Ernst & Young in der Kritik: Bußgelder gegen Wirecard-Prüfer

Eklat im Bundestagsausschuss zum Wirecard-Skandal: Bilanzprüfer sollen 1.000 Euro zahlen, weil sie nicht aussagen wollten.

Sitzungssall in dem der Untersuchungsausschuss des Bundestags tagt

Der Untersuchungsausschuss tagt, aber die beiden EY-Mitarbeiter wollten nicht aussagen Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN/FRANKFURT rtr/dpa | Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Wirecard-Bilanzskandal hat zwei Vertreter des Abschlussprüfers Ernst & Young (EY) mit Bußgeldern belegt. Nach Angaben von Teilnehmern verhängte das Sondergremium des Bundestages jeweils 1.000 Euro, weil die beiden EY-Mitarbeiter nicht konkret zum Fall aussagen wollten, sondern nur allgemeine Angaben machten. EY steht in der Kritik, weil das Unternehmen jahrelang die Bilanzen von Wirecard testiert hat.

Der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD) hatte im Vorfeld der Sitzung bereits mit einem „symbolischen Ordnungsgeld“ gegen EY gedroht. Die EY-Mitarbeiter werden nach Angaben des Unternehmens dagegen vorgehen und streben eine höchstrichterliche Klärung an.

Deswegen wird der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden müssen, ob sie aussagen dürfen oder nicht. „Deutsche Wirtschaftsprüfer unterliegen strengen Verschwiegenheitspflichten“, betonte EY. „Jede Verletzung kann für Mitarbeiter erhebliche strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen haben.“ Freiheitsstrafen sind bis zu einem Jahr möglich, Geldstrafen bis zu 10 Millionen Euro. Berufsrechtlich können bis zu 500.000 Euro Buße verhängt werden, auch Berufsverbote sind möglich.

Experten rechnen in den nächsten Monaten mit einer Klärung durch den BGH. Dann dürften viele Zeugen, die im Bundestag bisher weitgehend schwiegen, erneut vorgeladen werden – darunter auch Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sowie die EY-Mitarbeiter. Die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe sprach von einem „Versteckspiel hinter einer angeblichen Verschwiegenheitspflicht“, obwohl der Wirecard-Insolvenzverwalter wie auch der aktuelle Vorstand und Aufsichtsrat die EY-Vertreter davon entbunden habe. Das sei nicht ausreichend und ändere nichts an der strengen internen und gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht, argumentierten die EY-Vertreter in der Sitzung, die bis in die Nacht zum Freitag andauerte.

„Unverständnis in der Öffentlichkeit klar“

„Uns ist bewusst, dass die Verschwiegenheitspflicht angesichts der außergewöhnlichen Tragweite des Falles Wirecard auf Unverständnis in der Öffentlichkeit stößt“, so EY. Es gebe aber ein hohes Rechtsrisiko für die einzelnen Mitarbeiter. „Nach unserem Erkenntnisstand haben die Mitarbeiter von EY die Prüfungshandlungen professionell und nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt.“ Daran hegen allerdings alle Fraktionen im Bundestag erhebliche Zweifel.

Denn am Donnerstag hatte bereits der Wirecard-Sonderprüfer KPMG im U-Ausschuss ausgesagt. Demnach hat der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München die Arbeit massiv erschwert – Dokumente zurückgehalten und Interviews immer wieder verschoben. „Wir wollten die Daten analysieren, konnten es aber nicht“, sagte KPMG-Mitarbeiter Alexander Geschonneck. Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz erklärte, eklatante Defizite seien offengelegt worden. „Für die Abschlussprüfer von EY sind die Aussagen von Herrn Geschonneck über fehlende Nachweise von zentralen Kundenbeziehungen, Umsätzen und Kontonachweisen ein desaströses Zeugnis.“ Jens Zimmermann von der SPD ergänzte, bei einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung wäre der Skandal früher aufgeflogen.

Wirecard kollabierte im Juni 2020, obwohl seit Jahren in Medien Vorwürfe wegen Bilanzungereimtheiten kursierten. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Ex-Chef Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Das Unternehmen soll sich jahrelang schöngerechnet und damit Anlegern und Banken Milliardenschäden zugefügt haben.

500 Geschäfte von Bafin-Mitarbeitern mit Wirecard-Aktien

Auch die Finanzaufsicht Bafin steht wegen Wirecard in der Kritik. Die Behörde hat bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Wirecard-Aktien handelnde Mitarbeiter einen möglichen Informationsvorsprung zum privaten Vorteil genutzt haben. „Wir hatten ein Compliance-System, das den gesetzlichen Vorgaben entsprach, aber nicht mehr zeitgemäß ist und deshalb zu Recht verändert wird“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld der „Wirtschaftswoche“. „Kann ich aber den 85 Mitarbeitern einen Vorwurf machen, die Wirecard-Aktien gehandelt haben? Nein, denn bisher gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sie Insiderwissen genutzt haben“, sagte er.

Die Bafin prüft derzeit private Börsengeschäfte ihrer Mitarbeiter, bei denen der Kurs der Wirecard AG eine Rolle spielte, also zum Beispiel Kauf oder Verkauf von Aktien des Unternehmens. Künftig soll Bafin-Beschäftigten der Handel mit Einzelwerten der von der Behörde beaufsichtigten Unternehmen untersagt werden. Der Finanzaufsicht sind mittlerweile fast 500 private Geschäfte ihrer Mitarbeiter mit Bezug zum Skandalunternehmen Wirecard bekannt, wie jüngst aus einer Auskunft des Bundesfinanzministeriums an den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler hervorging.

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