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Yasmin Fahimi soll DGB-Chefin werdenErstmals eine Frau, weiterhin SPD

Der DGB-Vorstand schlägt Yasmin Fahimi als Nachfolgerin von Reiner Hoffmann vor. Die Nominierung der SPD-Abgeordneten ist eine Überraschung.

Alte Bekannte: Die künftige BA-Chefin Andrea Nahles und die künftige DGB-Chefin Yasmin Fahimi Foto: Metodi Popow/imago

Berlin taz | Die Personalfindung war schwierig und von heftigen Querelen begleitet, doch nun hat sich der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) doch noch auf eine Nachfolgerin für den scheidenden Reiner Hoffmann geeinigt: Yasmin Fahimi soll neue DGB-Vorsitzende werden.

Die Nominierung der 54-jährigen SPD-Bundestagsabgeordneten sei einstimmig erfolgt, teilte der DGB am Montag mit. Ihre Wahl auf dem Bundeskongress des Gewerkschaftsdachverbandes im Mai 2022 in Berlin dürfte damit nur noch eine Formsache sein.

Mehr als ein halbes Jahr hatte das Gerangel um den DGB-Vorsitz gedauert. Die einen wollten ihn nicht haben, dem anderen wollten sie ihn nicht geben. Acht Einzelgewerkschaften gehören dem DGB an, doch über den Vorsitz entscheiden de facto die drei Großen allein: die IG Metall, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Aber die hatten sich lange Zeit nicht einigen können, wer auf den 66-jährigen IG-BCE-Mann Hoffmann folgen soll, der seit knapp acht Jahren den DGB anführt und sich im Mai in den Ruhestand verabschieden wird, folgen soll.

Eigentlich hätte der IG Metall diesmal das Vorschlagsrecht zugestanden. Doch dort tobt gerade hinter den Kulissen ein Machtkampf, wer 2023 die Nachfolge des derzeitigen IG-Metall-Chefs Jörg Hofmann antreten soll. Bereit für die Übernahme des DGB-Vorsitzes wäre hingegen Michael Vassiliadis gewesen, der seit 2009 die IG BCE anführt.

Zur Bedingung machte Vassiliadis allerdings einen breiten Rückhalt für seine Kandidatur. Daran fehlte es: Verdi-Chef Frank Werneke zeigte sich äußerst skeptisch bezüglich der Unterstützung aus seinen Reihen für den 57-jährigen Chemiegewerkschafter. Daraufhin gab Vassiliadis sein Vorhaben auf.

Überraschende Kompromisskandidatin

Dass mit Yasmin Fahimi als Kompromisskandidatin jetzt ausgerechnet die Lebensgefährtin von Vassiliadis neue DGB-Chefin werden soll, ist eine Überraschung. Schließlich liegt ihre Gewerkschaftskarriere schon ein paar Jahre zurück. 2014 wechselte Fahimi aus der Hannoveraner Zentrale der IG BCE, für die sie zuletzt als Abteilungsleiterin für Grundsatz und Organisationsentwicklung tätig war, als SPD-Generalsekretärin ins Berliner Willy-Brandt-Haus.

Nach einer Zwischenstation als Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium zog sie 2017 als direkt gewählte Abgeordnete in den Bundestag ein. In der SPD-Fraktion gehört Fahimi der Parlamentarischen Linken an. Sie ist auch Mitglied des SPD-Parteivorstands.

Von Hans Böckler bis Reiner Hoffmann: Seit der Gründung des DGB 1949 hatten alle elf Vorsitzenden zweierlei gemeinsam: das Geschlecht und das Parteibuch. Mit Fahimi wird nun erstmalig eine Frau an die Spitze rücken. Was die Parteimitgliedschaft anbetrifft, setzt der DGB hingegen weiter auf Kontinuität.

Flankiert werden soll Fahimi von den Verdianerinnen Elke Hannack (CDU) und Anja Piel (Grüne) sowie dem IG-Metaller Stefan Körzell (SPD), die dem geschäftsführenden Bundesvorstand auch bisher schon angehören.

Nur einen Tag bevor der DGB bekanntgegeben hat, wer ihn künftig anführen soll, präsentierte er gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine weitere bemerkenswerte Personalie: Auf Vorschlag der Ar­beit­neh­me­r:in­nen­sei­te soll die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden. Auch sie wäre die erste Frau auf dieser Position.

Fahimi und Nahles kennen sich bereits seit Juso-Zeiten. Und nachdem sie Nahles als SPD-Generalsekretärin nachgefolgt war, war diese es auch, die als damalige Ministerin Fahimi ins Bundesarbeitsministerium geholt hatte.

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2 Kommentare

 / 
  • RS
    Ria Sauter

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.



    Zwei SPDlerinnen, die jetzt von der Politik in höhere Ämter wechseln.



    Noch Fragen zur Politikverdrossenheit?

    • @Ria Sauter:

      Politiker sollten grundsätzlich nicht in andere Positionen wechseln können? Wer einmal Minister oder höherer Parteifunktionär war, darf danach nie wieder eine andere Führungsposition an einer nicht unmittelbar parteipolitischen Stelle einnehmen? Menschen, die sich in Parteien und der Politik engagieren sollen bestimmte Berufe verwehrt sein? Woher kommt diese grundsätzliche Missgunst gegenüber Leuten, deren politisches Engagement über Demos und Kommentarspalten hinausgeht?

      Es ist richtig, dass Menschen in politisch verantwortlichen Positionen danach nicht einfach nahtlos in andere Jobs wechseln sollten, die in der Einflusssphäre ihrer vorherigen politischen Tätigkeit lagen, schon um Interessenkonflikte und Korruption in Form gut dotierter Ämter zu verhindern. Aber hier geht es um eine frühere Arbeitsministerin, die Jahre später eine dem Arbeitsministerium untergeordnete Behörde leiten soll und um eine frühere Generalsekretärin und Gewerkschaftsfunktionärin, die jetzt den Gewerkschaftsbund leiten soll. Ich sehe da beim besten Willen nicht, wo der Interessenkonflikt sein soll. Es ist doch naheliegend, dass diese Leute brauchbare Erfahrungen für ihre neuen Positionen mitbringen und dazu noch gut vernetzt sind.