Wolfsburg-Manager Allofs gefeuert: Die Reise ist zu Ende
Seine Geschichte zeigt die Möglichkeiten – aber auch die Grenzen des Standorts: Klaus Allofs ist in Wolfsburg entlassen worden.
Klaus Allofs sagte mal im taz-Gespräch, er fühle sich beim VfL Wolfsburg am „Beginn einer langen Reise“. So sah es auch lange aus. Nun aber ist sie abrupt zu Ende gegangen. Am Montag hat sich der abstiegsbedrohte Fußball-Bundesligist laut mehrerer Medien von seinem Geschäftsführer getrennt. Grund für die Trennung ist der schlechteste Saisonstart der VfL-Bundesligageschichte mit zwei Siegen aus vierzehn Spielen und Platz 15.
Allofs, 60, war faktisch der Chef der VfL Fußball AG. Er hat in vier Jahren einen DFB-Pokal gewonnen und eine Vizemeisterschaft (2015), einen fünften Platz (2014) und ein Viertelfinale der Champions League (2016) erreicht. Dazu hat er den bisher teuersten Spielerverkauf der Bundesliga verbucht, Kevin De Bruynes Transfer zu Manchester City für die kolportierte Ablösesumme von 75 Millionen Euro. Dieser Transfer war im Nachhinein der Höhepunkt der Zeit von Allofs und Trainer Dieter Hecking.
Er zeigt die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Fußballstandorts Wolfsburg. Die Möglichkeiten des VW-Klubs bestehen darin, Spieler wie De Bruyne oder die deutschen Nationalspieler André Schürrle und Julian Draxler im Ablösesummenbereich von 20 und 30 Millionen Euro zu holen. Aber diese Kaliber betrachten Wolfsburg eben nur als Zwischenstation.
Es ist populistisch und ungerecht, den Nationalspieler Julian Draxler als Sündenbock und Prototypen eines unsolidarischen Fußballsöldners hinzustellen, der den Klub „verraten“ (Welt) habe. Langfristige Verträge und gleichzeitig detailliert ausgetüftelte Ausstiegsklauseln sind schlicht eine Realität des Spitzenfußball. Allofs hatte den VfL dank VW ja immerhin in eine gehobene Position der Wertschöpfungskette platziert. Die Folgen aber sind offenbar, dass bei ausbleibendem Erfolg die Identifikation mit dem Interimsarbeitgeber Wolfsburg so rapide sinkt, dass man in eine Abwärtsspirale gerät.
Diese Erfahrung machte auch der vor wenige Wochen entlassene Trainer Dieter Hecking. Man brauche Erfolg, sonst sei es mit der Identifikation schwierig, sagte er der SZ. Das mache es „schwer, kontinuierlich eine gefestigte Mannschaft aufzubauen“. Diese Erkenntnis ist umso härter, da es ja im Sommer 2015 nach Vizemeisterschaft und Pokalsieg deutschlandweit als ausgemacht galt, dass der VfL von nun an zu den Top vier der Liga gehören werde. Das „Zickzack“ (Allofs) der ersten fünfzehn Bundesligajahre schien Vergangenheit.
Kardinale Fehlentscheidung
Dann kamen nach Saisonbeginn die Verkäufe der Tempostürmer De Bruyne und Perisic und danach kollabierte Heckings neuer VfL-Fußballstil – und zwar nachhaltig. Damals war die Frage, ob man die Spieler nicht hätte halten sollen. Aber sie wollten unbedingt weg. In diesem Sommer verweigerte Allofs dem De-Bruyne-Nachfolger Draxler den Wechsel. Nun gilt das als kardinale Fehlentscheidung, weil der Profi seither erfolglos agiert.
Wie auf dem Platz sind es Fehler, die sich zu Ketten addieren. Allofs’ Einkaufspolitik war seit letztem Sommer überhaupt nicht erfolgreich. Dafür stehen Kruse, Draxler, Dante und (bisher auch) Didavi sowie eine nicht mehr hochklassige Innenverteidigung.
Und auch der Trainerwechsel, Allofs’ erster in fast zwanzig Jahren als Manager, brachte nicht mal den zumindest kurzfristigen Punkte-Zugewinn. Aus sieben Partien holte der vormalige U23-Coach Valerien Ismael nur vier Punkte. Es gebe trotzdem „einige Dinge, die besser geworden sind“, pflegte Allofs zu sagen. Aber auch der regelmäßige Beobachter könnte nicht sagen, welche.
Soll man nun jubilieren, der Fall Wolfsburg zeige, dass Geld keine Tore schießt? Vielleicht zeigt er ja nur, dass der Graben riesig geworden ist zwischen den wenigen globalisierten Weltfußballunternehmen und den vielen Klubs, die auch gern oben mitspielen würden.
Die Trennung von Allofs soll während der Weihnachtsfeier des VfL am vergangenen Sonntag beschlossen worden sein. Im Bauch der VW-Arena erneuerte der Aufsichtsratsvorsitzende und VW-Topmanager Francisco Garcia Sanz derweil das Bekenntnis des Autokonzerns zum Klub am Gründungsstandort. „Der Verein ist Volkswagen“, rief er. Und erinnerte daran, dass sich der 1997 zufällig aufgestiegene Klub gerade in seiner zwanzigsten Bundesligasaison befindet. Bis auf Weiteres geht es ausschließlich darum, die einundzwanzigste zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe