Wo das Geld der Pfeffersäcke herkommt: Viel Cash auf wenig Raum
Reichtum ist nicht immer sichtbar, Diskretion gehört zum Geschäft. Wir zeigen Ihnen, wo das große Geld in Hamburg sitzt.
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Schipkowski unterwegs: Wo das große Geld in HH sitzt
Deutschland ist ein ziemlich guter Ort für Menschen, die Geld waschen und krumme Geschäfte abwickeln wollen. Der Financial Secrecy Index listet die Bundesrepublik aktuell auf Platz 14 der bedeutsamsten Steueroasen. Nun gehört zu einem guten Platz, um Reichtum zu parken, einerseits Diskretion. Andererseits wollen Superreiche sich auch nicht lumpen lassen. Wer sich an der Hamburger Binnenalster umschaut, findet viele Spuren von diskret zur Schau gestelltem Reichtum.
Doch mit leerem Magen spaziert es sich schlecht – deshalb nehmen wir zuerst eine Stärkung im Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten. Das Fünf-Gänge-Menü kostet mit Weinbegleitung 285 Euro pro Person. Für die 2.000 Einkommensmillionäre, die laut statistischem Bundesamt in Hamburg leben, dürfte das ein bezahlbarer Preis sein. Aber bitte dann auch nicht knausern beim Trinkgeld!
Leicht angesättigt schlendern wir hundert Meter nach Norden. Am Neuen Jungfernstieg 19 liegt der Überseeclub. Die Mitgliederliste ist geheim, die Veranstaltungen sind nicht öffentlich.
Alle waren sie da
Aber seit Gründung der Bundesrepublik hat jede Bundeskanzler*in und jeder Bundespräsident, mit Ausnahme von Johannes Rau und Theodor Heuss, hier vorgesprochen. Andere prominente Redner waren Kardinal Joseph Ratzinger, der ehemalige Palästinenserchef Jassir Arafat, VW-Chef Martin Winterkorn, Siemens-Chef Joe Kaeser, Daimler-Chef Dieter Zetsche und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Überlegen Sie noch, wo Sie ihr Geld anlegen sollen? Praktischerweise klebt direkt am Überseeclub, quasi an der Hinterseite, die Privatbank Berenberg. Seit 1590 im Geschäft, ist sie die älteste Privatbank Deutschlands. In so vielen Jahren Geschäft häuft sich natürlich der eine oder andere Steuerskandal an. Die Panama-Papers sind der aktuellste.
Aber wo so viel Geld liegt, ist man darauf spezialisiert, dass Kund*innen nicht mit lästigen Abgaben behelligt werden. Wenn Sie hier anlegen wollen, kommen Sie bitte nicht mit Kleckerbeträgen – ab einer Million können wir drüber reden.
Der Hamburger Reichtum kommt auch von da her, wo seit über hundert Jahren die Rohstoffe geplündert werden: aus Afrika. Und siehe da, direkt neben der Berenberg Bank befindet sich der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Wer sein Business expandieren will oder aus anderweitigen Gründen nach Afrika schielt, erfährt hier Unterstützung bei Recherchen über die politische und ökonomische Situation afrikanischer Staaten, bekommt Kontakte oder Begleitung bei Delegationsreisen.
Der Afrikaverein wurde 1934 am Sitz der Woermann-Reederei gegründet. Der 1910 verstorbene, extrem reiche Reedereichef Adolph Woermann war in Westafrika mit einer eigenen Privatarmee gegen die Bevölkerung vorgegangen, hatte Menschenhandel betrieben und vom deutschen Völkermord an den Herero und Nama in Namibia profitiert. Drei seiner Nachfahren, Detlev, Rasmus und Heinrich Woermann, sind heute Gesellschafter des Afrikavereins.
Wo wir gerade beim Kolonialismus sind: Die Hamburger Neumann Kaffee Gruppe mit Sitz in der Hafencity wurde 2013 vom Hohen Gericht Uganda gerügt, weil sie 4.000 Bauern gewaltsam von ihrem Land vertrieben hatte, um eine Kaffeeplantage zu errichten. Auf der Liste der reichsten Deutschen rangiert Familie Neumann mit geschätzt einer halben Milliarde auf Platz 301 – weit abgeschlagen hinter anderen Hamburger Dynastien wie Kühne oder Hertz.
Natürlich tun viele Reiche auch Gutes! Stiftungen beispielsweise sind ein probates Mittel, um Reichtum umzuschichten und dabei noch Charity zu betreiben. Aber Augen auf bei der Standortwahl! Nicht alle Länder eignen sich dafür. Sehr beliebt ist zum Beispiel Liechtenstein, wegen der steuerrechtlichen Vorteile.
Anstatt sein Geld in einer Stiftung zu parken, kann man natürlich auch in Gold investieren, das gilt ja als stabil. Auf der östlichen Alsterseite bietet sich der Goldhandel Degussa an. Er gehört einem der reichsten Deutschen, August von Finck Junior, wohnhaft in der Schweiz.
Geld mit Gold gemacht
Auf der „Forbes“-Liste der reichsten Milliardäre der Welt steht er mit einem Vermögen von geschätzten 8,6 Milliarden Dollar auf Platz 167. Er fördert seit Jahren Parteien und Initiativen im rechten Milieu. Dazu nutzte er auch den Goldhandel: Journalist*innen des Spiegel haben recherchiert, dass Degussa an einem lukrativen Deal beteiligt war, mit dem die AfD in ihren ersten Jahren ihre finanzielle Basis stärkte.
Die Münchner Privatbank Merck Finck & Co. nennt der Spiegel die „Keimzelle des Finck’schen Familienvermögens“. Im Nationalsozialismus bereicherte sich die Privatbank an jüdischem Vermögen, später spezialisierte sie sich auf Wertpapiere. Eine Hamburger Filiale liegt gleich um die Ecke, am Alstertor 17.
Ebenfalls ein Profiteur der Arisierung und gelistet unter den reichsten Deutschen ist Klaus-Michael Kühne, Hauptanteilseigner beim Unternehmen Hapag Lloyd, das nur einen Goldbarrenwurf entfernt residiert. Die Familie Kühne weigerte sich jahrelang, die tragende Rolle der Spedition Kühne + Nagel beim Abtransport jüdischen Eigentums zur weiteren „Verwertung“ zuzugeben.
Hapag Lloyd hat mit dieser dreckigen Vergangenheit nichts weiter zu tun. Das Schiff,- Kreuz- und Luftfahrt-Unternehmen kann sich dafür jede Menge aktuellen Dreck in der Atmosphäre und den Meeren auf die Fahne schreiben. Die Stadt Hamburg ist mit 13,9 Prozent am Unternehmen beteiligt und liegt damit knapp vor Qatar und Saudi Arabien mit 12,3 und 10,2 Prozent. Ganz so hanseatisch wie sein Image ist das Unternehmen also irgendwie doch nicht.
Aber wir wollen nicht so kleinlich sein und gehen lieber weiter, zur ebenfalls an der Binnenalster ansässigen Warburg-Bank. Anfang des Jahres veröffentlichte der NDR Recherchen, nach denen das Hamburger Finanzamt Millionenbeträge, die die Bank den Steuerzahler*innen mittels Cum-Ex-Geschäften geklaut hatte, nicht zurückforderte.
Für den damaligen Bürgermeister und heutigen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wurde es unangenehm, mittlerweile fordert die Stadt ihr Geld doch zurück. Die Warburg-Bank lässt das nicht auf sich sitzen, sie klagt dagegen.
Mit den windigen Banken ist es hier in der Gegend allerdings so: Immer wenn man um die nächste Ecke biegt, steht man wieder vor einer. Jetzt zum Beispiel vor der ehemaligen HSH-Nordbank, die heute Hamburg Commercial Bank heißt. Der alte Name klang wohl nicht mehr so schön, nachdem das Finanzinstitut mit über zehn Milliarden Euro Steuergeldern gerettet werden musste.
Die ehemalige Landesbank hatte sich, abgesichert durch die Länderhaushalte Hamburgs und Schleswig-Holsteins, auf hoch riskante Geschäfte auf dem internationalen Finanzmarkt eingelassen und sich dabei verzockt. Zudem hatten die Vorstände Bilanzen gefälscht. 2019 wurden sie dafür verurteilt, kauften sich aber gegen Beträge von je einer halben bis 1,6 Millionen Euro frei.
Wie eng die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft sind, sieht man auf der Rückseite des Hamburger Rathauses, an das die Handelskammer, die Vertretung des Hamburger Unternehmertums, direkt anschließt. Man teilt sich den Innenhof, denn manchmal müssen Sachen eben auf dem kurzen Dienstweg geregelt werden. Auch Ämter können so schneller vergeben werden, wie etwa das des Wirtschaftssenators, das 2011 an den damaligen Kammerpräses Frank Horch (parteilos) ging.
Rathaus als Anbau der Börse
Das prunkvolle Gebäude ist übrigens das der Hamburger Börse, die im gleichen Haus sitzt. Warum ausgerechnet Handelskammer und Börse hier am Rathaus residieren und nicht etwa der Sozialverband oder die Mieterverbände? Auf die Idee ist einfach noch niemand gekommen, schließlich ist Hamburg immer noch eine Kaufmannsstadt, da haben die Interessen der Wirtschaft Priorität. Das hat sich auch Hamburgs Sozialdemokratie zum Grundsatz gemacht, und immerhin wählt dadurch fast niemand die Hamburger CDU – sie ist schlicht überflüssig.
Die Handelskammer ist eine Art Nebenregierung, erinnert sei hier nur an den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze 2013. Da schlug sie sich auf die Seite der beiden Großkonzerne Vattenfall und Eon Hanse, statt auf die der Tausenden Gewerbetreibenden, die sich den Marktgiganten als Kund*innen ausgeliefert sahen. Ein Jahr später plädierte die Kammer für Olympische Spiele in Hamburg. Beides verhinderten die Stadtbewohner*innen glücklicherweise per Referendum.
Puuh, jetzt reicht’s aber auch langsam! So viel ehrliche hanseatische Kaufmannstradition geht ja auf keine Kuhhaut. Verlassen wir also diese glänzenden Orte der Steuer- und Finanzkriminalität und gehen am besten irgendwohin, wo die Verbrecher*innen nicht ganz so hoch stapeln, vielleicht nach St. Pauli oder so. Dieser ganze Zaster lastet doch schwer. Sogar wenn es nicht der eigene ist.
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