Wohnungsbautag in Berlin: Wo bleibt die Gemeinnützigkeit?
Weniger Vorschriften und Bauen im Bestand sind richtige Maßnahmen. Aber um die Wohnungskrise nachhaltig zu lösen, braucht es einen Systemwechsel.
W eniger Zuckerguss fördern, sondern bezahlbares Schwarzbrot – das will das Verbändebündnis Wohnungsbau. Gemeint ist: die Baustandards senken, weniger Keller, weniger Aufzüge, weniger Schallschutz. An knackigen Zitaten fehlte es nicht zum Wohnungsbautag am Donnerstag, dafür aber an Selbstreflexion.
Natürlich stimmt es: Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Bauzinsen sind gestiegen, die Materialkosten auch, es fehlen Fachkräfte, die auch keine Wohnungen mehr finden; die Baugenehmigungen brechen ein. Gleichzeitig brauchen wir mehr Wohnungen. Dieses Dilemma lässt sich nur schwer auflösen.
Dass nun mehr staatliches Fördergeld gefordert wird, ist wenig überraschend. Und es ist schon was dran, wenn der Mieterbund-Präsident anmahnt, dass die Bundesregierung die Wohnungsnot genauso wichtig nehmen sollte wie das Thema Verteidigung – auch finanziell. Doch wichtig ist ja nicht nur, dass gebaut wird, sondern auch, was gebaut wird.
Lange Zeit hat die Branche, die jetzt laut klagt, mit niedrigen Zinsen in Goldgräberstimmung am Bedarf der Menschen vorbei gebaut. Sie hat die Wohnungsnot damit selbst mit angefeuert. Das Ergebnis lässt sich nahezu in jeder Stadt besichtigen: Große Bürokomplexe und Luxuswohnungen mit Wasserblick für die Wohlhabenden dieser Welt. Die Zahl der Sozialwohnungen ist dagegen weiter im Sinkflug. Und: Es gibt beschämend wenig barrierefreie Wohnungen in einer alternden Gesellschaft.
Es ist richtig, alle Bauvorschriften mal auf Sinnhaftigkeit abzuklopfen. Nur an Inklusion und Klimaschutz sollte nicht gespart werden. Bauen im Bestand, mit Aufstockung oder durch Umwidmung von Büroflächen, ist ein Schlüssel. Doch es bedarf auch eines Richtungswechsels: Gebraucht wird eine gemeinwohlorientierte Politik, die Akteure unterstützt, die Wohnen nicht als Finanzanlage, sondern auch als Versorgungsauftrag verstehen. Die neue Wohngemeinnützigkeit lässt leider immer noch auf sich warten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen