Wohnungslose organisieren sich: „Wir haben aber auch Stärken“
Wohnungslose aus ganz Deutschland wollen eine bundesweite Selbstvertretung aufbauen. Damit wollen sie ihre Interessen öffentlich machen.
Die Begriffe Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft gleichgesetzt. Doch sie beschreiben unterschiedliche Notsituationen:
Als „wohnungslos“ werden Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Sie übernachten beispielsweise in einer Notunterkunft, einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. Einige kommen auch bei Freunden oder Bekannten unter, besonders Frauen. Sie seien in solchen Situationen manchmal auch sexualisierter Gewalt ausgesetzt, sagen Experten. Wohnungslose schämen sich oft für ihre Situation und bemühen sich, nicht als wohnungslos erkannt zu werden. Deswegen fällt Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft kaum auf.
Obdachlos hingegen sind Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine Unterkunft haben. Sie übernachten manchmal in leerstehenden Häusern, oft im öffentlichen Raum wie beispielsweise in Parks, Gärten oder U-Bahn-Stationen. Sie machen dann „Platte“, wie es umgangssprachlich heißt.
Eine offizielle Statistik zur Zahl der Wohnungslosen gibt es nicht. Einigermaßen abgesicherte Zahlen stammen aus dem Jahr 2016. Damals waren bundesweit etwa 860.000 Menschen ohne eigene Wohnung, schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die Zahl der Menschen, die Platte gemacht haben, betrug etwa 52.000.
Bei dem einwöchigen Treffen erarbeiteten die rund 100 Teilnehmer ein Fünf-Punkte-Programm, um die Situation wohnungsloser Menschen zu verbessern. Sie fordern unter anderem eine auf sie zugeschnittene medizinische Versorgung mit mehr Arztmobilen und kostenlosen Medikamenten. Neben einer Akut-Versorgung müsse auch die Behandlung chronischer Krankheiten möglich sein. Zudem müsse die Versorgung psychisch kranker Wohnungsloser verbessert werden.
Das Recht auf eine Wohnung müsse im Grundgesetz verankert und praktisch umgesetzt werden, verlangen die Teilnehmer weiter: „Wir brauchen ein breites Bündnis für eine neue Wohnungspolitik.“ Wohnungslose Menschen sollten auch in Bauvorhaben einbezogen werden. Zu den weiteren Forderungen gehören ein höherer Regelsatz an Sozialhilfe für Menschen, die auf der Straße leben, und mehr Möglichkeiten, den Kontakt zu getrennt lebenden Kindern zu pflegen.
Die Teilnehmer haben sich durch die Internet-Plattform wohnungslosentreffen.de sowie durch soziale Medien miteinander vernetzt. Nötig seien jetzt eine ständige Koordinierungsstelle, halbjährliche Koordinierungstreffen sowie weiterhin jährliche bundesweite Treffen, heißt es in einer Abschlusserklärung. Gemeinsam wollten die Wohnungslosen die Mechanismen der Ausgrenzung und Entmündigung überwinden: „Alles verändert sich, wenn wir es verändern.“
Das nächste Treffen soll im Juli 2019 stattfinden, voraussichtlich in einer Einrichtung der Diakonie im oberbayerischen Herzogsägmühle.
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