Wohnen: Die Angst im Haus
Vermieter in der Grunewaldstraße verdrängt rumänische Mieter. Der Bezirk lehnt die vom Mieteranwalt vorgeschlagene Zwangsverwaltung ab.
Nach einer Räumungsankündigung des Vermieters mussten am Mittwoch offenbar erneut mehrere MieterInnen das Haus an der Grunewaldstraße 87 verlassen. Wie viele Menschen dies betraf, war auch am Donnerstag noch unklar. Nach Medienberichten handelt es sich mindestens um eine sechsköpfige Familie.
Das Haus steht seit Monaten in den Schlagzeilen, nachdem der Eigentümer einen maroden Teil des Gebäudes an aus Rumänien stammende Familien vermietet hatte. Überbelegung, Lärm, Müll und schlechte hygienische Verhältnisse erregten den Unmut vieler Nachbarn.
Nun versucht der Vermieter, die rumänischen WanderarbeiterInnen wieder loszuwerden – teils mit illegalen und sogar kriminellen Methoden, wie der Rechtsanwalt Benjamin Düsberg meint, der fünf der betroffenen Familien vertritt. Er hatte deshalb vergangene Woche einen Antrag an das zuständige Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg gestellt, das Haus der Verfügungsgewalt des Eigentümers zu entziehen und unter öffentliche Verwaltung zu stellen. Dies hat der Bezirk jedoch mittlerweile abgelehnt.
Für „eine so umfassende und eingriffsintensive Maßnahme“ sei weder eine Rechtsgrundlage vorhanden noch sei sie „verhältnismäßig“, schreibt die Sozialstadträtin des Bezirks, Sibyll Klotz (Grüne), in dem Ablehnungsschreiben. Auch habe das Gesundheitsamt keine hygienischen Mängel in dem Haus feststellen könne, die ordungsrechtliche Maßnahmen rechtfertigten. Streitigkeiten auf der Grundlage von Mietverhältnissen wie etwa „Besitzentziehungen durch unberechtigte Räumungen“ müsse der Anwalt auf dem Weg des Zivilrechts verfolgen, so die Sozialstadträtin.
Ein Teufelskreis
Das sei jedoch „ein Problem“, so Rechtsanwalt Düsberg. Zwar seien die Räumungen illegal, da mündliche oder schriftliche Mietverhältnisse bestünden und Miete auch gezahlt werde. Doch die Einschüchterungsmaßnahmen zweier im Auftrag des Eigentümers tätigen angeblichen Hausmeister gegenüber den rumänischen BewohnerInnen seien äußerst erfolgreich: Bis hin zu Todesdrohungen gingen deren Methoden, beschreibt der Anwalt. Seine MandantInnen trauten sich deshalb nicht, gegen den Eigentümer zu klagen, so Düsberg. Im Haus sei „die Angst mit Händen zu greifen“.
Ein Teufelskreis, denn: Ein von Düsberg ebenfalls beantragtes Aufenthaltsverbot für die beiden Hausmeister lehnte die Polizei mit der Begründung ab, dazu sei die „konkrete Benennungen bereits begangener Straftaten erforderlich“. Die sei bisher jedoch mangels geeigneter Zeugenaussagen unmöglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“