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ZDF -Comedy bei „Späti“Highlights auf der Klappbank

In der ZDF-Serie „Späti“ muss man die Höhepunkte eher suchen. Berliner Atmosphäre liefert die Sache aber immerhin, nicht zuletzt in den Nebenrollen.

Aylin (Gülseren Erkut, r.) sucht Trost bei Fred (Wilson Gonzalez Ochsenknecht, l.) Foto: ZDF

An wirklich jeder Ecke ’n Späti: So fühlt es sich in manchen Momenten in Berlin an. Tatsächlich zieren „nur“ circa 1.000 Spätis die Straßen der Hauptstadt. Als Eckpunkte des Alltags stellen sie nicht nur notdürftige Versorgung in der Mitternachtsstunde, die meist aus Chips, Bier und Zigaretten besteht, sondern bilden einen sozialen Treffpunkt und repräsentieren mit viel Herz die spezifische Berliner Kultur.

Genau die versucht die ZDFneoSerie „Späti“ mit Wilson Gonzalez Ochsenknecht auf die Beine zu stellen. Hier geht es um einen ganz durchschnittlichen Späti, dessen Besitzer Hakan (Sahin Eryilmaz) kurzfristig in die Türkei reisen muss, seine Tochter Aylin (Gülseren Erkut) jedoch den Laden nicht ganztags stemmen kann. Der tollpatschige Fred (Wilson Gonzalez), welcher jeden Tag am Späti abhängt, versucht daraufhin der Welt zu beweisen, dass er tatsächlich etwas neben Jobverlust und Vergesslichkeit drauf hat und hängt sich als Ladenschwengel rein.

Auf den ersten Blick kann „Späti“ wie ein ZDF-Abklatsch von „Die Discounter“ aus Hamburg wirken, jedoch zeigt die Sitcom recht schnell ihren eigenen berlinerischen Charme. Die Serie versucht der Chaosrealität eines Spätis gerecht zu werden und bringt viel Liebe der Berliner Kulturszene entgegen.

Ganz nach dem Social-Media-Sound „Der Sommer kam und Berlin war der schönste Ort auf Erden“ fängt die Serie die sechs lebenswerten Monate der Hauptstadt ein: ein heruntergefallenes Eis, das traurig auf dem Asphalt schmilzt, überfüllte Mülleimer und das Spiel aus Langeweile und Chaos, das den Prot­ago­nis­t:in­nen der Serie zu schaffen macht.

Echte Verantwortung

Freds Dusseligkeit ist in den ersten Folgen unerträglich unrealistisch. Nicht nur die Kun­d:in­nen vermissen Hakan, sondern auch ich. Wie viel Tollpatschigkeit kann eine Person in sich vereinigen? Fred zeigt zumindest, dass es kein Limit nach oben gibt. Mit den Folgen nimmt aber seine Ungeschicklichkeit ab und damit steigt auch die Sympathie für seinen Charakter. Fred merkt, dass er echte Verantwortung für den Laden mitbringen muss und freundet sich langsam auch mit der anfangs schroffen Aylin an.

Die Highlights der Sitcom sitzen jedoch auf der Klappbank vorm Späti: Marianne (Eva Weißenborn), Helmut (Torsten Michaelis) und Rashid (Falilou Seck). Die drei wetten bei jeder Gelegenheit und haben genau den realistischen, bodenständigen Witz, der die Serie wieder glaubwürdig macht.

Neben wirklich pointierten, amüsanten Dialogen mit so manchen Kund:innen, gibt es auch sehr überraschenden Cameos, wie „Die Discounter“-Schauspieler Marc Hosemann, der im gefälschten Chanel-Trekking-Anzug und Human Puppy in den Laden spaziert oder Rapper Ski Aggu, bei dem Marianne nachhakt, ob er denn überhaupt was durch seine Skibrille erkennen könne.

Neben Freds Tollpatschigkeit muss die Späti-Crew auch noch mit der Vermieterin des Ladens, Frau Gröner (Isabell Polak) klarkommen. Diese will um jeden Preis den Laden in eine Yoga-Oase verwandeln, um jeden Preis heißt hier auch: den der Eindimensionalität, ohnehin eine Schwäche der Serie: Existenzängste um den Späti und Stress haben nämlich anscheinend alle außer der Ladenbesitzer. Und auch die Po­li­zis­t:in­nen sind unnötig lächerlich gezeichnet.

„Hakan’s Späti“ hat zwar ein paar Ecken, wo die Farbe der Story doch deutlich abblättert, aber die Geschichte lebt dann am Ende doch von ihrem Charme. Für eine Kurzstrecke zum Späti ist die Serie also auf jeden Fall eine Fahrt zur ZDF-Seite wert.

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1 Kommentar

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  • Was ist los mit der Filmkritik der taz? Die Serie ist unsäglich, behauptet die Berliner Späti-Kultur abzubilden, ohne sich wirklich für sie zu interessieren, sondern vor allem für Flachwitze. Bei jedem zweiten Satz merkt man, dass die verantwortlichen Redakteure in Mainz sitzen. Dazu schubkarrenweise Influencer (DWDL). Gruseilig, da diese noch weniger Schauspieltalent mitbringen als die Schauspieler.



    Das Machwerk hat gute Chancen, die schlechteste Kurzserie des Jahres zu werden, was auch an dem begrenzten Schauspielvermögen von Wiilson Gonzales Ochsenknecht liegt, der einen sturzdoofen Typen als Spätiwirt spielen muss (spielt er den wirklich?) und sich gegen dieses Klischee nicht wehrt.

    Gibt es in Deutschland keine Drehbuchautoren, die aus interessanten Sozial-Kosmos Späti im Gegensatz zur Berliner Medien- und Politikblase ein sozial geerdetes höchst aktuelles komisches dramaturgisch aufregendes Kammerspiel machen könnte, dass kein Klischee seiner selbst ist und z. B. Probleme wie die Gentrifizierung nicht nur behauptet, sondern schmerzvoll darstellt?