Wutausbrüche vor der Menstruation: Fliegender Ehering, große Scham
Kurz vor ihrer Periode packt unsere Kolumnistin die Wut, manchmal gehen Sachen zu Bruch und darauf folgt Scham. Mehr darüber zu sprechen würde helfen.
![Scherben einer Kaffeetasse Scherben einer Kaffeetasse](https://taz.de/picture/7056163/14/PMS-Kolumne-1.jpeg)
H ier war wieder was los. Ist es genau genommen noch immer. Eine Woche voller Heißhunger und Wut. Zwischendrin ein paar Tränen. Ich liebe Abwechslung. Und was ist der Grund für dieses Emotionsgelage? Na ist doch klar! Die Menstru, die ist nah! Diese Kolumne mit Ehering am Finger tippen zu können, ist nicht selbstverständlich, denn es begab sich, dass er flog. Durchs Wohnzimmer.
Der Ehering hat bereits Ecken unserer Wohnung zu sehen bekommen, deren Existenz ich nur erahnen kann. Siebzig Prozent, ach was, neunzig Prozent der Streitereien in diesem Haushalt sind auf die nicht vorhandene Ordnungsliebe meines Mannes zurückzuführen. Kann er ruhig lesen, dass ich ihm die Schuld gebe. Ihm und meinen Hormonen. Für die Wäsche ist er zuständig und manchmal hängt die tagelang – bereits getrocknet – auf dem Wäscheständer. Ist es denn zu viel verlangt, diese drei Minuten Zeit aufzuwenden, um sie abzuhängen? Für ihn wohl schon. Nicht sehr durchdacht von ihm, denn den Ehering zu suchen dauert um einiges länger. Einmal (ich vermute stark noch am selben Tag von meiner Periode ereilt worden zu sein) drohte ich den Ring das Klo runterzuspülen.
Ja, das ist nicht die feine englische Art, genau genommen ist es gar keine feine Art. Doch ich möchte mit dieser Kolumne ja auch entlasten. Wir alle legen – besonders während PMS – Verhaltensweisen an den Tag, für die wir uns kurz darauf zutiefst schämen. Die Scham würde schrumpfen, wenn wir mehr über diese Ausfälle sprechen könnten. Denn kleiner zu werden, gar zu verschwinden, liegt nicht im Interesse der Scham. Sie ist ganz schön willensstark, will unbedingt überleben.
Sich auszutauschen hilft
Stellen wir uns doch mal vor, wir kommen auf die Arbeit und dies könnte der Inhalt eines alltäglichen Gespräches sein: „Gestern hab ich meinen Koffer gepackt und mich in ein Taxi zum Flughafen gesetzt. Mir hat’s gereicht. Die Kinder wollten die Hausaufgaben nicht machen, die Chefin rief an, ich hätte vergessen ein Dokument zu unterschreiben, und mein Unterleib drohte zu platzen.“
„So was kenne ich! Neulich habe ich die Lieblingstasse meiner Freundin auf den Boden geschmissen. Das war so gemein von mir, wie fremdgesteuert hab ich mich gefühlt. Tut gut, mal drüber zu reden!“ Da hätte die Scham wenig Chancen!
Folgendes Geständnis dürfte auch nicht im Interesse der Scham sein: Bei uns musste mal der Glaser kommen. Wir wohnen im Altbau, unsere Klotür ist weiß gestrichen und ich hatte absolut keine Ahnung, dass sich hinter diesem Weiß zwei Fenster versteckten. Die Maler*innen hatten gute Arbeit geleistet! Was weiß denn ich, warum ich so wütend wurde, irgendwas mit Unordnung, Traurigkeit und PMS wird’s schon gewesen sein. Auf jeden Fall schlug ich gegen die Tür. Es klirrte. Überall Scherben. Fuck. Wo kam denn plötzlich das Fenster her? Ich schämte mich irrsinnig, weinte und schrie also noch mehr. Was bin ich denn für ein Monster, in unserer gemütlichen Wohnung eine Tür kaputt zu hauen?
Noch am selben Tag kam der Glaser, setzte ein neues Fenster ein und mit diesem auch die Sicherheit: Selbst wenn man mal durchdreht, ist nicht alles verloren, man kann es reparieren, es wird einem verziehen. Nur sich selbst zu verzeihen, das ist das Schwerste.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau