Weltgrößte Tabakmesse: Dichter Qualm in Dortmund

Das strikte NRW-Nichtraucherschutzgesetz wurde von der Lobby ausgehebelt: Zur Tabakmesse darf in der Westfalenhalle hemmungslos gequalmt werden.

Oscar Wild: „Die Zigarette ist der vollkommene Genuss.“ Bild: dpa

DORTMUND taz | Innen Tausende Raucher, vor der Tür Proteste: In Dortmund hat die weltgrößte Tabakmesse „Inter-tabac“ die Westfalenhallen am Wochenende in eine gigantische Raucherzone verwandelt. Anders als in Kneipen, Restaurants und den meisten öffentlichen Gebäuden durfte in der Messehalle geraucht werden – obwohl in Nordrhein-Westfalen seit Mai ein scharfes Nichtraucherschutzgesetz gilt und die „Westfalenhallen GmbH“ eine hundertprozentige Tochter der Stadt Dortmund ist.

Mitten im Dunst präsentierten oft tief dekolletierte Hostessen jedes irgendwie im Tabakhandel verkaufbare Produkt. Das Angebot reichte von Zigaretten, Pfeifen und Zigarren über Shisha-Wasserpfeifen über jede Form von Feuerzeugen bis hin zu Kifferutensilien.

Ermöglicht hat das die Finanzkraft der Tabakindustrie, die allein in Deutschland im vergangenen Jahr knapp 23 Milliarden Euro umgesetzt hat. Im Vorfeld drohten die Lobbyisten mit Wegzug, sollte auf der „Inter-tabac“ nicht geraucht werden dürfen. Für die Westfalenhallen bedeute das Umsatzverluste von mehr als einer Million Euro, hieß es warnend.

Der Messebetrieb sollte auf keinen Fall zum Minusgeschäft für die SPD-regierte Stadt werden. „Das ist hier kein Kindergeburtstag“, kontert Friedhelm Sohn, Aufsichtsratsvorsitzender der Westfalenhallen GmbH, Forderungen nach einem Verbot der „Inter-tabac“. „Wir sind gehalten, keine Verluste für die Stadt zu produzieren“, so der SPD-Ratsherr zur taz.

Angeblich nur für Fachpublikum

Um die Tabakmesse in Dortmund zu halten, wurde das NRW-Nichtraucherschutzgesetz deshalb extrem locker ausgelegt: Die „Inter-tabac“ richte sich ausschließlich an ein „erwachsenes Fachpublikum“, argumentierte die Stadtverwaltung.

Selbst die Beamten der grünen NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens, die sonst als harte Verfechterin von Nichtraucherinteressen auftritt, befanden großzügig: Der „probeweise Konsum der dort angebotenen Waren“ sei „zwingend erforderlich“. Für den Schutz der Nicht-Nikotinabhängigen wurde zumindest auf dem Papier gesorgt: Die Teile der Westfalenhallen, die nicht von der „Inter-tabac“ belegt waren, galten als Nichtraucherzone.

„Ein Tabakbaron“ – nichts anderes sei Dortmunds SPD-Oberbürgermeister Ullrich Sierau, ärgert sich Johannes Spatz, Sprecher des Forums Rauchfrei. Zusammen mit weiteren Verbänden hat der Mediziner deshalb eine Demonstration vor dem Messeeingang organisiert. Die Stadt trage „Verantwortung dafür, dass in ihrem Namen ein Produkt beworben wird, das nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr rund sechs Millionen Menschen tötet“.

Rauchende Kinder

Besonders empört Spatz, dass die Westfalenhallen GmbH nicht nur in Deutschland für die Tabaklobby arbeitet. Mit der „Inter-tabac Asia“ wird das Messekonzept im Februar 2014 auf die indonesische Insel Bali exportiert – Asien gilt als Wachstumsmarkt. „Nirgendwo rauchen mehr Kinder als in Indonesien“, so Spatz: „Die Tabakmesse dort ist besonders grausam und zynisch.“

Vertreter der Industrie sorgen sich dagegen um ihren Profit. Seit mehr als einem Jahr laufen sie Sturm gegen die geplante Verschärfung der EU-Tabakrichtlinie. In Dortmund drohte Patrick Engels, Chef des bayerischen Tabakherstellers Pöschl, mit dem Verlust von „über 100.000 Arbeitsplätzen in ganz Europa“ – und einbrechenden Steuereinnahmen: Die Tabaksteuer spülte allein 2012 mehr als 14 Milliarden Euro in die Kasse des Bundesfinanzministeriums. „Ohne Tabak hat der Staat ein Problem.“

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