Wolf wieder einfacher abzuschießen: Artenschutz ja, aber nicht vor der eigenen Tür
Das EU-Parlament beschließt, dass Wölfe in der Europäischen Union leichter abgeschossen werden können. Dabei leisten die einen Beitrag zur Natur.
D as EU-Parlament im Eilverfahren beschlossen, dass Wölfe in Europa künftig leichter abgeschossen werden können. Die Parlamentarier stimmten dafür, den Status des heimischen Raubtiers von „streng geschützt“ auf „geschützt“ abzusenken. Nun müssen noch die Mitgliedstaaten im Rat zustimmen. Die hatten sich bereits zuvor für die Entscheidung ausgesprochen, ihre Zustimmung gilt also als sicher.
Die EU zeigt mit der Entscheidung, dass sie Artenschutz lieber in anderen Ländern fordert, als vor der eigenen Haustür zu praktizieren. Sie gibt Geld für Artenschutz im Globalen Süden, investiert in Nationalparks, auch wenn damit Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben werden, wenn Elefantenherden Felder zertrampeln oder Löwen Menschen töten. Und auch, wenn militarisierte Nationalparkwächter in ihrer Mission Wilderer erschießen, was nicht selten vorkommt.
Klar, können und müssen die Regierungen in diesen Ländern diese Konflikte aushandeln, aber sie bekommen eben mehr Geld für den Schutz der Wildtiere als für den der Menschen. Artenschutz hat immer auch mit dem Konflikt zwischen Menschen und Tieren zu tun. Dabei halten europäische Politiker nicht zurück mit Kritik an der Kontrolle von Wildtierpopulationen in Afrika etwa.
Der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi machte vergangenes Jahr Schlagzeilen, als er symbolisch Jahr 20.000 Elefanten aus seinem Land nach Deutschland senden wollte, als Reaktion auf ein Einfuhrverbot von Jagtrophäen, das der grünen Umweltministerin Steffi Lemke vorschwebte. Botswana habe jedoch eine Überpopulation an Elefanten, belehrte der Präsident sie. Sie zertrampeln Felder und gar Dörfer und bedrohen damit die Existenz ganzer Gemeinschaften.
Wichtig für das ökologische Gleichgewicht
Dagegen leben insgesamt nur rund 20.000 Wölfe in Europa. Nach ihrer beinahe kompletten Ausrottung in Europa im 19. Jahrhundert, kehrt der Wolf allmählich zurück. Durch die starke Besiedlung mit wenigen Schutzflächen kommt es seit dem häufiger dazu, dass Wölfe Nutztiere angreifen, vor allem Schafe und Ziegen. Laut EU-Kommission wurden in Europa 2023 rund 65.500 Nutztiere von Wölfen gerissen. Mit dieser Argumentation hat die EU, das Abschießen des Wolfes in Europa nun erleichtert.
Im Zentrum stand die Sorgen der Landwirte und Viehzüchter. Denn wer Artenschutz priorisiert, könnte Experten mit der Erarbeitung umfangreicher Schutzmaßnahmen für die Nutztiere und eben den Wolf beauftragen und nicht im Eilverfahren deren Abschuss freigeben. Umweltschützer und auch Wissenschaftlerinnen jedenfalls meinen, dass eine Koexistenz zwischen Wolf und Mensch möglich ist, dass es mehr Unterstützung für bessere Zäune braucht, Herdenschutzhunde oder auch größere Schutzgebiete.
Hierzulande sind keine Menschen durch den Wolf bedroht, weder direkt noch indirekt, weil lebenswichtige Ernten wegbrechen etwa. Bauern werden für gerissene Nutztiere entschädigt. Für Artenschutz hat sich die EU und ihre Mitgliedstaaten eigentlich im UN-Artenschutzabkommen von Montreal verpflichtet. Entscheidungen wie diese zeigen, aber, dass sie das lieber nicht vor Ort machen wollen.
Dabei spielt der Wolf eine wichtige Rolle im Ökosystem, er trägt zum Gleichgewicht der Natur bei, indem er kleinere Tiere erlegt. Auch etwa Rehe und Hirsche, die ebenfalls Ernten zerstören, weil sie besonders gern junge Bäume anknabbern.
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