Wolkige Regeln für Immunitätsnachweise: Nur mit Mindeststandards
Die EU-Kommission hat ihren Plan für Corona-Immunitätsnachweise vorgestellt. Sie braucht mehr Mut für klare Vorgaben: Es geht um Gesundheitsdaten.
E s gibt durchaus Gründe, die gegen die Pläne der EU-Kommission zu einem digitalen Immunitätsnachweis sprechen. Dass er es um so einfacher macht, unterschiedliche Rechte für Geimpfte und Nichtgeimpfte zu schaffen, noch bevor eine Impfung flächendeckend für alle verfügbar ist, zum Beispiel. Oder dass damit im Moment des Ausweisens persönliche Daten, inklusive Gesundheitsdaten an Dritte gehen, ob das nun Fluggesellschaften sein werden oder Clubs. Was auch deshalb brisant ist, da das Dokument nicht nur einen aktuellen negativen Test oder eine Impfung, sondern auch eine überstandene Erkrankung nachweisen soll. Und angesichts auftretender gesundheitlicher Spätfolgen kann es heikel sein, so eine Information breit zu streuen.
Aber es gibt auch einen guten Grund, der für den Vorstoß der EU-Kommission spricht, und zwar: Es wird solche Ausweise, Nachweise, Pässe, Zertifikate, unter welchem Namen auch immer sie auf den Markt kommen werden, geben. In den USA sowieso, auch China arbeitet schon daran. Und gerade Fluggesellschaften und Reiseunternehmen haben ein immenses Interesse an einem derartigen Nachweis, sitzen teilweise selbst schon an der Entwicklung entsprechender Anwendungen. Die Frage ist also nicht: Digitaler Impfpass ja oder nein, sondern: Welche Anbieter wird es geben, wie vertrauenswürdig sind sie und wie gut ist bei ihnen jeweils der Schutz der persönlichen Daten?
Deshalb braucht es klare Mindeststandards. Und da ist der Rahmen, den die Kommission vorgestellt hat, noch zu vorsichtig. Auch wenn viele richtige Gedanken drin sind – Datensparsamkeit, offene Standards, Verzicht auf Tracking und die Weitergabe der Daten –, bleiben viele Regelungen zu wolkig. Zu viel sollte, zu wenig muss.
Was es braucht, ist mehr Mut für klare Vorgaben, und zwar durchaus solche unbequemer Art: Denn ohne großen öffentlichen Druck oder eine klare Verpflichtung ringen sich Regierungen und Unternehmen selten dazu durch, konsequent auf Open Source zu setzen oder eine Anwendung außerhalb der App-Stores von Google und Apple zum Download zur Verfügung zu stellen. Dabei wären strenge Regeln vollkommen angebracht. Schließlich betrifft es am Ende Daten über die eigene Gesundheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich