Wutjournalismus im „Abendblatt“: Ausländer Schuld an hohen Mieten?
Tausende demonstrierten gegen die Wohnraumpolitik des Hamburger Senats. Das „Abendblatt“ sieht dagegen „fast nur die Zuwanderung“ für hohe Mieten verantwortlich.
Mobilisierend hatte nicht zuletzt ein Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs Matthias Iken im Hamburger Abendblatt gewirkt. Iken hatte in seiner Reihe „Ärgernis der Woche“ geschrieben, die große Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt habe „fast nur mit der Zuwanderung aus dem Ausland zu tun“. Die Veranstalter zögen „heute gegen hohe Mieten zu Felde und sonst regelmäßig für offene Grenzen“.
Der Demoaufruf „Es ist unsere Stadt, und es muss etwas passieren“ sei „zugleich auf Arabisch, Bulgarisch, Dari, Englisch, Farsi, Französisch, Kurdisch, Russisch, Spanisch und Türkisch veröffentlicht“ worden. „Unsere Stadt?“, fragt Iken. „Mit diesem Verständnis wird die Wohnungsnot weiter wachsen.“ Bei den Organisatoren löste Iken Empörung aus. „Ich glaube, so einen Quatsch behauptet noch nicht mal die AfD“, schrieb der langjährige Recht-auf-Stadt-Aktivist Christoph Twickel auf Facebook.
„Unsere Stadt“ – das darf man nur auf Deutsch sagen
Am Vormittag war am Alma-Wartenberg-Platz in Ottensen eine Demonstration unter dem Motto „Altona goes Mietenmove“ mit Hunderten TeilnehmerInnen gestartet. Sie schlossen sich am Spielbudenplatz auf St. Pauli dem Hauptaufzug an. Mit lauter Musik und Plakaten, mit Sprüchen wie „Jedem Kind sein eigenes Zimmer“ oder „Wir sind keine Demo, wir wollen zur Wohnungsbesichtigung“ zogen DemonstrantInnen jeden Alters, darunter viele Familien mit Kindern, ab 14 Uhr durch die Innenstadt.
Der Aufzug hielt für mehrere Zwischenkundgebungen, unter anderem an der Finanzbehörde und dem Rathaus. Dort forderten die TeilnehmerInnen eine wirksame Mietpreisbremse und bezahlbare Wohnungen für alle. Der Hamburger Senat solle seine Grundstücke nicht mehr an Spekulanten verkaufen und den sozialen Wohnungsbau mehr fördern. Das Gängeviertel begleitete die vorbeiziehenden Protestierenden mit einem Feuerwerk.
Immer weniger Wohnungen im City-Hof
Die Demonstration endete mit einer Abschlusskundgebung an den City-Hof-Hochhäusern am Hauptbahnhof. Die Organisatoren hatten den Ort gewählt, weil das denkmalgeschützte Gebäude abgerissen werden soll. Ansässige Geschäfte und Vereine sowie das Bezirksamt Mitte mussten bereits ausziehen. Das Netzwerk Recht auf Stadt kritisiert insbesondere, dass der Investor in dem geplanten Neubau zu wenige Wohnungen plane, die Zahl sogar noch einmal nach unten korrigiert habe. Weil die Behörden eine Besetzung des Gebäudes befürchteten, zeigte die Polizei vor Ort verstärkte Präsenz.
Um 17 Uhr löste sich die Versammlung auf. Die Organisatoren äußerten sich sehr zufrieden. Demnächst soll es eine Konferenz der Stadtteile geben, um weitere Aktionen zu planen.
In den vergangenen Wochen hatte es in mehreren deutschen Städten ähnliche Demonstrationen gegeben, in Berlin waren im April nach Angaben der Veranstalter 25.000 Menschen gegen den „Mietenwahnsinn“ auf die Straße gegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn