Wohnungen für Obdachlose in Hannover: Wohnst du schon?
Die Winter-Notquartiere schließen, die Obdachlosigkeit bleibt. Viele Menschen könnten mit Programmen wie „Housing First“ von der Straße geholt werden.
Diese hohe Hürde will die Stadt Hannover jetzt einreißen. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat der Verwaltung aufgegeben, zur Sommerpause das Projekt „Housing First“ zu entwickeln. Erst mal eine Wohnung, heißt das. Therapie kommt später.
Das Prinzip hat sich in Städten wie New York oder Wien schon bewährt. Die Leute kommen in ihren eigenen vier Wänden erst einmal zur Ruhe. Anders als in einer Notunterkunft ist da keiner, der besoffen randaliert oder den anderen Obdachlosen nachts ihre wenigen Habseligkeiten klaut – und für Frauen besonders wichtig: In einer eigenen Wohnung müssen sie keine Angst vor sexuellen Übergriffen haben. Auch sozialpädagogische Betreuung soll es geben.
Wer hat Anspruch?
Eine rundum gute Idee. Die Frage ist nur, für wen gilt Housing First? In Hannover sind geschätzte 4.000 Menschen ohne eigene Wohnung. Viele schlafen bei Freunden, leben in städtischen Unterkünften und gerade Frauen oft bei „Bekannten“ – „mit allen damit unter Umständen verbundenen Abhängigkeiten“, wie die Stadtverwaltung treffend schreibt. Etwa 400 Menschen schlafen in Hannover auf der Straße. Überwiegend sind es Männer.
Ein großer Teil der Obdachlosen kommt aus Osteuropa. Genaue Zahlen darüber gibt es nicht. Man kann aber ein ungefähres Gefühl dafür bekommen, wenn man sich die Gemeinschaftsunterkünfte der Stadt ansieht. 36 Prozent der Menschen, die dort untergekommen sind, kommen aus Rumänien. Damit ist die Gruppe in etwa so groß wie die der Deutschen mit 40 Prozent.
Die Osteuropäer kommen in der Hoffnung auf Arbeit her. Seitdem auch Rumänen und Bulgaren EU-weit nach einer Arbeit suchen dürfen, versuchen sich einige in Deutschland ein besseres Leben aufzubauen. Aber was bleibt ihnen, wenn sie nicht gerade zu Dumpinglöhnen Fleischteile im Akkord zerlegen? Wer stellt einen Rumänen ohne große Deutschkenntnisse ein?
Das wenige Ersparte ist schnell weg und EU-Ausländer haben in Deutschland keinen Anspruch auf Sozialleistungen, wenn sie weniger als fünf Jahre im Land sind. Der Weg auf die Straße ist da kurz. Ein Projekt wie Housing First könnte diese Gestrandeten aus ihrer Misere herausholen. Ob Osteuropäer aber überhaupt von dem Projekt profitieren können, ist äußerst fraglich.
Kaum Chancen für Osteuropäer
Katrin Langensiepen sitzt für die Grünen im Rat der Stadt Hannover. Sie ist eine der Initiatorinnen des Projekts. „Es geht nicht um die Staatsbürgerschaft“, sagt sie. „Ich würde es mir wünschen, auch die Menschen aus Osteuropa einzubringen.“ Für sehr wahrscheinlich hält sie es aber nicht, dass die Stadtverwaltung diese Gruppe in ihrem Konzept berücksichtigen wird. „Man wird dafür nicht aufkommen wollen“, vermutet Langensiepen. Denn wenn die Stadt tatsächlich Wohnungen für Osteuropäer schaffen wollte, müsste sie das wohl selbst bezahlen.
Auch der Koalitionspartner SPD möchte die Obdachlosen aus Osteuropa nicht ausschließen. „Housing First ist grundsätzlich für alle“, sagt das Ratsmitglied Lars Kelig. Rechtlich sei Housing First auf einem Level mit der bisherigen Unterbringung, „also im Zuge von Gefahrenabwehr“. Und in den städtischen Unterkünften dürfen Osteuropäer übernachten.
Kelig sieht aber noch ein anderes Problem als das Geld: „Unsere Hauptaufgabe ist es, mehr zu bauen“, sagt er. „Wenn wir genügend Wohnungen haben, dann können wir auch alles umsetzen.“
Die Stadtverwaltung nennt zu ihrem Konzept von Housing First noch keine Details. Daran werde noch gearbeitet, schreibt ein Sprecher. Wenn das Konzept für ein Pilotprojekt steht, muss der Stadtrat darüber abstimmen. Letztlich liegt es also an Ratsmitgliedern wie Langensiepen und Kelig, mit ihrer Stimmenmehrheit in der Ampel-Koalition dafür zu sorgen, dass vom schnellen Zugang zu Wohnungen und Privatsphäre in Hannover niemand ausgeschlossen wird.
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