Wölfe in Brandenburg: Verschwörungstheorien um Isegrim
Die Bürgerinitiative Spreewald statt Wildnis gibt dem Obmann eines Vereins namens Wolfstop-Europe ein Forum. Die Begeisterung über den dubiosen Vortrag hält sich in Grenzen.
Wäre die Lage nicht so ernst, man hätte die Veranstaltung, die Mittwochabend im Wappensaal des Lübbener Schlosses stattfand, als Kabarett abbuchen können. „Raubtiere in Europa – strategische Werkzeuge zur kalten Enteignung?“ lautete der Titel. Eingeladen hatten ein zuvor in Deutschland noch nicht aufgetretener Verein namens Wolfstop Europe und die Bürgerinitiative Spreewald statt Wildnis.
Die BI hatte sich vor drei Jahren gegründet, als der damalige brandenburgische Umweltminister Axel Vogel (Grüne) Teile des Spreewalds als Wildnisgebiete unter Schutz stellte. Man habe sich seinerzeit mit einer Petition von 8.000 Unterschriften „gegen diese Landnahme“ zur Wehr gesetzt, sagte ein BI-Sprecher zur Begrüßung im Wappensaal. Von der neuen SPD-BSW-Landesregierung fordere man, dass die Ausweisung der Flächen zurückgenommen werde.
Andere Saiten aufziehen
Der neue Umweltstaatssekretär Gregor Beyer, ein passionierter Jäger, hatte beim vorangegangenen Wolfshearing in Prenzlau bereits angekündigt, dass er andere Saiten aufziehen will, als sein grüner Vorgänger. Er wolle dafür sorgen, dass der Wolf zügig ins Jagdrecht aufgenommen wird, und das „Wildtiermanagement“ in einer bei ihm angesiedelten Stabsstelle zur „Chefsache“ machen, sagte Beyer.
Alleinbestreiter der Veranstaltung in Lübben war ein großer Mann mit graumelierten Haaren und Brille, der sich in österreichischem Dialekt als Gerhard Fallent, Obmann von Wolfstop Europe, vorstellte. Fast zwei Stunden dauerte sein Vortag, der harmlos begann und in Verschwörungstheorien gipfelte.
„Um Gottes willen“, brach es aus einem ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten heraus, der sich unter den rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörern befand und dem Redner, noch während des Vortrags, immer wieder widersprach.
Weltweit, behauptete Fallent, gebe es mittlerweile so viele Wölfe, dass sie längst wieder bejagt werden könnten. Nur mit einer rigiden Begrenzung der Rudel könne Schaden und Gefahr von Menschen und Tieren abgewendet werden. Maximal ein Rudel pro 11.000 Quadratkilometern halte er für zumutbar. „Bei euch in Brandenburg würde das drei Rudel heißen“, sagte Fallent, ans Publikum gewandt.
Riesengroßer Hunger
„Was passiert, wenn nichts passiert?“, fragte Fallent zum Schluss. Zuvor hatte er Bilder von einer jungen Frau gezeigt, die in Rumänien von einem Bären getötet worden war. Und eine Geschichte von einem 71-Jährigen erzählte, der in der Nähe von Brixen in Südtirol mit „weggefressenen Genitalien“ aufgefunden worden sei. Die DNA-Analyse habe ergeben, „es war ein Fuchs“.
Das, so Fallent, sei die Folge, wenn der Mensch die Natur nicht in Schach halte. Der Hunger des Wolfes sei „riesengroß“. Das Eskalationsszenario werde damit enden, dass „die Großraubtiere“ die Städte eroberten. „Da“, so Fallert, „befinden wir uns noch nicht.“
Von „höchst unseriös“ bis „Horizont erweitert“ gingen die Reaktionen des Publikums. Aber selbst bei ausgewiesenen Wolfsgegnern, die man im Saal vermuten konnte – die offene Begeisterung blieb aus. Fallents kostenloses Schild mit einem angriffslustigen Wolf – gemeint als Warnung zum Aufhängen – fand aber reißenden Absatz. Auch die Wolfsfreunde griffen zu.
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