Wulff vs. "Bild": Ein Freund, kein guter Freund

Christian Wulff soll "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann einen "Krieg" angedroht haben. Dabei war einst alles gut. Wie konnte es nur so weit kommen?

Da war die Welt noch in Ordnung: Bei der Landtagswahl in Niedersachsen las er noch gern die "Bild". Bild: dpa

Im Jahr 2000 ist Christian Wulff CDU-Chef in Niedersachsen. Die CDU kämpft auf Bundesebene mit der Affäre um schwarze Kassen. Die Bild befragt ihre Leser in einer Telefonabstimmung: Wer soll die CDU aus ihrer Krise führen?

Am 19. 1. 2000 veröffentlicht Bild das Ergebnis: "72.562 Leser antworteten gestern beim großen Bild-Ted (…) Überraschendes Ergebnis: Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff (40) kam auf Platz 1."

1. 2. 2003. Ein Tag vor der Landtagswahl in Niedersachsen. Christian Wulff tritt gegen Amtsinhaber Sigmar Gabriel (SPD) an. Bild zeigt den CDU-Kandidaten mit seiner Frau Christiane und fragt: "Sehen wir hier den Kuss des großen Wahlsiegers?"

3. 2. 2003. Bild einen Tag nach der Wahl: "Der Wahlsieger kommt! Ein lachender Christian Wulff lässt sich von seinen Parteifreunden feiern."

6. 7. 2004. Bild ernennt Christian Wulff zum Gewinner des Tages: "Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (45) kann als CDU-Landesvorsitzender einen Triumph melden:Die Christdemokraten hatten mit 81.500 Mitgliedern erstmals die niedersächsische SPD (79.000) überrundet – in Kanzler Schröders Stammland." Bild: "Wulff auf der Überholspur!"

13. 7. 2004. Die Bild fordert: "Schluss mit dem Sprachchaos!" Es war der Sommer der Rechtschreibreform. Derselben Meinung ist Christian Wulff. "Wir dürfen nicht zulassen, dass ein so hohes Kulturgut wie die deutsche Sprache verhunzt wird", sagt er dem Blatt.

11. 8. 2004. Der Bild-Orden "für Retter der deutschen" Sprache geht an Christian Wulff.

22. 9. 2004. Bild ernennt Christian Wulff zum Gewinner des Tages: "Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (45) trägt seinen BILD-Orden ,Retter der deutschen Sprache!' zu Recht."

26. 2. 2004. Bild titelt: "Der nette Herr Wulff - Darum ist er plötzlich Deutschlands beliebtester Politiker." Das Blatt zitiert Parteienforscher Karl-Rudolf Korte: "Wulff ist ein Politik-Gestalter, kein Verwalter, packt trotz knapper Kassen die Probleme seines Landes an und hat damit nach Meinung der Bürger Erfolg. Und er bleibt auch in Konfliktsituationen, wenn es etwa um Kürzungen geht, mit allen Interessengruppen im Gespräch. Das honorieren die Wähler."

Bild weiter: "Adrett, erfolgreich, skandalfrei: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff."

Am 9. 7. 2005 berichtet Bild von der Verleihung des Deutschen Filmpreises. "Wulff zwischen Wasabi-Scampi & Schampus zu anwesenden Filmschaffenden (…): ,Kino ist kulturelle Bereicherung. Es muß doch möglich sein, daß soviel Geld in Filme fließt, wie es in Frankreich längst selbstverständlich ist …' Tosender Applaus."

18. 7. 2005. Bild ernennt Christian Wulff zum Gewinner des Tages: "Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (46, CDU) schafft es sogar, die Opposition zur Weißglut zu bringen, wenn er einfach nur essen geht! Allen Ernstes will jetzt die SPD im Landtag wissen, warum er beim Dinner des Deutschen Filmpreises saß. Absender der Anfrage: Ex-SPD-Kulturminister Oppermann, der früher nie hin durfte. Bild meint: Nicht den Appetit verderben lassen!"

6. 6. 2006. Wulff trennt sich von seiner Frau. Bild schreibt: "Ehe kaputt! Es gibt schon eine Neue! (…) ,Unsere Ehe ist gescheitert', sagt Deutschlands beliebtester Landespolitiker exklusiv in Bild. Und: ,Ja, es gibt eine neue Frau in meinem Leben.' (…) So besonnen wie in der Politik, so besonnen trifft Christian Wulff auch privat seine Entscheidungen: ,Ich hoffe, daß die Privatsphäre meiner Frau und unserer Tochter gewahrt wird.' (…) Der Ministerpräsident sagt auch: ,Ja, in meinem Leben gibt es seit kurzem eine neue Frau. Bettina Körner aus Hannover.' "

In einem Kommentar verteidigt die Bild Christian Wulff: "Man muß Christian Wulff glauben, daß er um seine Ehe gekämpft und sich sauber getrennt hat. Und daß die neue Liebe erst danach gewachsen ist. (…) Der bisher tadellose Wulff wird durch diese Trennung sogar ein wenig menschlicher. Und jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient."

Am 7. 6. 2006 stellt Bild Wulffs neue Lebensgefährtin vor: "Bettina Körner ist eine Frau, die mitten im Leben steht, die als witzig gilt, klug und voller Tatendrang. (…) Die Verantwortung für ihre Rolle an der Seite des Ministerpräsidenten ist ihr vollauf bewußt. Im Freundeskreis sind alle sicher: Sie wird das bravourös meistern."

15. 6. 2006. Christian Wulff zeigt sich das erste Mal öffentlich mit seiner Freundin Bettina Körner. Bild: "Endlich können sie ihr Glück zeigen! (…) Bettina Körner (…) mischte sich an der Seite ihres Christian (…) selbstbewußt und fröhlich unter die Zuschauer. (…) Bettina Körner, selbst Mutter eines kleinen Sohns (Leander, 3 Jahre) und seit langem getrennt vom Vater des Kindes, weiß, welche schwere Bürde sie als zukünftiger First Lady des Landes auf sich nimmt."

25. 8. 2006. Bild meldet: "Eine schneeweiße Jugendstil-Villa. Unterm Fenster Stuckgirlanden. Ringsum hundert Jahre alte Buchen. Und vom Dachfenster aus können sie nachts die Sterne funkeln sehen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (47, CDU) und seine schöne Lebensgefährtin Bettina Körner (32) haben endlich die Wohnung für ihr neues Liebesglück gefunden. In einer stillen Nebenstraße in Hannover."

20. 11. 2006. Bild: "Kurz, frech, frisch - Wulffs neue Frisur (…) Der neue Wulff: freundliches, frisches Lächeln, die Haare frech mit Gel nach oben gezupft."

30. 1. 2007. Bild-Zeile: "Politiker Wulff – so toll hat er sein neues Leben im Griff." Bild fragt: "Regierungschef, Vater, Geliebter und Noch-Ehemann - wie kriegt Christian Wulff das bloß so prima hin?"

29. 1. 2008. Franz Josef Wagner schreibt in seiner Kolumne: "Bei näherer Betrachtung Ihrer Person muss ich sagen, dass Sie als nächster Kanzler wählbar sind. Sie sind der gute Koch, der Koch mit den Eigenschaften: schöner Mann, blaue Augen, schlank, freundlich, gewinnend."

28. 10. 2008. Bild ernennt Christian Wulff zum Gewinner des Tages, weil er säumige Steuerzahler mahnt.

21. 4. 2010. Bild fragt: "Wird Christian Wulff der nächste Bundespräsident?"

7. 8. 2010. Bild: "Hier zeigt Bundespräsident Christian Wulff uns sein Arbeitszimmer in Schloss Bellevue."

3. 9. 2010. Bild-Kommentar von Nikolaus Blome: "Gerade erst im Amt steckt Bundespräsident Christian Wulff in einer Zwickmühle, wie sie übler nicht sein könnte. Unterschreibt Wulff den Antrag der Bundesbank auf Entlassung Sarrazins, gerät er bei Millionen Deutschen für lange Zeit in eine Schublade mit ,denen da in Berlin'."

6. 10. 2010. Bild fragt: "Warum hofieren Sie den Islam so, Herr Bundespräsident?"

12. 12. 2011. Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung und der FAZ ruft Christian Wulff bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann an und spricht ihm auf die Mailbox. Angeblich droht er ihm den "endgültigen Bruch" an, wenn diese "unglaubliche Geschichte" erscheine.

13. 12. 2011. Bild titelt auf Seite 1: "Wulff – Wirbel um Privatkredit!"

15. 12. 2011. Franz Josef Wagner kolumniert: "Hoffen Sie nicht, dass Ihre Kreditaffäre in den Archiven verschwindet. Lassen Sie die Hosen runter."

18. 12. 2011. Günther Jauch befragt den Leiter des Hauptstadtbüros der Bild, Nikolaus Blome, nach Dokumenten zum Vorleben von Bettina Wulff, die die Bild angeblich besitzt. Blome dementiert.

2.01.2012. Die Bild-Zeitung bestätigt den angeblichen Anruf des Bundespräsidenten bei Chefredakteur Kai Diekmann auf bild.de: "Im Anschluss daran versuchte der Bundespräsident, BILD-Chefredakteur Kai Diekmann direkt zu erreichen, der sich zu der Zeit auf einer Dienstreise befand. Als das nicht gelang, hinterließ der Bundespräsident eine längere Nachricht auf der Handy-Mailbox des Chefredakteurs.​ (...)

CHRONIK: FELIX DACHSEL

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.