Wutbürger in Hamburg: Besorgte Rechtsschaffende
Die AfD wollte am Montag über „Sicherheit“ diskutieren. Dann passierte in Berlin der Anschlag. Es folgte ein Abend mit rassistischen Rufen.
Merkel ist an allem schuld
Wie ein möglicher islamitischer Terroranschlag politisch genutzt werden könnte, wurde in der AfD schon Ende September dieses Jahres überlegt. Eine Idee, die aus der hessischen AfD bei einem Bundeskonvent der Partei vorgeschlagen wurde: große professionelle Plakate mit klarer Botschaft aufzustellen – „Danke, Frau Merkel“.
Im Saal 151 ist am Montag der weitere Verlauf ungewiss. Auf das Podium schauend, fragt Prenzler den Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Bernd Baumann und Dirk Nockemann sowie einige AfD-Abgeordnete, ob der Abend abgebrochen werden soll.
Statistiken fürs Volk
Ohne lange Diskussion wird fortgesetzt. Im Saal hatte sich schon während des Vortrags von Polizeisprecher Zill mancher Unmut aufgebaut, als dieser zur Sicherheitslage in der Hansestadt Zahlen der Polizei vorstellt. Sein Credo: Man müsse die Fakten kennen, um eine Diskussion führen zu können.
Dass die „überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge keine Straftaten verübt“, erklärt Zill und dass die Einsätze in den Flüchtlingsunterkünften nur leicht gestiegen seien: 2014 lag diese Zahl bei 0,41 Prozent, 2015 bei 0,47 Prozent.
Über eine Stunde bringt er solche Statistiken zu den verschiedenen Delikten – und erntet barsche Zwischenrufe: Die Polizei würde nichts gegen die Antifa machen, die immer wieder „Bürgerkriegszustände“ verursache. Auch bei Übergriffen auf AfD-Mitglieder würde die Polizei nicht handeln.
Polizeisprecher Zill wehrt ab: Weder rechts noch links noch bei Islamismus sei die Polizei „blind“. Sehr wohl würde die Nationalität von Straftätern benannt und bei Flüchtlingen kein „Mantel des Schweigens über Mord und Vergewaltigung“ gelegt. „Wir benennen die Probleme“, sagt Zill.
Eigentlich sollte an dem Abend Polizeipräsident Ralf Martin Meyer vor der AfD sprechen, was wohl auch der Grund war, warum so viele Besucher kamen. Der Auftritt des Polizeipräsidenten hätte allerdings erneut Fragen zum Umgang staatlicher Stellen mit der weit rechten Partei aufgeworfen. Müssen ranghohe Vertreter von Sicherheitsbehörden die AfD mit einem Auftritt beehren? Letztendlich sagte Meyer Montagfrüh aus Krankheitsgründen ab.
Die beste Polizei der Welt
Am Ende des Vortrags von Zill bewegt der unfreundliche Ton, der ihm entgegenschlug, AfD-Mann Baumann dazu einzulenken: „Das war eine heiße Diskussion“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bittet Zill: „Sie verstehen den Unmut, danke für die kühle sachliche Darstellung.“ Die verbalen Prügel, die der brave Ordnungshüter da von den AfD-Mitgliedern einstecken musste, waren Baumann dann wohl doch zu viel. Also schiebt er nach, dass die deutsche Polizei doch „die beste auf der Welt“ sei: „Das Problem liegt bei der Politik und Justiz“, sagte Baumann. Die deutschen Richter würden schlicht „linken Utopien“ anhängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance