Wut und Protest in China: Aufstand der Kleinsparer

In der Provinz Henan demonstrieren wütende Anleger. Die chinesischen Behörden reagieren darauf mit roher Gewalt.

Kleinsparer demonstrieren in der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou gegen mafiöse Strukturen.

Wenn's um Geld geht, kennen diese chinesischen Kleinsparer keinen Spaß Foto: reuters

PEKING taz | Selten entlädt sich der chinesische Volkszorn in öffentlichen Protesten, doch am Sonntag versammelten sich über tausend wütende Menschen vor der örtlichen Zentralbank in der Metropole Zhengzhou. „Wir wollen unser Geld zurück“, schrien die Kleinsparer, offensichtlich Opfer eines Finanzskandals. Als die ersten Polizeitruppen anmarschierten, warfen sie mit Plastikflaschen und schimpften auf die Beamten. Trotz deren Überzahl weigerte sich die Menschenmenge, nach Hause zu gehen.

Die Staatsmacht schlug mit Härte zurück. Diese „Drecksarbeit“ ließ die Polizei von Sicherheitskräften in Zivil durchführen: Muskulöse Männer mit Kurzhaarschnitt schlugen auf die Protestierenden ein, darunter auch schwangere Frauen. Dutzende Personen wurden gewaltsam weggezerrt, in Busse gesteckt und abtransportiert. Einige von ihnen schossen Selfies mit ihrem Smartphone, um ihre Verletzungen zu dokumentieren: blutige Gesichter, angeschwollene Augen, aufgeplatzte Lippen. Ein Mann behauptete gar, von örtlich angeheuerten Kleinkriminellen verprügelt worden zu sein – überprüfen lässt sich seine Aussage nicht.

Allerdings ist das Anliegen der Demonstranten mehr als berechtigt: Es handelt sich um Kleinsparer, die seit Monaten bereits keinen Zugriff mehr auf ihr Geld haben. Betroffen sind Kunden von insgesamt vier Lokalbanken in der zentralchinesischen Provinz Henan, die mutmaßlich in einen Spekulationsskandal verwickelt sind. Offenbar hat ein Anteilseigner hohe Geldsummen veruntreut und ist schlussendlich untergetaucht. Die Banken haben infolgedessen Gelder in Höhe von umgerechnet mehreren hundert Millionen Euro eingefroren.

Dagegen wollten die Demonstrierenden eine Petition einreichen. „Doch die Polizei hat uns über Lautsprecher gesagt, dass wir das Gesetz brechen würden“, sagte ein 40-Jähriger der Nachrichtenagentur Reuters: „Das ist lächerlich. Es sind die Banken, die das Gesetz brechen.“

Mafia-Staat

In den sozialen Medien zeigten sich viele User entrüstet. „Ich kann es gar nicht glauben. Legitime Interessen werden mit Füßen getreten“, kommentierte ein Nutzer auf der Online-Plattform Weibo. Ein anderer meint: „Die Volksmassen werden wie Feinde behandelt. Doch die, die mit Feuer spielen, werden sich am Ende selbst verbrennen. Ihr solltet die Massen nicht schikanieren!“ Manch einer schrieb gar von einem „Mafia-Staat“.

Fast ebenso schnell setzten die Zensoren den Löschstift an. Mehr als wenige Minuten überlebte kaum einer der kritischen Postings. Die jetzigen Demonstrationen von Zhengzhou hatten bereits im Juni ein Vorspiel. Damals haben die Kleinsparer versucht, sich für Proteste zu versammeln. Viele von ihnen wurden schon bei ihrer Ankunft am Bahnhof festgesetzt: Ihr sogenannter Gesundheitscode, den jeder Chinese seit der Pandemie auf seinem Smartphone mit sich führt, wurde von den Behörden plötzlich von Grün auf Rot gestellt. Im Klartext bedeutet das: Zwangsquarantäne.

Proteste wirken – auch in China

Zunächst sprach die Lokalregierung von angeblich „technischen Problemen“, doch nach zunehmendem öffentlichen Druck gelobte sie, den Skandal gründlich aufzuarbeiten. Insgesamt fünf Beamte wurden schließlich wegen „Missbrauchs des Gesundheitscodes“ abgestraft.

Die Ereignisse vom Sonntag zeigen mehr als deutlich, dass sich an der Grundproblematik nichts geändert hat: Die Staatsmacht kann ihr Gewaltmonopol vielfach willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage gegen das Volk missbrauchen – anschließend löschen die Zensoren ihr Vorgehen und die Proteste dagegen aus dem kollektiven Gedächtnis.

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