piwik no script img

Yello-Sänger Dieter Meier über Steaks„Natur ist ein anarchischer Partner“

Gutes Fleisch geht auf wie ein Kuchen, sagt Dieter Meier, der in Argentinien Tausende Rinder hält. Ein Gespräch über Bio-Landwirtschaft, Zellstrukturen und die Pampa.

Bei einem guten Steak hat man kein Gramm Wasser in der Pfanne. Bild: Teka77 / photocase
Jörn Kabisch
Interview von Jörn Kabisch

taz: Herr Meier, ich habe hier dünn aufgeschnittenes Roastbeef von Ihrer Farm in Argentinien auf dem Teller, noch sehr rosa. Was ist das Besondere daran?

Dieter Meier: Oh, da gibt es einige. Es ist natürlich bio. Die Ochsen sind ausschließlich mit Gras aufgewachsen. Ich finde, das macht einen großen Unterschied.

Welchen?

Schmecken Sie selbst.

Es ist zart, hat aber noch einen feinen Biss.

Das ist der Unterschied: Grasgefütterte Tiere haben eine andere Zellstruktur. Ich sage immer: Gutes Fleisch geht auf wie ein Kuchen. Die Zellen springen nicht, man hat kein Gramm Wasser in der Pfanne. Ganz anders als Fleisch von vielen Tieren, die nur im Stall stehen und Getreide und Chemie bekommen.

Herr Meier, man kennt Sie als Elektropopper, Sie haben Yello gegründet. Dass Sie aber auch Rinderzüchter und Biobauer sind, wissen wenige. Aber warum Argentinien?

Wenn man biologisch, also ohne Pestizide, landwirtschaften will, dann geht man mit der Pflanze dorthin, wo sie am stärksten werden kann und Schädlinge von Natur aus die geringsten Chancen haben. Und das war 1996 für mich Argentinien. Es gibt in diesem riesigen, wunderbaren Land die verschiedensten Klimazonen, die verschiedensten Böden.

Dann war die Rinderzucht gar nicht Ihr Ziel?

Nein, so war das nicht geplant. Das Hauptgewicht sollte die Farm haben. Aber ich habe dann festgestellt, man kann nicht acht Jahre Getreide, Mais und Sonnenblumen anbauen und dann nur zwei Jahre lang Viecher auf die Flächen stellen. Für eine gute extensive Landwirtschaft ist fifty-fifty besser. Also der gleichmäßige Wechsel. Der Boden kann sich erholen, das Gras lässt sehr viel Proteine und Stickstoff im Boden zurück, und die Tiere düngen darüber hinaus.

Sie waren schon 50, als Sie Bauer geworden sind.

Aber dass es so weit kommt, war für mich immer klar. Ich hab schon als Kind Ferien auf kleinen Bauernhöfen gemacht und immer dieses Reelle geliebt, also auf dem Boden zu sein und zu sehen, wie etwas wächst, wie etwas gedeiht. Das ist neben dem Filmemachen für mich vielleicht das Schönste, was es gibt. Und es treibt mich weiter an. Ich plane gerade am Rio Negro, in der Steppe, Walnüsse zu pflanzen. Zu sehen, wie diese Bäume wachsen, ist ein Glücksgefühl jenseits von aller Ideologie.

Bio ist für Sie eine Ideologie?

Nein, ich bin kein Bio-Ideologe. Ich sehe einfach, dass man mittel- und langfristig gute Resultate erzeugen kann, wenn man biologisch anbaut. Und es macht auch mehr Freude, als mit Chemiebomben zu arbeiten. Wie die aufs Land geschmissen werden, ist verantwortungslos. Das hat schwerste Auswirkungen für das Wasser, die Umwelt, die Artenvielfalt. Das sieht man ja an dem weltweiten Bienensterben. Die Chemieindustrie wehrt sich zwar gegen den Vorwurf, ihre Pestizide hätten damit was zu tun. Aber natürlich sind sie der Grund. Sie richten unglaubliche Schäden haben.

Sie gelten als großer Ironiker. Beim Essen hört der Spaß auf.

Ich habe vor allem eine ironische Distanz zu mir und meinem Kurzbesuch auf diesem Planeten. Aber es gibt Dinge, die kann man nicht mehr ironisch betrachten. Gerade die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Auf dem Bauernhof dagegen geht es ohne ironische Distanz auch nicht.

Warum?

Man hat einen anarchischen Partner. Die Natur versucht ständig, neue Arten aufs Feld zu schicken. Um zu lernen, um in einen Dialog mit der Natur zu treten, muss man als Biobauer auch einstecken können.

Bild: dpa
Im Interview: Dieter Meier

Sein Leben: Ohne ihn wäre der Sound der Achtziger ein anderer. Dieter Meier, geboren 1945 in Zürich, ist als Kopf der Elektropop-Duos Yello bekannt geworden. Aber der umtriebige Schweizer Bonvivant, Markenzeichen Schnurrbart und Halstuch, der sich gern „Individualanarchist“ nennt, hat sich auch als Performancekünstler, Filmemacher und Unternehmer einen Namen gemacht. Seit 1996 engagiert sich Meier vor allem in der Rinderzucht und im Weinbau.

Sein Geschäft: „Ojo de Agua“, Wasserauge, ist der Name der Farm und der Restaurants, die Meier betreibt, benannt nach den Wasserlöchern, an denen die Rinder in der argentinischen Pampa trinken. Auf 20.000 Hektar stehen dort Black Angus und Herford-Rinder. Außerdem baut er Wein an und züchtet Gemüse; alles ist nach europäischen Kriterien biozertifiziert. Alle werden auch in den Restaurants angeboten, die Meier inzwischen in verschiedenen Großstädten in Deutschland und der Schweiz betreibt.

Wie ist Ihre Haltung zu Fleisch?

Natürlich essen wir alle zu viel Fleisch. Und wenn man sich ansieht, wie viele Hunderte von Millionen Rinder ihr ganzes Leben in Ställen stehen, in diesen Feedlots, dann ärgert man sich – besonders als Viehhalter. Das ist kein Leben, das ist auch keine Wertschätzung. Aber wenn Fleisch nur dort gemacht würde, wo es so ideal produziert wird wie in Argentinien, dann wäre das das Fleisch, was man essen möchte. Die Pampa húmeda, die feuchte Pampa Argentiniens, ist für Gras gut genug, aber nicht für die Landwirtschaft. Man bräuchte Unmengen von Dünger, um hier Ackerbau zu betreiben.

Ihre Tiere sind sich dort fast selbst überlassen?

Manche Rinder sehen nur einmal im Jahr einen Gaucho, wenn wir Inventur machen und den Bestand zählen.

Sie haben fast 10.000 Rinder. In Europa denkt man bei einer solchen Zahl an Massentierhaltung.

Keineswegs. Die Tiere haben endlos Platz. Um eine Kuh und ihr Kalb zu ernähren, braucht man bis zu 4 Hektar. Die leben im Paradies, völlig frei.

Das äußert sich im Geschmack?

Wissen Sie, wie lang die Regale mit Soßen in US-Supermärkten sind? Das ist aus dem meisten Rindfleisch geworden: ein Soßenträger. Geschmacklos – und ohne Konsistenz. Ich sage immer, bei Feedlot-Viechern verfault das Fleisch schon am Leib. Das kann man mit dem Löffel essen. Fleisch von Tieren, die auf Gras gestanden haben, da braucht man nur etwas Salz, so wie ein feiner Fisch. Und warum soll man nicht kauen dürfen? Es ist ein Erlebnis im Mund, wie einen Wein zu degustieren.

Sie haben inzwischen eigene Restaurants – in Zürich, in Frankfurt, in Berlin. Sie nennen Sie „Ojo de Agua Weinkontor“.

Mittlerweile sind es sechs. Ursprünglich war die Idee, ein Schaufenster zu haben, um die Qualität meiner Produkte zeigen zu können, des Biofleischs und des Bioweins. Inzwischen hat sich das weiterentwickelt. Es ist das Prinzip „von der Farm direkt auf den Teller oder in das Glas“. Alles hier in meinem Lokal stammt von meinen Farmen.

Und ich sehe, das Fleisch wird nicht einfach auf den Grill geworfen.

Nein, es wird kurz angebraten und dann weiter gegart, bei 80 bis 90 Grad. Nach meinem Geschmack ist das das Beste für mein Fleisch. Bei größerer Hitze, das ist übrigens dasselbe wie beim Rösten von Kaffee oder Kakaobohnen, verliert es wieder an Aroma.

Was hat Essen für eine Bedeutung für Sie?

Eine Zeremonie. Ich hasse es, absolut, wenn man dem Essen auf dem Teller keine Ehre antut. Und das bedeutet beim Kochen auch, die Zutaten das sein zu lassen, was sie sind. Da ist kein Unterschied zwischen einer Karotte oder einem Steak. Und ich entdecke gerade die Sous-Vide-Technik. Dabei arbeitet man ähnlich wie beim Fleisch mit niedrigen Temperaturen. Da wird eine Karotte zur Delikatesse, wie der beste Kaviar der Welt.

Essen Sie eigentlich selbst noch im Restaurant Fleisch?

Wenig. Ich weiß ja nicht, wo es herkommt. Und wenn ich Rindfleisch esse, dann am liebsten mein Fleisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Auch freundliche Tiersklavenhalter sind Sklavenhalter!