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Wohnungsnot und GegenmaßnahmenSinnloses Steuergeschenk

Die steuerliche Förderung des Baus von Mietwohnungen allein bringt noch keine bezahlbaren Mieten. Dazu ist auch eine Mietpreisgrenze notwendig.

Sozialer oder asozialer Wohnungsbau? Das ist die Frage. Foto: dpa

Berlin taz | Wer erleben wollte, wie hilflos Gesetzgebung bei den wichtigsten sozialen Fragen sein kann, der musste am Montag nur zur Anhörung der Sachverständigen im Finanzausschuss des Bundestages gehen. Thema: die geplante steuerliche Förderung für den Mietwohnungsbau. Der Gesetzentwurf der Großen Koalition wurde von den Sachverständigen in der Luft zerfetzt.

Das Gesetz sehe verbesserte Abschreibungsbedingungen beim Mietwohnungsbau „im bezahlbaren Mietsegment“ vor, heißt es im Entwurf. Doch Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, räumte ein, dass durch die vorgesehenen steuerlichen Erleichterungen „keine Wohnung unter zehn Euro“ Quadratmetermiete nettokalt zusätzlich gebaut werden würde.

Der Entwurf sieht vor, beim Neubau von Mietwohnungen eine auf vier Jahre befristete steuerliche Sonderabschreibung von jährlich fünf Prozent auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten zu gewähren. Als Grundlage dafür sollen Baukosten mit maximal 2.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche geltend gemacht werden können. Um Luxusbauten zu vermeiden dürfen die Baukosten zudem 3.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Die Grundstückskosten zählen bei dieser Grenze nicht mit.

Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, rügte, dass der Gesetzentwurf keine Mietobergrenze für die steuerlich geförderten Wohnungen enthalte. Solche Grenzen seien aber „zwingend“ für ein solches Gesetz, sagte Siebenkotten. Ansonsten würden Investoren in Ballungsgebieten die hohen marktüblichen Mieten für ihre Neubauwohnungen nehmen. In Berlin liegen die Angebotsmieten derzeit im Schnitt bei zehn Euro, in München bei 16 Euro nettokalt.

Besser direkte Zulagen

Bauwirtschaftsexperte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnte vor den „Mitnahmeeffekten“ der Steuererleichterungen. Auch der Bundesrechnungshof hatte das Gesetz in einer Stellungnahme kritisiert und davon abgeraten, die Gesetzesinitiative „weiter zu verfolgen“, wenn sie nicht nachgebessert werde.

Siebenkotten forderte, Mietobergrenzen festzuschreiben, die sich am sozialen Wohnungsbau oder an der ortsüblichen Vergleichsmiete plus einem Zuschlag orientieren. Mit solchen Grenzen wäre das Modell für Investoren aber gänzlich „unattraktiv“, sagten VertreterInnen der Immobilienwirtschaft. Die Neubaukosten erforderten heutzutage mindestens eine Nettokaltmiete von zehn Euro, rechnete Warnecke vor. Es sei „wolkenkuckucksartig“, die Mietpreise im Neubau an die ortsübliche Vergleichsmiete binden zu wollen, die etwa in Berlin viel niedriger ist.

Der Bundesrechnungshof und Michelsen favorisieren Investitionszulagen anstelle steuerlicher Erleichterungen. Um direkte, gebundene Finanzhilfen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in den Ländern zu ermöglichen, ist eine Grundgesetzänderung erforderlich und auch geplant. Ein Gesetzentwurf nur zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus war in der vergangenen Legislaturperiode schon mal gescheitert.

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6 Kommentare

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  • Es reicht vollkommen mehr Wohnungen zu bauen. Dabei ist egal ob Luxus oder sozial. Angebot und Nachfrage. Mehr Angebot bei fixer Nachfrage bedeutet geringere Mieten.

    Noch wichtiger ist es aber für hoch-fluktuierende Mieter spezielle Wohnheime zu bauen, zum Beispiel für Studenten und Expatriats. Und genau da helfen Interventionen. Wir brauchen einfach Sonderprogramme für die Studentenwerke zur Errichtung von Studentenwohnheimen.

    • @Ansgar Reb:

      Sehr logisch. Bisher hat jeder eine Wohnung. Zudem sterben die Deutschen aus, so dass es ein Überangebot an Wohnungen geben muss. Wenn nun in Zentren größere Nachfrage aus mir nicht nachzuvollziehenden Gründen gibt, so muss folglich an deren Rändern es zu einem Leerstand von Wohnungen kommen. Immobilienkredite laufen bis zu 30 Jahre, durch Leerstand werden die Immobilien notleidend. Zwangsversteigerung droht, für viele der Wegfall einer sicheren Altersvorsorge.



      Kein Neubau lässt sich unter 3.000,-€/m2 bauen. Wie günstig soll denn eine Miete sein? Vielleicht mal an höhere Löhne denken, damit Mieten bezahlbar werden. Kurzfristig hilft eine Verdoppelung des Wohngeldes, statt einer schwarzen Null.

  • Um mal die ketzerische Frage in den Raum zu werfen: Warum sind hohe Mieten in Städten eigentlich schlecht?

    In der Stadt zu leben hat (für einige Menschen) einen Mehrwert, also sind sie bereit mehr für diese Wohnung zu zahlen, weil sie ebnen auch mehr bekommen ... die "unsichtbare Hand des Marktes" regelt dann wie viel Euro diesem Mehrwert entsprechen ... was anscheinen recht viele Euro sind.



    Eine Mietobergrenze zu fordern ist also vergleichbar mit einer Obergrenze für ne S-Klasse, nen 7er oder nen A8 ... damit sich jeder nen Luxusschlitten leisten kann. Natürlich sind die Teurer als ein Polo, Fiesta oder Corsa, aber ich bekomme ja auch mehr! Wo ist also das Problem (außer dass sich eben nicht jeder ne S-Klasse leisten kann)?



    Ich würde das gerne mal verstehen, vllt kann mir dabei ja ein Forist helfen :-)

    • @Franz Georg:

      Das wäre alles richtig, wenn Mieten nur durch Mieter getrieben werden.

      In Wahrheit gehören Wohnungen Investitutionsgesellschaften und die interessiert die Wertsteigerung, nicht die Mieteinahmen.

      Volkswirtschaftlich ist maximaler Umsatz auf dem Immobilienmarkt optimal. Maximales Bruttosozialprodukt. Konsumatorisch sind minimale Mieten optimal.

      Wenn alle weniger zahlen müssen zum Wohnen bedeutet das mehr Geld für alle. Ganz einfach.

    • @Franz Georg:

      Wirklich nicht persönlich gemeint, ich kenne Sie nicht, jedoch sich mit Ihrer hohlen (u.a. Rationalitätsfalle) These (der Vergleich zum Fahrzeug amüsiert nicht einmal am Rande) auseinander zu setzen ist derart ein nullum, dass wohl nur ein eingefleischter Pedant wie ich, Recht und Wirtschaft, ein Stück Lebenszeit zu opfern bereit ist. Ich bemühe indes nur Stichworte, weil ich noch Zeit brauche, um mich zu kratzen:



      (Fehl-)Allokation, Blase, kaputtski...

    • @Franz Georg:

      Du findest es also fair, wenn die Leute, die in der Stadt arbeiten, es sich nicht mehr leisten können, in der Stadt zu wohnen, sondern in irgendwelchen Trabantenstädten? Kleiner Tipp, schau dir mal die Peripherie von Paris an.

      Außerdem fürchte ich, du hast das Problem nicht verstanden. Es geht nicht darum, dass jeder eine S-Klasse fahren kann oder überhaupt will, aber es müssen Corsas und Fiestas im Angebot sein.