlich“), dann ist Kessler nur das kleinere Arschloch. Hürrig wurde allein für diese eine Szene in einem hervorragend besetzten Film gecastet, in dem etwa Jörg Schüttauf, Hinnerk Schönemann, Rainer Bock, Johann von Bülow und Gustav Peter Wöhler die Verdächtigen spielen.
Auch an ihnen liegt es, dass das ständige Hin und Her der Verdächtigungen erstaunlich plausibel gelingt.
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