Wowereits Finca-Affäre: "Die Sensibilität ist jetzt größer"
Der Spanienurlaub des Regierenden Bürgermeisters beschäftigt am Mittwoch den Rechtsausschuss. Joachim Bäumel von Transparency International rät zur Umsicht.
taz: Herr Bäumel, hat Klaus Wowereit falsch gehandelt, als er im Domizil des Eventmanagers Manfred Schmidt urlaubte?
Joachim Bäumel: Nach dem, was auf dem Tisch liegt, scheint es rechtlich kein Problem zu sein. Solange es keine geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Senat und Schmidt gab, war es keine Vorteilsnahme. Etwas anderes ist, ob es politisch geschickt war. Herr Wowereit sollte sich wie jeder Politiker genau überlegen, bei wem er Urlaub macht und auf wessen Kosten.
Womöglich hatte Schmidt ja geschäftliche Hintergedanken, als er Wowereit einlud?
Das ist genau der Punkt. Das Geschäftsmodell von Herrn Schmidt basiert darauf, dass er Menschen zusammenbringt. Die einen bezahlen, die anderen werden wegen ihrer Prominenz eingeladen. Politiker haben diese Prominenz aber durch ihr öffentliches Amt erlangt. Natürlich kann Wowereit privat besuchen, wen er möchte und dort auch übernachten. Aber er ist auch eine öffentliche Person und wenn er jemanden besucht, der Kontaktnetzwerke spinnt, sollte er sich nicht einladen lassen, sondern dafür bezahlen. Nur so kann er jeden Anschein vermeiden, es ginge ihm um einen finanziellen Vorteil. Man muss bei der Sache auch bedenken, dass das Interesse von Herrn Schmidt an Herrn Wowereit wohl zum großen Teil an dessen Funktion liegt. Der Regierende Bürgermeister sollte sich bewusst sein, dass er für Herrn Schmidt Gold wert ist.
Die Aufregung bei den Oppositionsparteien ist nun also zu Recht entbrannt?
Ich kann es verstehen, dass die Politiker im Abgeordnetenhaus und die Medien nun nachhaken. Seitenfüllende Schlagzeilen halte ich im Augenblick aber für nicht so gerechtfertigt. Es laufen schließlich keine Ermittlungen. Die Medien haben natürlich bestimmte Erfahrungen gemacht, dass Wahrheiten nur bruchstückhaft ans Licht kommen. In diesem Fall kann das aber natürlich auch ganz anders sein.
71, ist Vorstandsmitglied der Antikorruptionsorganisation Transparency International.
Liegt es also an Christian Wulff, dass zum jetztigen Zeitpunkt Wowereits Urlaub zum Diskussionsthema wurde?
Es ist doch selbstverständlich, dass die Öffentlichkeit nach der Wulff-Affäre kritischer geworden ist. Das ist positiv zu bewerten. Es gibt da jetzt eine größere Sensibilität. Durch das Verhalten von Wulff bekam die Bevölkerung den Eindruck, dass manche Spitzenpolitiker bestimmte Gaben angenommen haben. Und das fanden sie nicht richtig. Dass Politiker Unternehmer kennen und mit ihnen reden müssen, das ist ja schön und gut. Sie müssen dabei aber jeden Anschein von finanziellem Vorteil vermeiden. Politiker sollten bei dieser Sache sensibel sein: Geld darf keine Rolle spielen beim Zugang zur Politik. Das wird in der Öffentlichkeit nun diskutiert. Und das ist richtig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“