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Wirtschaftskrise in VenezuelaGanz knapp über Ramschniveau

Der Staat steht kurz vor der Pleite. Russland bietet Umstrukturierungen an. Ein Fahrplan für die Verhandlungen mit den Gläubigern fehlt.

Darwin hat vor sechs Monaten sein Haus verloren. Jetzt lebt er in Caracas unter einer Brücke Foto: ap

Buenos Aires taz | Venezuela ist zahlungsunfähig. Nach Standard & Poor’s und Moody’s hat nun auch Fitch der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA das Label der Zahlungsunfähigkeit verpasst. Damit liegen venezolanische Bonds jetzt knapp über Ramschniveau. Konkret geht es um Verbindlichkeiten in Höhe von 420 Millionen Dollar, deren Frist am Wochenende ablief. Damit war Venezuela erstmals einer Schuldentilgung nicht nachgekommen.

Gerätselt wird jedoch, ob Venezuela tatsächlich zahlungsunfähig oder nur zahlungsunwillig ist. Noch am Sonntag hatte Präsident Nicolás Maduro in seiner wöchentlichen Fernsehsendung getönt: „Niemals, niemals, der Default wird nie über Venezuela kommen.“ In den vergangenen vier Jahren wurden knapp 72 Milliarden Dollar für den Schuldendienst aufgebracht, so Maduro, davon zwei Milliarden in den vergangenen Wochen. Zugleich kündigte er abermals eine Neuverhandlung und Neufinanzierung der Auslandsschulden an.

Russland zeigte bereits Entgegenkommen. Über rund drei Milliarden Dollar Schulden wurde eine Umstrukturierung vereinbart, wurde am Mittwoch bekannt. Insgesamt steht Venezuela bei Russland mit mindestens 8 Milliarden Dollar in der Pflicht. Maduro gab bekannt, dass auch die Verhandlungen mit China „perfekt vorankommen“. Bei den Chinesen steht Venezuela mit mindestens 28 Milliarden Dollar in der Kreide, die die Regierung mit Öllieferungen tilgen will.

Die Reserven der Zentralbank sind unter die 10-Milliarden-Dollar-Marke gesunken. Die Ölförderung war im Oktober erstmals seit 28 Jahren auf unter zwei Millionen Fass pro Tag gefallen, gab die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) am Montag bekannt. Insgesamt ist das Land mit rund 150 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet. Dabei ist die jetzt nicht getilgte knappe halbe Milliarde Dollar nicht das Problem, sondern die im kommenden Jahr fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von 9 Milliarden Dollar.

Nach Meinung frustrierter Gläubiger wurden bislang keine konkrete Angebote präsentiert

Am Montag waren deshalb die Gläubiger zu einer Verhandlungsrunde nach Caracas eingeladen worden. Nach Angaben der Regierung befinden sich rund 60 Prozent der Bondholders in den USA und Kanada. Nach Meinung frustrierter Gläubiger wurden bislang weder konkrete Angebote noch Vorschläge oder gar ein Fahrplan für ein weiteres Vorgehen präsentiert.

Dagegen feierte die Regierung das Treffen. Trotz der Aggressionen der US-Finanzkontrollbehörden sei der Prozess der Refinanzierung der Auslandsschulden rundum erfolgreich angelaufen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung. Die Beschimpfung der nördlichen Widersacher ist darin jedoch das einzig Konkrete.

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8 Kommentare

 / 
  • Nachtrag.

     

    Die 1. nationale Aufgabe: die hochwertige Warenproduktion und die Landwirtschaft entwickeln!

     

    {...}

     

    Sowohl für Venezuela und Kuba bleibt es die zentrale Hauptaufgabe: ihre ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme weitgehendst aus eigener Kraft zu lösen und sich nicht in erneute ökonomische und politische Abhängigkeit (vom russischen, nordamerikanischen oder chinesischen ‘Bruder’) zu begeben!

  • Warenproduktion und Landwirtschaft entwickeln!

     

    Wo ist die ökonomisch versierte marxistische Linke in Ost- und West-Deutschland geblieben? Gab es doch hier in der Bundesrepublik in den zurückliegenden Jahrzehnten umfangreiches idealistisches Brimborium und Geschwätz, analog fast so wie für den “Sozialismus“ chinesischer Parteimillionäre und Milliardäre.

     

    Aber offensichtlich haben die vorgeblichen Gutmenschen und Wegbegleider des untergegangenen Realsozialismus nichts aus der ökonomischen, sozialen, ökologischen und gesellschafspolitischen Niederlage und Implosion des antikapitalistischen und osteuropäischen Versuchs, insbesondere der UdSSR und DDR, gelernt. Aber sie haben offenbar auch nicht die Zeit nach der Implosion genutzt, sich mit dem Werk: Das Kapital, von Karl Marx, ernsthaft und erneut zu beschäftigen.

     

    So haben auch seit Jahren bürgerliche Ökonomen darauf hingewiesen, dass eine politisch bevorzugte Rentenökonomie, – für eine eigenständige bzw. unabhängige nationale Volkswirtschaft –, nicht funktionieren kann.

     

    Es bedarf der Entwicklung der Produktivkräfte, um auch ohne Rohstoffexport und -Rente sozioökonomisch existieren zu können. Entsprechend muss der gesellschaftspolitische Schwerpunkt in der qualifizierten Bildung, Berufs- und Wissenschaftsausbildung und in der zukunftsorientierten Entwicklung der materiellen Produktion, der modernen Fertigungsanlagen und hochwertigen und weltmarktfähigen Waren und Gütern umgestellt und durchgesetzt werden.

     

    Nicht der billige Export von Rohstoffen ist die Hauptaufgabe, sondern die eigenständige Produktion von qualitativ und ökologisch hochwertigen Produkten. Ein zweiter Punkt wäre: die Qualifizierung und Entwicklung der Landwirtschaft. Die eigenständige Versorgung der Bevölkerung mit gesunden, hochwertigen und bezahlbaren Nahrungsmitteln. Gleiches galt so auch seit Jahrzehnten für die ökonomische Entwicklung Kubas. Auch hier haben offensichtlich die europäischen Gutmenschen bisher versagt.

    {...}

     

    Siehe: Nachtrag.

  • Verbot

     

    Mittlerweile müsste VW als kriminelle Vereinigung verboten werden!

    ...

  • 4G
    41069 (Profil gelöscht)

    Schön, wie tazVogt sich für die “frustrierten Gläubiger“ einsetzt. Die

    USA verbieten per Gesetz, dass US Banken neue venezolanische Staatsanleihen zeichnen und die EU macht mit, dies gilt auch für Sanktionen.

    Das die USA marodierende faschistische Banden in Venezuela unterstützt und militärisch intervenieren wollen, wird gerne verschwiegen. Und wird auch von Teilen der KapitalOligarchie abgelehnt. Venezuela braucht unsere Solidarität.

    • @41069 (Profil gelöscht):

      Venezuela braucht eine vernünftige Regierung mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik, alleine den Agrarsektor sterben zu lassen, da man sich ja alles mit Petrodollars leisten konnte, ist so unglaublich dumm, das die Chavistas da weg gehören.

  • Russland und China helfen bei der Umstrukturierung. Super. Eine win win Situation. Es zeigt sich die Solidarität der schwesterstaaten. Die USA werden sich noch wundern.

    Maduro wird von Erfolg zu Erfolg eilen

  • Weniger Lieferung ist gut fürs Klima. Maduro ist einfach überall der beste. Er übertrifft sogar Chavez. Hlvs

    • @Demokrat:

      Öl Lieferung natürlich