Youtuber testen Drogen: Die gewissenhaften Trip-Sitter
Auf „Drugslab“ nehmen drei junge Moderatoren vor der Kamera Drogen. Klingt nach Spaß-Kanal, ist in den Niederlanden aber öffentlich-rechtlich.
Nellie Benner muss den Termin für das Interview verschieben, denn sie muss LSD nehmen. Das ist ihr Job. Zusammen mit zwei Kollegen, Rens Polman und Bastiaan Rosman, testet die Moderatorin Drogen für den YouTube-Kanal „Drugslab“.
Was klingt wie ein Spaßkanal von Teens, gehört zum BNN, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkgesellschaft in den Niederlanden. Ihr Fokus: Formate über Drogen und Sex für Teenager und junge Erwachsene, wie die Sendung „Spuiten en Slikken“, also „spritzen und schlucken“.
Während in „Spuiten en Slikken“ meist nur über Drogen gesprochen wird, werden sie im „Drugslab“ vor laufender Kamera getestet. „Wir wollen Menschen aufrichtig von Drogen erzählen“, sagt Benner. Von ihrem Trip hat sie sich mittlerweile erholt. „Unser Motto ist: 'Wir probieren Drogen aus, damit du es nicht musst. Aber wenn du es willst, mach es so sicher wie möglich.“ Ein Risiko gebe es zwar immer. Aber Benner ist überzeugt: „Viele Menschen sind neugierig auf Drogen. Und sie werden sie ausprobieren, trotz der Verbote.“ Deswegen sind die Ziele von „Drugslab“: Schadensminimierung und Aufklärung.
Das sieht dann so aus: Vor jedem Video erscheint der Hinweis, dass es sich um eine Aufklärungssendung über Drogen handelt. Dann sieht man zwei der drei ModeratorInnen in einer Laborkulisse, die an den Chemieraum in der Schule erinnert. Ein großer Tresen, links ein paar Reagenzgläser, rechts ein großes eckiges Waschbecken. Dahinter Regale mit weiteren Gläsern und einem Mikroskop vor weißen Kacheln, rechts eine Tafel. Grün-bläuliches Licht, klinische Atmosphäre. Mit dem Schulbild brechen eine Marihuanapflanze, ein an der Wand hängender Monitor, der Herzschlag und Körpertemperatur der Testperson anzeigt, und Name und chemische Verbindung der Droge an der Tafel.
Do’s and Dont’s zur jeweiligen Substanz
Die beiden erzählen über die Herstellung oder die Gewinnspanne der Droge, über Risiken, über ihre Wirkung, wie man sie dosiert. Zum Beispiel in der Folge „Nellie celebrates a white Christmas with cocaine“, in der Rens Polman erklärt: „Manchmal werden Leute arrogant und fühlen sich wie die Könige der Welt.“ Benner zieht das weiße Pulver. Polman passt auf, ist Trip-Sitter. „Brennt es?“, fragt Polman. „Ja, ziemlich dolle“, antwortet Benner. Sie beschreibt, was sie fühlt, was sich verändert. Sie wird aggressiv, schlägt eine Weile auf einen Punching Ball ein.
Dann machen sie Tests: Memory spielen, Obst essen. Am Ende folgt eine kurze Sequenz, in der Benner sich mit dem Handy filmt. „Ich habe gut geschlafen und fühle mich nicht merkwürdig oder deprimiert“, sagt sie. Und: „Kokain mag dich selbstsicher machen. Aber das solltest du aus dir selbst heraus fühlen und nicht durch eine Droge.“ In der Infobox stehen jeweils Informationen zum Gebrauch, zur Dosis und zu den Risiken. Zeitgleich mit dem Tripvideo erscheint eines mit den „Do’s and Dont’s“ zur jeweiligen Substanz.
Speed, MDMA, Xanax, Cannabis – die Liste der Drogen, die die drei schon getestet haben, ist lang. ZuschauerInnen können in die Kommentare schreiben, was noch getestet werden soll. „Es gibt natürlich Stoffe, die wir nicht nehmen, wie Heroin oder Crystal Meth“, sagt Benner. „Wir arbeiten eng mit dem Suchtberatungszentrum Jellinek zusammen. Da kriegen wir alle Informationen über die Droge.“ Und sie beraten sich auch, welche sie zeigen wollen: „Bei manchen Substanzen sagt Jellinek auch, wir sollen sie noch nicht testen, da sie noch nicht populär sind. Wir wollen ja niemanden auf neue Drogen stoßen.“
Bevor sie die Drogen nehmen, lassen sie sie in einem Labor testen. Das ist in den Niederlanden legal und anonym möglich. Weil ein Risiko bleibt, ist am Set auch immer ein medizinischer Helfer. Im Einsatz war er erst zweimal. Vor jedem Drehtag gibt es eine Gesprächsrunde im ganzen Team. Wenn jemand sich nicht danach fühlt, die Droge zu testen, wird das angesprochen. „Im Team herrscht große Verantwortung und großes Vertrauen“, sagt Benner. „An einem Montag nach Muttertag sollte ich Salvia testen. Meine Mutter war ein paar Jahre zuvor gestorben. Ich sagte, ich würde mich okay fühlen, aber das Team sagte, ich solle es lieber lassen. Also haben wir den Dreh verschoben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“