ZDF-Dreiteiler „Unterleuten“: Ein Kampf gegen Windräder
Die Thematik von Juli Zehs Bestseller „Unterleuten“ ist auch 2020 noch hochaktuell. Doch der Miniserie fehlt es an Tiefe und Spannung.
Politik, Intrigen und rauchende Männer. Die Miniserie „Unterleuten – Das zerrissene Dorf“ ist das deutsche „House of Cards“. Doch während es in der Netflix-Serie um Politik-Intrigen, Staatsschulden und Außenpolitik geht, ist der ZDF-Dreiteiler in einer brandenburgischen Gemeinde angesiedelt, die zwischen Großinvestoren aus Westdeutschland und dem Erhalt des ländlichen Lebens steht. Im Mittelpunkt des Kulturkampfes: zehn neue Windräder, die im unmittelbaren Umkreis des Dorfes gebaut werden sollen.
Denn die möchte niemand so wirklich haben. Nur beim Profitieren, da sind alle wieder mit an Bord. Allen voran Gombrowski (Thomas Thieme), der dunkle Absolutist der Dorfpolitik, und Linda Franzen (Miriam Stein), eine junge Zugezogene. Denn auf ihrem jeweiligen Land kann gebaut werden – was eine enorme Wertsteigerung bedeuten würde.
Daraus entspinnt sich ein Konflikt, bei dem manch einer nach dem großen Geld greift. Andere hingegen wollen den Bau verhindern: Etwa der Altkommunist Kron (Hermann Beyer), der sich gegen den einziehenden Kommerz stellt, oder Vogelschützer Gerhard Fließ (Ulrich Noethen), der verhindern will, das Naturschutzgebiete weggerodet werden.
Alte Gesellschaft statt Naturschutz
Der Kampf um Windräder, auch in der Realität ein hochpolitisches Thema in Brandenburg. Doch Naturschutz und erneuerbare Energien spielen in der Serie eine untergeordnete Rolle. Der Hauptkonflikt ist eher: Erhaltung der alten Gesellschaft und die Hochhaltung gemeinschaftlicher Werte versus die egoistisch-reichen kosmopolitischen „Heuschrecken“-Investoren, die sich persönlich bereichern wollen, natürlich unterstützt von einigen macht- und geldgierigen Einwohner*innen.
„Unterleuten – Das zerrissene Dorf“, ab 2. 3. in der ZDF-Mediathek, ab Mo., 9. 3., 20.15 Uhr, ZDF
Auch sonst tut sich die Serie schwer. Als Adaption des gleichnamigen Erfolgsromans musste der preisgekrönte Regisseur Matti Geschonneck in große Fußstapfen treten. Die Autorin Juli Zeh blieb mit „Unterleuten“ 2016 nicht nur 78 Wochen lang in der Top-50-Bestseller-Liste, sondern erschuf auch eine Welt, die über die Buchgrenzen hinaus lebendig wurde – eine Art multimediales Gesamtkunstwerk. Auf einer eigenen Website erstellte der Verlag Steckbriefe für jede*n Bewohner*in inklusive einer interaktiven Karte des Dorfes.
Diese Faszination konnte nicht auf den Fernsehbildschirm übertragen werden. Auch die Perspektivwechsel des Romans, die nach und nach die Wahrnehmung der Dorfbewohner*innen beleuchten, finden in Serienform nicht statt. Dadurch kann sich die im Roman herausgestellte Subjektivität nicht als Konfliktherd entfalten. Viele Handlungsstränge verlieren an Gewicht, vor allem das Finale.
Hölzerne Dialoge und Klischees
Obwohl Darsteller wie Hermann Beyer, bekannt aus „Vergiss dein Ende“ und der Netflix-Serie „Dark“, oder auch Ulrich Noethen („Das Tagebuch der Anne Frank“, „Hannah Arendt“) in der Vergangenheit ihre Fähigkeit vielfach bewiesen haben, wirkt das Schauspiel holzig. Das liegt vor allem an den Dialogen, die zwischen durchaus klug über unfreiwillig komisch bis zu schwer erträglich sind.
Die einzelnen Charaktere mögen in der Romanvorlage komplex und vielschichtig sein, in der Serie sieht man jedoch nur Abziehbilder von Klischees. Zum Beispiel Meiler, Immobilieninvestor, der nicht nur ein eiskalter Geschäftsmann ist, sondern auch Eheprobleme und einen drogensüchtigen Sohn hat. Oder Hilde Kessler, alte Frau, unverheiratet und Besitzerin von dutzenden Katzen.
„Unterleuten“ sollte hochaktuell sein. Die Themen, die besprochen werden sind es: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Aufarbeitung der Post-Wende-Zeit und der Konflikt zwischen dem Erhalt alter Strukturen und dem Nachhaltigkeitswandel auf dem Land. Der Serie fehlt jedoch die Tiefe, um sich diesen Themen adäquat stellen zu können. Stattdessen bleibt sie oberflächliche Unterhaltung. Vielleicht hätte sich statt des ZDF ja Netflix an den Stoff wagen sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften