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Wünsche an Rot-GrünIn Zeiten der Funkstille

Während Rot-Grün in Bremen über das gemeinsame Regierungsprogramm streitet, melden sich Initiativen zu Wort - in der taz.

Zur Diamant-Hochzeit grüßt 2007 ein rot-grünes Paar vom Balkon. In Bremen dauert‘s bis dahin noch Foto: dpa

Bremen taz | Auf die Zeit „nach den Koalitionsverhandlungen“ wird derzeit verwiesen, wer PolitikerInnen der angehenden Regierung Konkretes entlocken möchte. Während aber nach Außen Stille bewahrt wird, stehen die LobbyistInnen Schlange: Denn jetzt wird die Politik aufs Gleis gesetzt.

Und ein bisschen ist zumindest in diesen Zeiten wahr, was die Verdrossenen sagen: dass hinter verschlossenen Türen geschachert, abgewogen und hingedreht wird. Da wird Leidenschaft für Themenfelder entdeckt, die gestern noch im Giftschrank schlummerten.

So mag manchen die enorme Präsenz der Osterholzer Feldmark verwundern, die Carsten Sieling (SPD) seit seinem ersten öffentlichen Auftritt als Bürgermeisterkandidat immer wieder ins Rennen führt. Diese Grünfläche zu bebauen, kam im Wahlprogramm der SPD nicht vor. Die Grünen hingegen hatten das ausgeschlossen. Und so wird plötzlich zu einem ernsten Verhandlungsgegenstand, was vorher eher am Rande lag.

Umgekehrt scheint mittlerweile der am Mittwoch zu verhandelnde Bau des Offshore-Terminals für Windenergie in Bremerhaven wackelig - obwohl er doch in beiden Programmen stand. Die Wahl ist vorbei. Und was jene Gewählten, die nicht gleich wieder von der Bildfläche verschwunden sind, nun verhandeln - das steht auf einem anderen Blatt.

Seit vergangenem Donnerstag sitzt Rot-Grün nun zusammen. Die Spielräume sind eng angesichts der knappen Mehrheit im Parlament und des klammen Haushalts: Gleich beim Kassensturz zum Auftakt wurde das Festhalten am Sparkurs bestätigt. Für jeden Ausgabenbeschluss, sagte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), müsse an anderer Stelle etwas eingespart werden.

Grund genug, jetzt zu streiten - was in der vergangenen Legislatur eher in Ausnahmefällen nach Außen drang. Und das gilt eben auch außerhalb des Ausschusses. Die zivilgesellschaftlichen Akteure, die im Wahlkampf noch mit Kandidatenchecks und Podiumsdiskussionen versuchten, für ihre Themen zu werben - die müssen nun alles daran setzen, sie jetzt auch tatsächlich auf die Agenda zu setzen.

Denn auch wenn das eingeübte Spiel heute niemanden mehr so richtig aufregen mag, ist es im Grunde schon kurios mit diesen Koalitionsausschüssen, die da hinter verschlossenen Türen Themen setzen. Einige Staatsrechtler sprechen gar von kleinen Regierungen, die im Grundgesetz freilich nicht vorgesehen sind.

Beklagen kann sich darüber auch die Opposition nicht, jedenfalls „nicht vor Ende der Koalitionsverhandlungen“. Man stelle sich auf die Oppositionsarbeit ein, hat Thomas Röwekamp (CDU) gesagt, als seine Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann zurück nach Berlin ging. Und ähnlich klingt auch die Linke: da werde „genau beobachtet und dann reagiert“, sagte Landessprecherin Doris Achelwilm.

Nur einfach abwarten, das will natürlich niemand. Und dafür ist ja nun auch die denkbar ungünstigste Zeit. Die Weichen werden gestellt und alle Seiten versuchen, Einfluss darauf zu nehmen. Denn sicher ist zumindest eins: Die anderen tun es auch.

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