Yahoo und Delicious: Resteverwertung bei Yahoo
Einst kaufte das US-Portal Yahoo viele populäre Webdienste, mittlerweile konzentriert sich das Unternehmen aufs Kerngeschäft. Doch mancher Dienst überlebt.
Das Internet-Portal Yahoo setzt seinen internen Umbau fort. Das gefällt vielen Nutzern nicht, denn einige populäre Angebote, die sich der US-Internetkonzern in den letzten Jahren gekauft hat, geraten dabei auf die Abschussliste.
Die Suchmaschinen "Altavista" oder "Alltheweb" wurden in eine sogenannte "Sunset-Periode" geschickt - sie können sich auf ein langsames Ende einstellen. Das populäre Blog-Werkzeug "MyBlogLog", mit dem sich Nutzer eine Community zusammenklicken konnten, wird noch im Mai verschwinden, neue Accounts werden schon jetzt nicht mehr zugelassen.
In anderen Fällen naht Rettung. Prominentestes Beispiel ist der Lesezeichendienst http://www.delicious.com/Delicious, der bereits seit 2003 existiert und im Jahr 2005 für einen zweistelligen Millionenbetrag an Yahoo verkauft wurde. Das einst kleine Start-up des Programmierers Joshua Schachter entwickelte sich rasant, bis dieser dann 2008 bei Yahoo überraschend das Feld räumte - schon damals kam es zu ersten größeren Umstrukturierungen.
Nun soll Delicious, so wurde Ende April bekannt, an die YouTube-Gründer Chad Hurley und Steve Chen gehen, die sich mit der neuen Internet-Firma AVOS nach ihrem Abgang beim YouTube-Käufer Google wieder selbständig gemacht haben. Der Kaufpreis ist niedrig: von ein bis zwei Millionen Dollar wird gesprochen. Erstaunlich wenig für eine Nutzerzahl von 5,3 Millionen bei rund 180 Millionen abgespeicherten Lesezeichen.
Doch Yahoo kann offenbar nicht anders. Firmenchefin Carol Bartz, seit zwei Jahren im Amt, setzt voll auf das Kerngeschäft - und das heißt vor allem, das Gewirr an Angeboten zu lichten, das sich bei Yahoo in den letzten Jahren aufgebaut hat. Daneben wird die Werbevermarktung angekurbelt, neuer strategischer Partner ist Microsoft.
Was passiert mit Delicious?
Von Yahoos Dienstezerlegung profitieren die Konkurrenten teils prächtig. Als im Dezember bekannt wurde, dass Delicious möglicherweise eingestellt werden soll, stiegen die Zugriffszahlen beim unabhängigen Bookmarking-Dienst Pinboard.in deutlich an. Betreiber Maciej Ceglowski freute sich, weil er im Gegensatz zu Yahoo gleich eine Eintrittsgebühr verlangte, um nur "ernsthafte Nutzer" anzuziehen. Andererseits hatte er Mühe, kurz vor Weihnachten genügend Serverkapazität für all die Neunutzer bereitzustellen, wie er in einem Blog schrieb. Dennoch gab es für ihn ein Happy End: "Ich grüße meine Lieblingsfirma in der ganzen Welt, Yahoo, ganz besonders. Ich bin gespannt, was Ihr Jungs Euch als nächstes ausdenkt", schrieb er weiter.
AVOS dürfte nun Schwierigkeiten haben, die Delicious-Nutzer zu halten. Viele sind abgewandert, andere könnten zurückkommen, müssten aber zunächst Vertrauen schöpfen. Damit die Übergabe klappt, müssen erstmal alle User die Geschäftsbedingungen von AVOS absegnen. Bei den Nutzern, die das bis zum Juli 2011 nicht getan haben, werden die Lesezeichen unwiderbringlich gelöscht, weil sie dann nicht auf die neue Plattform umgezogen werden können.
Yahoo-Nutzer fragen sich unterdessen, was mit anderen beliebten Diensten geschieht, die noch als Eigenmarken neben Yahoo bestehen. Dazu gehört etwa der Bilderdienst Flickr, der seit seiner Übernahme 2005 so manche kleine Krise überstehen musste. Wichtige Personen wie die Gründer Stewart Butterfield und Caterina Fake sind bereits seit 2008 nicht mehr im Unternehmen, das verbliebene Team wurde zuletzt im Dezember 2010 weiter dezimiert.
Trotzdem gilt Flickr als relativ sicher, weil der Dienst regelmäßige Einnahmen durch Mitgliedsgebühren generiert: Immerhin 25 Dollar kostet ein "Pro"-Account. Und trotzdem: Flickr passt mehr und mehr nicht mehr zu Yahoo. Auch hier könnte es zu einem Wechsel des Besitzers kommen.
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