Wohnungsbündnis des Berliner Senats: Wenn's klappt, jubelt die FDP
Berlins Regierende hat ihr Bündnis mit vielen Immobilienfirmen geschmiedet – ein Erfolg, der eine große Gefahr in sich trägt. Ein Wochenkommentar.
V iel ist in Berlin diskutiert worden über den Sinn eines freiwilligen Bündnisses mit der Immobilienwirtschaft, das einerseits die Mieten dämpfen und andererseits den Wohnungsneubau vorantreiben soll. Ersteres steht im krassen Gegensatz zu den Interessen der großen Immobilienfirmen, die als Aktiengesellschaften den Nutzen ihrer Shareholder im Blick haben (müssen). Letzteres ist zuletzt auch daran gescheitert, dass Berlin, sprich: die überlastete Verwaltung, oft die größte Hürde war.
Doch nun steht es, das im rot-grün-roten Koalitionsvertrag vereinbarte „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“: Am Freitag vermeldete die Senatskanzlei, dass man für den kommenden Montag wie geplant zur Unterzeichnung lade.
Im Vorfeld hatten selbst die der Vereinbarung weniger euphorisch gegenüberstehenden Koalitionspartner Grüne und Linke kräftig dafür geworben, dass die von Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) maßgeblich vorangetriebene Kooperation nicht komplett von den Medien verrissen wird. Die Führungsetage der Berliner Linkspartei gab das Motto aus: „Reden ist besser als Nicht-Reden“, das soll auch die harten Kritiker in den eigenen Reihen zum Verstummen bringen.
Bettina Jarasch wiederum, Giffeys Stellvertreterin und grüne Umweltsenatorin, schrieb an ihre Fraktion: „Diese Vereinbarungen genügen bei Weitem nicht, um den Wohnungsmarkt zu entspannen und dauerhaft für genug bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Aber sie sind ein echter Schritt in die richtige Richtung.“
Tatsächlich gibt es einige Punkte, die für die seit Jahren geschröpften Berliner Mieter*innen Vorteile bringen. In einigen Bereichen werden Mieterhöhungen dezent gedeckelt, ganz formal oder aber indem eine Regel zur Anwendung kommen soll, die schon die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften anwenden: Wenn eine Mieterhöhung dazu führt, dass ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgibt, entfällt die Mieterhöhung. Auch an die auf dem Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Gruppen von Geflüchteten und Wohnungslosen wurde gedacht.
Ein Schritt nach vorn
Wichtig dabei ist: Oft nutzen diese Regelungen lediglich den Besitzer*innen eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) – und sowieso nur all jenen, deren Vermieter*innen Teil des Bündnisses sind. Nach aktuellem Stand betreffen die Regelungen knapp die Hälfte der 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin. Das ist durchaus ein Schritt nach vorn: Bisher galten diese oder ähnliche Vorschriften meist nur für die 350.000 Wohnungen der landeseigenen Wohnungsgesellschaften.
Wichtig ist auch: Dem Bündnis können weitere Partner*innen beitreten, es könnten also künftig noch mehr Mieter*innen profitieren. Ganz wichtig ist aber vor allem, dass überprüft wird, ob die Regelungen von den privaten Vermieter*innen wirklich eingehalten werden. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat ein solches Controlling versprochen, zudem soll sich das Bündnis weiterhin treffen.
Im Gegenzug für diese Zugeständnisse will Berlin der Immobilienwirtschaft beim Neubau von Wohnungen entgegenkommen, etwa indem neue Flächen bereitgestellt oder gleich an Genossenschaften vergeben werden, und indem die Verwaltung schneller arbeiten soll. Ob das gelingt, ist ebenso offen und sollte ebenso kontrolliert werden. Tatsächlich sind bei vielen geplanten Regelungen die Details unklar, das wird Stoff für weitere Kritik sein.
Andererseits hatte Rot-Grün-Rot kaum eine andere Wahl als einen solchen Schritt in Richtung Privatwirtschaft. Schließlich sollen zum einen die Privaten mehr als die Hälfte der für diese Legislatur versprochenen 100.000 Wohnungen errichten; zum anderen sind dem Land die Hände gebunden, weitere gesetzliche Regelungen zu erlassen.
„Fürchterlich“ sei diese erzwungene Tatenlosigkeit auf dem für die Stadt wohl wichtigsten Politikfeld: dem Kampf für eine bezahlbare Stadt, heißt es denn auch bei der Linken. Denn weitere schnelle, wirksame Regelungen zu verabschieden, liegt inzwischen komplett in der Hoheit des Bundes: Sei es ein Mietendeckel, die Kappung der Mietsteigerungen oder das kommunale Vorkaufsrecht.
Volksentscheid? Das dauert!
Sich deswegen mit vollem Elan in die Umsetzung des erfolgreichen Enteignen-Volksentscheids zu werfen, ist nicht falsch. Aber angesichts der absehbaren juristischen Auseinandersetzung wird es noch Jahre dauern, bis ein entsprechendes, vom Land verabschiedetes Gesetz wirklich gelten würde – wenn überhaupt. Und ob der politische Wille, ein solches Gesetz zu verabschieden, schon eine dämpfende Wirkung auf dem Mietenmarkt entwickelt oder sogar das genaue Gegenteil bewirkt, ist pure Spekulation.
Rot-Grün-Rot verweist deswegen auch gerne auf den Bund – und dass dort mit der FDP eine Partei mitregiere, der die Interessen der Mieter*innen nicht nur in Berlin völlig egal sind und die weiterhin blind an den Markt glaubt. Bei Berlins SPD und Grünen klingt dieser Verweis inzwischen etwas verzweifelt. Schließlich regieren die Parteien in der Ampel mit, und man hatte sich mehr erhofft.
Genau hier liegt aber auch eine versteckte Gefahr des Giffeyschen Wohnungsbündnisses: Je mehr Vermieter*innen mitmachen, je besser es funktioniert, je mehr Mieter*innen wirklich profitieren, desto mehr stärkt es die Argumentation der Bundes-FDP, Eingriffe in den (Miet-)Markt seien falsch und unnütz. Denn man könne ja offenbar entsprechende Anpassungen schnell und direkt mit allen Betroffenen klären, dürfte es dann heißen. Angesichts dessen weiß man nicht mehr, ob man sich einen Erfolg dieser Kooperation wünschen soll.
Der politische Druck auf die Bundespolitik muss also stärker werden, nicht nur von der Mietenbewegung, sondern auch von den Landesregierungen. Am Sonntag tritt die bisher weitgehend tatenlose Bundesbauministerin Klara Geywitz als Gastrednerin auf dem SPD-Landesparteitag auf. Eine gute Gelegenheit gerade für die Sozialdemokraten, noch einmal zu zeigen, dass es mehr braucht als Kuscheln mit der Immobilienlobby.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene