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Wohnungsnot in BerlinWechseln statt Tauschen

Mit einem neuen Programm soll Schwung in den lahmenden Wohnungstausch der Landeseigenen gebracht werden. Ob es funktioniert, ist fraglich.

Neue Wohnung, höhere Miete: Auch das bleibt beim neuen Wechselprogramm nicht aus Foto: Yvonne Röder/plainpicture

Berlin taz | Die zu groß gewordene Wohnung nach Auszug der Kinder oder einer Trennung einfach gegen eine kleinere tauschen, ohne eine höhere Miete zahlen zu müssen: Die Idee des Wohnungstausches geistert seit Jahren durch die Berliner Wohnungspolitik. So richtig in Gang kam sie jedoch nie. Nun wollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit einem neuen Wechselprogramm Mie­te­r:in­nen bewegen, zu große Wohnungen zu tauschen.

Konkret können Haupt­mie­te­r:in­nen aller landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Wohnung verkleinern möchten, ab sofort an dem Programm teilnehmen. Die jeweilige Wohnungsgesellschaft bietet den Mie­te­r:in­nen innerhalb eines Jahres bis zu drei Angebote an. Allerdings zunächst nur innerhalb ihrer eigenen Wohnungsbaugesellschaft. Die alte Nettokaltmiete übernehmen die Mie­te­r:in­nen nicht. Verlangt wird stattdessen die ortsübliche Vergleichsmiete, lediglich der übliche Neuvermietungsaufschlag von 10 Prozent entfällt.

Die Landeseigenen sehen das Angebot als Ergänzung zum bereits 2018 eingeführten Wohnungstauschportal. Der große Vorteil ist, dass es eben kein Tausch ist, bei dem beide Parteien zustimmen müssen, sondern dass die Wohnung aus dem Bestand der Unternehmen angeboten wird.

Eine Revolution ist das neue Wechselprogramm nicht. Die Möglichkeit, nach Anfrage innerhalb der eigenen Wohnungsbaugesellschaft eine neue Wohnung zu beziehen, gab es schon vorher. „Es ist eine Praxis, die wir seit jeher an den Tag gelegt haben“, sagt David Eberhart, Sprecher des Verbands der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU). Doch nun gäbe es einen „festen Prozess, geklärte Bedingungen und Ansprechpartner“.

Wohnungstauschportal

Das Portal

Seit 2018 können Mieter:innen der 6 landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auf einer Onlineplattform ihre Wohnung zum Tausch anbieten. Private Unternehmen nehmen nicht teil. Mieterhöhungen gibt es beim Umzug nicht, es werden die Konditionen des Vormieters übernommen

Der Erfolg

Pro Jahr werden im Schnitt rund 300 Mietverträge vermittelt. Ein Grund: Ein Wohnungstausch muss die Bedürfnisse gleich zweier Mietparteien treffen: Lage, Preis, Größe und Ausstattung. Auch gibt es eine deutlich höhere Nachfrage nach Vergrößerung als nach Verkleinerung. (wah)

Kleiner Fortschritt

Der Berliner Mieterverein begrüßt das Programm aufgrund der verbesserten Konditionen als Fortschritt. Ein großer Vorteil sei zudem, dass der Wohnungswechsel im Gegensatz zum Tauschportal auch analog möglich sein, ein Anruf bei der Kundenbetreuung genügt. „Viele Senioren wünschen sich mehr analoge Betreuung“, sagt Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Gerade bei der Hauptzielgruppe der alleinlebenden Rent­ne­r:in­nen sei das ein wichtiger Aspekt.

Doch der Erfolg wird vor allem davon abhängen, ob es genug Wohnungen gibt. Auch bei den Landeseigenen ist die Leerstandsquote mit 1,4 Prozent extrem niedrig. „Es wird nicht so sein, dass immer drei Angebote kommen“, gibt Eberhart zu.

Aufgrund der vielen Einschränkungen und der unvermeidbaren Mieterhöhung kritisiert die grüne Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger das neue Modell als „Phantomlösung“. Stattdessen solle der Senat das bisherige Wohnungstauschmodell weiter ausbauen: durch Einbeziehung privater Wohnungsunternehmen, einer Zustimmungspflicht für Tauschanfragen und einem Mieterhöhungsverbot nach einem Tausch.

„Schwarz-Rot bleibt damit erneut unter den Möglichkeiten, die der Wohnungstausch bieten könnte“, kritisiert Schmidberger.

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