Wohnungspolitik der Berliner SPD: Gewissenlos und inhaltsleer
Franziska Giffey und ihr Bausenator haben sich in der Wohnungspolitik von Inhalten verabschiedet. Stattdessen wird moralisch argumentiert und attackiert.
W enn einem die politischen Konzepte und Argumente ausgehen, dann bleibt nicht viel mehr als auf die persönliche Ebene zu wechseln und wahlweise seine Kontrahent:innen zu attackieren oder mit der eigenen Moral zu argumentieren. Die Berliner SPD hat zuletzt gleich zweimal diesen Offenbarungseid geleistet: Ganz offensichtlich nicht zu ihrem Vorteil, noch weniger aber im Sinne der Wohnungspolitik der Stadt.
Da war zunächst die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, die der Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co Enteignen eine Absage erteilte mit Bezug auf ihr Gewissen. Sowohl ihr Amtseid als auch ihre DDR-Herkunft mache es ihr unmöglich, sich für die Vergesellschaftung einzusetzen, so Giffey. Mit dem Wechsel auf die Moralebene drückt sich Giffey um eine Auseinandersetzung mit dem Zwischenbericht der Expertenkommission, in dem sich angedeutet hat, dass die Enteignung rechtlich möglich und finanzierbar ist.
Offensichtlich dabei ist, dass Giffey ihr Gewissen nur vorschiebt. Sie baut damit einer Situation vor, in der der Weg zur Vergesellschaftung definiert ist und sie sich nicht mehr hinter rechtlichen Bedenken verstecken kann, aber trotzdem einem Vergesellschaftungsgesetz die Zustimmung verweigern will. Doch ihre aufgeführten Gewissensgründe ziehen nicht – und man sollte sie damit nicht durchkommen lassen.
Eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes hat mit Enteignungen in der DDR-Zeit nichts zu tun. Sie würde rechtsstaatlich erfolgen, selbstverständlich würde eine Entschädigung gezahlt. An anderer Stelle ist die Bundesrepublik auch durchaus geübt mit dem Instrument – wenn es um Enteignungen für Autobahnen oder Kohlegruben geht. Nur dass hier Politiker:innen, die sich sonst als Verteidiger des Eigentums sehen, nie Probleme haben.
Davon abgesehen kann Giffey kaum ihr persönliches Leid als DDR-Bürgerin ins Feld führen. Die letzte große Welle an Enteignungen fand von 1971 bis 1972 nach der Machtübernahme Erich Honeckers statt; erst sechs Jahre später wurde Giffey geboren.
Dreister Verweis auf den Amtseid
Noch dreister ist ihr Verweis auf den geleisteten Amtseid, der sie verpflichte, „Schaden von dieser Stadt abzuwenden“. Das Ziel der Vergesellschaftung ist es ja gerade, den dauerhaften Schaden, den die Mieter:innen der Stadt auszuhalten haben, zu beenden. Giffeys Amtseid verpflichtet sie auf die Berliner Verfassung, das schließt die Umsetzung eines erfolgreichen Volksentscheids mit ein. Hält sie ihre Privatmeinung für wichtiger, beschädigt sie die Demokratie.
Den zweiten Akt des SPD-Dilemmas steuerte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel bei. Am Mittwoch hatte sein Koalitionspartner Die Linke ein Konzept präsentiert, wie die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zukünftig doppelt so viele Sozialwohnungen bauen können. Dem Senator, der Bauen für die einzige Lösung für die Mieten- und Wohnungskrise hält, präsentierten sie also ein Konzept, wie mehr und vor allem sozial gebaut werden könne: durch sinnvoll eingesetzte staatliche Zuschüsse und eine Kooperation der sechs landeseigenen Gesellschaften.
Nun muss Geisel nicht „Hurra“ schreien, wenn die politische Konkurrenz im aktuellen Wahlkampf Konzepte präsentiert. Aber eine inhaltliche Auseinandersetzung darf man erwarten. Stattdessen Attacke: „Ich begrüße die Fähigkeit der Linkspartei zur Selbstkritik, nachdem sie jahrelang den Wohnungsbau verlangsamt oder gar gestoppt hat“, sagte Geisel weiter an der Mär strickend, dass Linke oder Grüne sich dem Wohnungsneubau verweigern würden. Dabei wurden unter den Linken-Senator:innen in der Bauverwaltung in den Vorjahren mehr Wohnungen fertiggestellt als unter Geisel.
Ohne eigene Konzepte wischt Geisel das Linken-Konzept vom Tisch und sagte: „Wir müssen jetzt schnell bezahlbare Wohnungen bauen und nicht noch eine weitere Bürokratieebene schaffen.“ Allein: Nur durch ständige Selbstbeschwörung entsteht keine einzige neue Wohnung. Es braucht Ideen, wie der Krise des Neubaus begegnet werden kann.
Warum es Geisel darüber hinaus nicht einsieht, dass nicht egal ist, was gebaut wird und dass neue Eigentums- oder hochpreisige Wohnungen den Markt nie entspannen werden, bleibt ein sozialdemokratisches Rätsel. Ein Rätsel, das zugleich zumindest ein Teil der Antwort auf die Frage ist, warum die SPD laut der letzten Umfrage immer weiter in der Wählergunst abschmiert.
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