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Wohnen auf BrachflächePlatzverweis für Obdachlose

Auf einer brachliegenden Fläche an der Stresemannstraße wohnen seit zwei Jahren mehr als ein Dutzend Obdachlose. Nun sollen sie weg. Wohin, ist noch unklar.

Noch unbebaut, aber bewohnt: Brachfläche an der Stresemannstraße Ecke Kieler Straße Bild: Lena Kaiser

Die zehn jungen Punks sitzen um die Feuerstelle ihres Zuhauses herum und sind ratlos. Sie leben auf einer brachliegenden Fläche an der Stresemannstraße Ecke Kieler Straße – bisher. Denn sie erhielten am Montag von einem Polizeibeamten die Nachricht, dass sie den Platz räumen sollen. Obwohl sie hier schon zwei Jahre lang wohnen, hat das bis heute noch niemand gestört. Wie es nun weitergeht? Keiner weiß das.

Zunächst stand auf diesem Platz nur eine kleine zusammengezimmerte Hütte. In den letzten Monaten kamen immer mehr dazu, inzwischen leben hier 15 junge Obdachlose in Hütten, Zelten und Bauwagen. Einer von ihnen erzählt, er sei vor fünf Monaten hier gelandet. Als sein Mitbewohner ihre Wohnung in der Kieler Straße aufgegeben hat, hat er mit der Vermieterin ausgemacht, dass er die Räume weiter mieten kann. Dann überlegte sie es sich anders und er war raus.

Die seit zehn Jahren brachliegende Fläche gehörte dem umstrittenen Investor Burim Osmani. Vor zwei Jahren hieß es, das Grundstück sei an die Hanseatic Holding AG verkauft worden. Die plant nun hier Studentenwohnungen, ein Appartment-Haus und Gewerberäume. Der Bauantrag liegt bereits vor.

„Das ist eine schwierige Gemengelage“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender im Bezirk Altona Uwe Szczesny. Weil immer noch im Raum stehe, ob das Grundstück nach wie vor Osmani gehört, hätten Bezirksverwaltung und Stadtentwicklungsbehörden offenbar „Bauchschmerzen“, den Plänen zuzustimmen.

Die Firma Hanseatic mit Sitz in Hildesheim hat nun Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Das bestätigt die Polizei auf taz-Anfrage, möchte aber über Vorgehen vorerst nichts sagen. „Wir werden mit den Leuten Kontakt aufnehmen“, sagt Sprecherin Karina Sadowsky. „Mehr nicht.“

Marc Meyer, Jurist vom Verein „Mieter helfen Mietern“, der das Areal kennt, bezweifelt allerdings, dass überhaupt ein Hausfriedensbruch vorliegt. Das Grundstück sei an mehreren Stellen frei zugänglich gewesen, so dass es aus juristischer Sicht kein „befriedetes Gelände“ gewesen sei.

Denn nach der immer noch gängigen Rechtssprechung vom Reichsgerichtshof von 1884 liegt bei freiem Gelände nur Hausfriedensbruch vor, wenn das Areal durch „Schutzwehren gegen das beliebige Betreten gesichert“ sei, die ein „körperlich wirkendes Hindernis“ darstellen – also ein Zaun oder eine Mauer oder zumindest „Betreten Verboten“-Warnschilder aufweisen.

Wenn die Hanseatic Group an einer Räumung festhält, braucht sie allerdings nach Einschätzung von Meyer trotz der mehrmonatiger Fremdnutzung – anders, als wenn ein Bauwagenplatz nach Auslaufen seines Vertrages nicht wegzieht – keinen gerichtlichen Räumungstitel.

Daher müsse angesichts der Obdachlosigkeit eine politische Lösung gefunden werden, bis das Areal wirklich bebaut werde. Um eine solche zu finden, treffen sich die Platzbewohner nun, am heutigen Donnerstag, mit dem Bauwagen-Beauftragten des Bezirksamts Altona. „Wir suchen einen Platz, wo wir hingehen können“, sagt die Studentin. „Wir würden auch was pachten.“ Das Problem mit den anderen Wagenplätzen sei, dass die schon alle voll sind, sagt sie.

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12 Kommentare

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  • PG
    PEACE GIRL

    HILFE!!! Riesenfeuer heute dort! Die größte Bretterhütte, die monatelang mit täglicher harter Arbeit von den Obdachlosen errichtet wurde, ist KOMPLETT abgebrannt! Meterhohe Flammen haben alles verschlungen. Die Menschen haben ALLE WENIGEN HABSELIGKEITEN VERLOREN. WAS IST DAS NUR FÜR EIN STAAT? KANN MAN DENN NICHT CONTAINER DORT AUFSTELLEN? MIT STROM, HEIZUNG, LICHT, WASSER. WO IST DAS PROBLEM? Das kostet den Staat so gut wie nichts. ES SIND MENSCHEN, DIE DORT LEBEN! BITTE HELFT ENDLICH UND SEHR NICHT WEITER ZU! CONTAINER!!!!

  • PG
    Peace Girl

    Ich verstehe "beide Seiten" und denke, die Meinungen hier spiegeln die kontroversen Standpunkte gut und recht plastisch wieder. Vielleicht gibt es ja eine "Zwischenlösung", die allen Beteiligten hilft. Eine Dixi-Toilette und Wasserpumpe zum Beispiel. Wenn "der Staat" das Bewohnen des Platzes duldet, ist er meiner Meinung nach auch verantwortlich für bessere hygienische Verhältnisse, oder? Und die kommen dann sowohl den Bewohnern des Platzes als auch den Anwohnern zugute. Gibt doch für alles eine Lösung, und dann klappts auch mit den Nachbarn, gegenseitig. :-) Peace.

  • V
    Visitor

    Ach wie lustig, jetzt melden sich hier auch schon diejenigen zu Wort, bei denen die Polizei öfter vor der Haustür steht als die Müllabfuhr. "Party all the time" auf Kosten anderer, macht doch nischt, wir grölen von Mitternacht bis morgens bis zum Holstenbahnhof, um allen zu zeigen, wie besoffen wir ständig sind.

    Eine kleine Umfrage hat allerdings ergeben, dass 85 Prozent der Anwohner alles andere als begeistert sind von den anwachsenden Fäkalienbergen, ewig raushängenden Genitalien etc. Aber ist schon ok. Die Wohnungen sind jetzt zum Platz raus nicht mehr "zumutbar nutzbar", d.h. es werden wohl Mietminderungs-Verfahren ohne Ende auf die Eigentümer der Häuser zurollen. Ob die sich dann auch so freudig auf einen Kaffee am stinkenden Lagerfeuer einladen lassen werden, ist zumindest fraglich.

  • J
    Jette

    Natürlich müssen solche Lager irgendwann geräumt werden. Oder wollen wir, dass sich auch bei uns in Europa Slums bilden?

  • N
    Nachbar

    Dieser Artikel ist äusserst schlecht recherchiert. Vielleicht hätte man einfach einmal einen der über 400 Anwohner, die direkt von ihren Fenstern auf diese Fläche sehen können, fragen sollen. Es ist absolut falsch, dass all diese Menschen seit 2 Jahren dort "leben". Fakt ist, dass dort lediglich zwei oder drei ältere Obdachlose in einer Art Hütte lebten und der gesamte Platz seit über 6 Jahren ein kleines Paradies für all die Hunde der Gegend war. Seit einigen Monaten jedoch traut sich kein einziger Hundehalter mehr auf das Gelände. Überall liegt Müll und Schrott. Anstatt der Hunde verrichten jetzt Menschen ihre Notdurft dort im Gebüsch. Falsch ist auch, dass das Gelände "frei zugänglich" sei. Das gesamte Areal ist von einem hohen Zaun umgeben, der an zwei Stellen einen winzigen Spalt zum Hindurchkommen hatte. Herrn Meyer vom Verein "Mieter helfen Mietern" sollte dies eigentlich bekannt sein, wenn er behauptet, das Areal zu kennen. Es ist furchtbar, wenn Menschen keine Wohnung haben. Hier ist dringend Hilfe und Unterstützung nötig. Jedoch ein gesamtes Wohnviertel mit einem stetig wachsenden "alternativ-Slum" zu konfrontieren, ist sicherlich nicht im Sinne des Erfinders.

  • A
    Anwohner

    Das ist Unsinn! Die Punks sind erst vor wenigen Wochen (genauer nachdem bekannt wurde dass hier ein Studentenwohnheim entstehen soll) zu Hauf durch die seit Jahren bestehende Abzäunung gelangt. Die einzigen Bewohner die dort schon seit 2 Jahren leben waren 2 Obdachlose. Inzwischen aber richten sich hier rund 40 Leute ein und es ist abzusehen das es deswegen wieder Krawalle gibt. Die ANwohner fühlen sich im Übrigen sehr wohl von dieser Besetzung genervt schon deshalb weil sie das Grundstück vor der Besetzung selbst als Hundeausführplatz genutzt haben. Außerdem fürchten hier alle eine Zunahme an Auto und Wohnungsaufbrüchen sowie eine Zunahme an Drogendelikten.

    • O
      Oeverseesträßler
      @Anwohner:

      Es ist faktisch falsch, dass sich alle Anwohner von diesen ach so gefährlichen Menschen bedroht fühlen. (Die uns Nachbarn im übrigen per Post freundlich auf einen Besuch eingeladen haben!) Ich wohne selbst direkt nebenan und habe mit mehreren Nachbarn gesprochen, die sich in keiner Weise bedroht fühlen. Teilen sie gerne ihre Meinung mit, aber nehmen Sie nicht das Recht in Anspruch, für alle Nachbarn zu sprechen - das ist anmaßend!

      • NE
        Noch ein Gestörter
        @Oeverseesträßler:

        Also wir wohnen dort auch und fühlen uns sehr wohl gestört. Auch verstehen wir die Bezirksamtsleitung nicht die es zugelassen hat dass dort ein umzäuntes Baugrundstück einfach mal so von ein paar Alternativen enteignet werden kann. Und daher wollen wir auch gar nicht nicht widerechtlich dazu eingeladen werden unerlaubt ein Privatgrundstück zu betreten. Nein wir wollen nur das sich endlich mal Jemand um den Scheiß-Dauerqualm der wilden Lagerfeuer kümmert. Es kann nämlich nicht angehen das Diese uns nun Tag und Nacht die Bude verpesten.

  • E
    EinRadfahrer

    Zum Thema Räumen und so...

    ...an dem Grundstück klappte doch glaube ich in den letzten Jahren der Winterdienst auch nicht, oder? - Hätte man dort mal die Stadtreinigung räumen lassen, und wenn bisher der Rechnungsempfänger/Grundstückseigentümer unbekannt war, könnte man nun dem Anzeigesteller die Rechnung schicken...

  • HW
    Heino Windt

    Hat Mieter helfen Mietern eine Kampagne "Wir helfen derPolizei bei der Räumung von Wagenplätzen" gestartet?

     

    Sehr bemerkenswert, dass ein Anwalt von Mieter helfen Mietern - wenn die Zitate zutreffen - Rechtsauffassungen der Polizei verbreitet, die völlig haltloses wünsch dir was sind: Polizeirecht kann für eine Räumung nur Grundlage sein, wenn die sog. "Störung" des Eigentums frisch, neu, aktuell ist. Wer Tage, Wochen oder gar Monate "Fremde" auf seinem Eigentum duldet, muss nicht zur Polizei sondern zum Amtsgericht, wenn er sein Eigentum ungestört zurück will und Klage bzw. Antrag einreichen. Und dann schaut man mal was passiert und wann es passiert....

     

    Offensichtlich hier das Bezirksamt Altona besser im Film als ein Anwalt eines Mietervereins, das ist traurig!

  • L
    lef

    Es gibt keine anderen Flächen?

    das Problem ist:

    Jeder hat das Recht auf Innenstadt (hier Altona),

    auf großen Flächen vereinzelt Hütten zu bauen.

    das Recht, genau da ein Lagerfeuer zu machen, wild zu urinieren

    usw.

    wer sich auf 65qm in ETW drückt (und dafür sogar was bezahlt!)

    ist selbst dumm+schuld.

  • A
    alf

    lasst die leute da doch einfach wohnen....nur wasser und strom brauchen sie noch, und schwupps, würde es dort sicher bald gemütlice lagerfeuerabende geben.