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Wissenschaft in GroßbritannienEin Schritt zurück nach Europa

Das EU-Programm „Horizon“ bietet wichtige Kooperationen. Durch den Brexit war Großbritannien raus – bis jetzt.

Premierminister Rishi Sunak beim Besuch der Universität Warwick Foto: Christopher Furlong/ap

London taz | An so manchen Fakultäten britischer Universitäten und wissenschaftlicher Institute dürfte bei Wis­sen­schaft­le­r:in­nen am Donnerstag Feierlaune ausgebrochen sein. Seit 7 Uhr morgens Ortszeit hat das Vereinigte Königreich wieder Zugang zu den europäischen Programmen „Horizon“ und „Copernicus“ – jetzt jedoch als Partner außerhalb der EU, so wie Neuseeland, Kanada, Korea und Israel.

Die britische Teilnahme am europäischen auf 100 Milliarden Euro geschätzten „Horizon“-Programm, eins der wichtigsten kooperativen wissenschaftlichen Netzwerke der Welt, lag seit dem Brexit auf Eis. Der Grund dafür war insbesondere Uneinigkeit hinsichtlich der Regelungen zwischen Großbritannien und der EU über Nordirland.

Diese Streitpunkte konnten erst im vergangenen Februar unter Rishi Sunak, dem Nachfolger von Ex-Premierminister Boris Johnson, mit dem Windsor-Übereinkommen aus der Welt geschafft werden. Das war der Startschuss von Verhandlungen über die Rahmenbedingungen der britischen Mitbeteiligung an „Horizon“ – insbesondere eine Frage des finanziellen Beitrages des Vereinigten Königreichs.

Des Weiteren gab es technische Fragen, da „Horizon“ mitten in einer Programmphase steckt. Bis 2027 können sich britische Universitäten, wissenschaftliche Institute und Unternehmen nun an bereits laufenden Projekten mitbeteiligen, ab 2027 können sie sich für britisch geführte Projekte bewerben. Ausgenommen von dieser Entwicklung ist eine britische Mitgliedschaft an Euratom. Hier will die britische Regierung teilweise eigene Wege gehen.

Richtiger Deal

Premierminister Rishi Sunak sagte, er habe einen Deal geliefert, der britischen Wis­sen­schaft­le­r:in­nen erlaube, sich mit Zuversicht am größten Kooperationsprogramm der Welt zu beteiligen. „Wir haben mit unseren EU-Partner:innen gearbeitet, um sicherzustellen, dass dies die richtige Übereinkunft für das Vereinigte Königreich ist und damit Möglichkeiten für wissenschaftliche Forschung ohnegleichen eröffnet werden. Aber es ist auch der richtige Deal für britische Steuer­zah­le­r:in­nen.“

In einer Erläuterung zu diesem Punkt von 10 Downing Street heißt es, dass britische Steu­er­zah­le­r:in­nen vor allem in den ersten Jahren nicht für jene zeitliche Periode aufkommen müssten, während der sich britische Wis­sen­schaft­le­r:in­nen wegen der Nichtmitgliedschaft in den vergangenen drei Jahren nicht an Projekten hätten beteiligen können.

Außerdem gäbe es ein neues finanzielles Rückerstattungsrecht, falls britische Wissenschaftler:innen, zumindest in den ersten Jahren der Mitgliedschaft, spürbar weniger aus dem Programm erhielten, als das Vereinigte Königreich in das Programm einzahle.

Die Rektorin und Biochemikerin der Oxford University, Irene Tracey, sagte der BBC, dass sie begeistert und dies ein sehr guter Tag für die britische wissenschaftliche Gemeinschaft sei. Endlich könnten sich britische Wis­sen­schaf­le­r:in­nen wieder an der Formulierung und Führung von wissenschaftlichen Projekten mitbeteiligen. Auch viele Unternehmen würden von der Mitgliedschaft profitieren.

Politische Bedeutung

Ver­te­te­r:in­nen zahlreicher Verbände und Organisationen – darunter der Verband britischer Universitäten, der Medizinverband, The Academy of Medical Sciences, die British Academy, der Ingenieursverband Royal Academy of Engineering, der Wissenschaftsverband The Royal Society und die Organisation Cancer Research – begrüßten die erneute Beteiligung am „Horizon“-Programm.

Der Zeitpunkt der Ankündigung dürfte einen politischen Aspekt haben. Am Mittwochnachmittag hatte die Labour-Partei eine Pressemeldung mit einer Sperrfrist bis Mittwochabend, 22.30 Uhr herausgegeben. Darin kündigte die Oppositionspartei an, dass Labour eine Beteiligung an „Horizon“ wiederherstellen werde, sollte die Partei die nächsten Nationalwahlen gewinnen.

Die Möglichkeit, sich nicht an dem Milliardenfonds beteiligen zu können, hatte Labour da noch als kriminell bezeichnet. Sunak ist dem nun zuvorgekommen. Im Vereinigten Königreich werden Nationalwahlen aller Wahrscheinlichkeit nach im Frühjahr 2024 stattfinden.

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3 Kommentare

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  • Nur die Schweiz bleibt isoliert, aber da wird sich auch eine Lösung finden lassen, schließlich geht es auch um Finanzierung und somit Geld. Und die Schweizer Expertise ist für die Kooperation sicher gewinnbringend.



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    "Brüssel erwartet, dass London umgerechnet 2.6 Milliarden Franken pro Jahr beisteuert, um an Horizon Europe und am Satellitenprogramm Copernicus teilzunehmen.



    "Wir schauen mit Hochachtung auf diesen Verhandlungserfolg."



    Michael Schaepmann



    Rektor, Unversität Zürich



    Es gibt Leute in der Schweiz, die freuen sich richtig über den britischen Erfolg. Etwa Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates: «Das ist eine gute Nachricht für die britische und die kontinentaleuropäische Wissenschaft. Es ist gut für Europa.»



    Auch Michael Schaepmann, Rektor der Universität Zürich, gratuliert den Briten und würdigt deren Verhandlungserfolg."*



    //



    Das sind doch mal gute Nachrichten in diesen krisenschwangeren Zeiten, soweit es um zivile Projekte geht, die auch klimakompatibel zu realisieren sind.



    /



    *Quelle



    www.srf.ch/news/sc...-jetzt-ganz-allein

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Ein Schritt zurück nach Europa""



    ==



    Rationales Handeln und hoffentlich auch der Verstand kehrt auf die nasse Insel zurück - tröpfchenweise.

    Brexit war ein Sabotageakt. Mit einfantiler Dummheit erklärten seine Anhänger, dass Großbritannien hier wie in allen Dingen einen Alleingang schaffen könne. Sunaks Versklavung durch sein Brexit- Glaubensbekenntnis erforderte seine Zustimmung, und er entwarf ordnungsgemäß ein Pioneer-Programm im Wert von 14 Milliarden Pfund mit Zuschüssen, das Horizon ersetzen sollte. Viele hochrangige Wissenschaftler in Großbritannien protestierten gegen die Unzulänglichkeit. Sunak schien sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass es bei der Forschung genauso um Zusammenarbeit und akademischen Austausch wie um Geld geht.

    Was Sunak nicht getan hat, ist, sich bei der Grenzbewegung einen Zentimeter zu bewegen. Eine lächerliche Bürokratie wird weiterhin den akademischen Austausch, Konferenzen, Studentenbesuche und einfache Forschungsreisen behindern – ebenso wie sie Orchester- und Theaterreisen erstickt. Das seit jeher fremdenfeindliche Innenministerium , wird weiterhin Wissenschaftler und überhaupt jeden Akademiker davon abhalten, in Großbritannien zu arbeiten.

    Laut einer von der Royal Society in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2021 kann ein Einzelforscher, der für einen längeren Studienaufenthalt anreist, zwischen 3.000 und 5.000 £ für dieses Privileg ausgeben. Solange der Brexit auf diese Weise verwaltet wird und Freunde und Partner abstößt, die sich jahrzehntelang frei über den Ärmelkanal bewegt haben, wird die EU Großbritannien keinen Gefallen tun.

  • "Außerdem gäbe es ein neues finanzielles Rückerstattungsrecht,.."



    Gilt das auch für alle anderen Beteiligten, speziell Deutschland als Hauptzahler?



    Allein dafür, das sie wieder mitmachen dürfen müssten die Briten extra zahlen, weil es für die europäische Forscher die sich an britischen Projekten beteiligen teurer und aufwendiger wird wg des Brexits und weil ohne diese Beteiligung die Bedeutung der britischen Unis weiter nachlassen würde.