Wirecard-Untersuchungsausschuss: House of Wirecard
Im Wirecard-Skandal tut die Bafin so, als wäre sie nicht zuständig. Der U-Ausschuss muss klären: Hat der Staat die Firma mit Samthandschuhen angefasst?
W er kennt es nicht: das Amt, das nicht zuständig ist. Im Fall Wirecard hat sich die Unzuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) besonders drastisch ausgewirkt. Die Bafin ist die Polizei, die weggeschaut hat, obwohl sich ein gigantischer Betrug quasi direkt vor der Wache abspielte: Anleger haben 23 Milliarden, Banken und Investoren knapp 2 Milliarden Euro verloren. Mindestens. Der Ruf Deutschlands als Finanzplatz ist ramponiert.
Und die Bafin? Nicht zuständig, weil Wirecard großteils keine Bank, sondern Finanzdienstleister war. 90 Mitarbeiter der Behörde zockten derweil mit Wirecard-Aktien, weil die Firma als das „deutsche Apple“ galt. Journalisten, die den Skandal aufdecken wollten, zeigte die Bafin an. Staatsanwälte arbeiten den Fall strafrechtlich auf, fürs Politische ist der Untersuchungsausschuss im Bundestag da.
„Wenn nötig, im Pyjama“, wie es ein Parlamentarier formulierte, sollte Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hier am Donnerstag erscheinen. Mit Maske und schwarzem Rolli erschien der Untersuchungshäftling der JVA Augsburg dann höchst widerwillig – und bügelte ab. Er sehe kein Fehlverhalten von Behörden, sagte Braun. Und sonst fast nichts.
Braun fungierte für die Staatsanwälte „innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz“. Deshalb war sein persönliches Erscheinen in Berlin nötig. Wer das „House of Wirecard“ ergründen will, kommt um Braun gar nicht herum. Die Kanzlerin bewarb den Börsenstar in Fernost, so viel ist bekannt. Aber warum wollte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies Braun Ende 2019 treffen, als längst die Vorwürfe im Raum waren? Was ist mit den Links der einstigen Saubermänner aus Aschheim zum österreichischen Geheimdienst? Kurzum: Packte der Staat Wirecard mit Samthandschuhen an?
Wenn das Amt, die Bafin, nicht zuständig war, müssen neue Regeln her, damit sie künftig zuständig ist. Klar ist: Die Vorschläge von SPD-Finanzminister Olaf Scholz, Kumpanei zwischen Bilanzprüfern und Firmen zu vermeiden, werden wie weiße Salbe bei dem Versuch wirken, Wirecard II zu verhindern.
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