Wohnungsloser Raucher: Ein unerbittlicher Kampf
Die Nichtraucher zogen feixend große Mengen Frischluft in ihre top-gesunden Lungen. Die Raucher zündeten sich nervös zitternd erst mal eine an.
Es ist ein unerbittlicher Kampf, der seit Jahren in diesem Land tobt: Raucher gegen Nichtraucher. Und nun ein erneuter - allerdings bloß vermeintlicher - Punktsieg für die Nichtraucher: Das Amtsgericht Düsseldorf hat die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses von Friedhelm Adolfs, Ex-Hausmeister und bekennendem Kettenraucher, bestätigt. Unzumutbarer Rauchgeruch im Treppenhaus! Die Nichtraucher im Lande zogen feixend eine extra große Portion Frischluft in ihre vor Selbstgerechtigkeit aufgeblähten top-gesunden Lungen, die Raucher zündeten sich nervös zitternd erst mal eine an.
Obwohl eigentlich gar nichts passiert ist: Es handelt sich um das Urteil eines Amtsgerichts - andere Gerichte sind nicht daran gebunden. Und das Urteil ist auch noch nicht rechtskräftig. Adolfs wird vorraussichtlich Berufung einlegen - verloren hatte er ohnehin nur wegen seiner wohl etwas schusseligen Anwältin, die vergessen hatte, rechtzeitig zu bestreiten, dass „eine unzumutbare und unerträgliche Geruchsbelästigung vorliegt“ – dann nämlich wäre die Klägerin erst einmal in der Beweispflicht gewesen. Stattdessen hatte sich die Anwältin lediglich auf das Gewohnheitsrecht des langjährigen Mieters berufen.
Wie dem auch sei: Das Rauchen in der eigenen Wohnung gilt weiterhin als höchstrichterlich geschützte persönliche Freiheit. Der Bundesgerichtshof ließ allerdings 2006 und 2008 ausdrücklich offen, ob „exzessives Rauchen“ als vertragswidrige Nutzung angesehen werden kann. Außerdem hatten Gerichte Nichtrauchern, die sich durch Qualm belästigt fühlten, Mietminderungen zugesprochen.
Interessant sind die spontanenÄngste und Hoffnungen, die aufgrund einer solchen Meldung geschürt werden: Die einen hoffen, Rauchern endgültig den Garaus machen zu können – sogar in ihren eigenen vier Wänden. Die anderen fürchten, dass sie mittlerweile in einer Gesellschaft leben, die überhaupt keinen Respekt mehr vor ihrer persönlichen Wahlfreiheit hat.
Schlimm ist, dass beide Parteien diese Wahrwerdung von Traum und Albtraum im ersten Moment instinktiv für möglich gehalten haben – gut ist, dass die Rechtslage komplizierter ist. Aber wer weiß? Die eigentlich moralische Diskussion um Rauchverbote wird stets mit gesundheitlichen Mitteln geführt – so auch im Falle Friedhelm Adolfs: Der durch die Ritzen seiner Wohnungstür in den Flur dringende Zigarettenrauch gefährde die Gesundheit der anderen Mieter, so hatte die klagende Vermieterin argumentiert.
In Deutschlands Medienlandschaft wimmelt es nun aktuell von Belüftungstipps für Raucher: Stoßlüften. Grundlüften. Gründlich lüften. Doch die Gegenseite wird mit Sicherheit aufrüsten. Man sieht es schon vor sich: Die lieben Nachbarn auf allen Vieren mit High-Tech-Messgeräten vor der Haustür krabbelnd, Feinstaubproben nehmend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten