Wohnungsnot in Berlin: Wechseln statt Tauschen
Mit einem neuen Programm soll Schwung in den lahmenden Wohnungstausch der Landeseigenen gebracht werden. Ob es funktioniert, ist fraglich.

Konkret können Hauptmieter:innen aller landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Wohnung verkleinern möchten, ab sofort an dem Programm teilnehmen. Die jeweilige Wohnungsgesellschaft bietet den Mieter:innen innerhalb eines Jahres bis zu drei Angebote an. Allerdings zunächst nur innerhalb ihrer eigenen Wohnungsbaugesellschaft. Die alte Nettokaltmiete übernehmen die Mieter:innen nicht. Verlangt wird stattdessen die ortsübliche Vergleichsmiete, lediglich der übliche Neuvermietungsaufschlag von 10 Prozent entfällt.
Die Landeseigenen sehen das Angebot als Ergänzung zum bereits 2018 eingeführten Wohnungstauschportal. Der große Vorteil ist, dass es eben kein Tausch ist, bei dem beide Parteien zustimmen müssen, sondern dass die Wohnung aus dem Bestand der Unternehmen angeboten wird.
Eine Revolution ist das neue Wechselprogramm nicht. Die Möglichkeit, nach Anfrage innerhalb der eigenen Wohnungsbaugesellschaft eine neue Wohnung zu beziehen, gab es schon vorher. „Es ist eine Praxis, die wir seit jeher an den Tag gelegt haben“, sagt David Eberhart, Sprecher des Verbands der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU). Doch nun gäbe es einen „festen Prozess, geklärte Bedingungen und Ansprechpartner“.
Das Portal
Seit 2018 können Mieter:innen der 6 landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auf einer Onlineplattform ihre Wohnung zum Tausch anbieten. Private Unternehmen nehmen nicht teil. Mieterhöhungen gibt es beim Umzug nicht, es werden die Konditionen des Vormieters übernommen
Der Erfolg
Pro Jahr werden im Schnitt rund 300 Mietverträge vermittelt. Ein Grund: Ein Wohnungstausch muss die Bedürfnisse gleich zweier Mietparteien treffen: Lage, Preis, Größe und Ausstattung. Auch gibt es eine deutlich höhere Nachfrage nach Vergrößerung als nach Verkleinerung. (wah)
Kleiner Fortschritt
Der Berliner Mieterverein begrüßt das Programm aufgrund der verbesserten Konditionen als Fortschritt. Ein großer Vorteil sei zudem, dass der Wohnungswechsel im Gegensatz zum Tauschportal auch analog möglich sein, ein Anruf bei der Kundenbetreuung genügt. „Viele Senioren wünschen sich mehr analoge Betreuung“, sagt Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Gerade bei der Hauptzielgruppe der alleinlebenden Rentner:innen sei das ein wichtiger Aspekt.
Doch der Erfolg wird vor allem davon abhängen, ob es genug Wohnungen gibt. Auch bei den Landeseigenen ist die Leerstandsquote mit 1,4 Prozent extrem niedrig. „Es wird nicht so sein, dass immer drei Angebote kommen“, gibt Eberhart zu.
Aufgrund der vielen Einschränkungen und der unvermeidbaren Mieterhöhung kritisiert die grüne Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger das neue Modell als „Phantomlösung“. Stattdessen solle der Senat das bisherige Wohnungstauschmodell weiter ausbauen: durch Einbeziehung privater Wohnungsunternehmen, einer Zustimmungspflicht für Tauschanfragen und einem Mieterhöhungsverbot nach einem Tausch.
„Schwarz-Rot bleibt damit erneut unter den Möglichkeiten, die der Wohnungstausch bieten könnte“, kritisiert Schmidberger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israels Krieg in Gaza
Forscher sehen einen Genozid
Rechte für Transfrauen
Pack die Badehose wieder ein
Israel und Mathias Döpfner
Bild dir deinen Freund
Umfrage zur Landtagswahl Sachsen-Anhalt
Spitzenwert für Rechtsextreme
Herbst der Reformen
Wenn jemand immer wieder Nein sagt
Ukrainischer Historiker über Selenskyj
„Die Ukraine kauft Zeit für Europa“