piwik no script img

„Wir sind Kirche“ zum Papst„Den Vatikan hatte er nicht im Griff“

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ über den Halbtags-Papst Benedikt XVI., die Auflösung hierarchischer Strukturen und die Krise der Kirche.

Der Papst geht - der nächste hat viel zu tun. Bild: ap
Interview von Steffi Dobmeier

taz: Der Papst ist zurückgetreten – das macht ihn ja fast zu einem modernen Papst.

Christian Weisner: Es ist sicher ein historischer und verantwortungsbewusster Schritt. Das Eingeständnis von Benedikt XVI., das Schiff Kirche – wobei das eher ein Riesentanker ist – nicht mehr kraftvoll führen zu können, ist ihm durchaus anzurechen. Modern ist und war Papst Benedikt XVI. deshalb noch lange nicht. Doch ein Rücktritt birgt Chancen – zeigt aber auch die Grenzen des Papstamtes in der katholischen Kirche.

Welche Grenzen?

Es geht um die Leitungsstrukturen. Von ihrer Tradition her ist die katholische Kirche ausschließlich auf diese eine Person an der Spitze fixiert. Das heißt: Die ganze Verantwortung lastet auf den Schultern eines Menschen. Da ist eine Überforderung vorprogrammiert. An diesem hierarchischen Aufbau muss sich etwas ändern.

Gibt es dann am Ende vielleicht mehr als nur einen Papst?

Nein, das nicht. Aber der Nachfolger muss Aufgaben delegieren und die Verantwortung teilen, so wie es auch das letzte Konzil vorsieht. Das gesamte Führungssystem im Vatikan und in der Kurie muss auf den Prüfstand. Stichwort: Vati-Leaks, Pius-Brüder, Finanzaffären. Bei allem Respekt für Benedikt XVI. und sein Lebenswerk, den Vatikan hatte er nicht im Griff, das muss man ehrlicherweise sagen.

Das klingt auch aus Ihrer Sicht nach einer tiefen Krise.

Ja, auf jeden Fall. Ich kann nur hoffen, dass das Kardinalskollegium jetzt nicht nur schnell einen Nachfolger findet, sondern gleich einen neuen Kurs einschlägt. Es geht um die Zukunftsfragen im 3. Jahrtausend, und dazu gehören auch die Aidsbekämpfung, die Familienplanung und die Anerkennung homosexueller Lebensformen. Mit den alten Antworten wird die Kirche diesen Fragen nicht begegnen können. So erreicht sie Menschen nicht mehr. Und das ist wirklich dramatisch, denn die Kirche ist der letzte Global Player, der ein Gegengewicht der Ökonomisierung und der Ausbeutung der Welt sein könnte. Wenn diese große Organisation es nicht mehr schafft, glaubwürdig zu sein, dann ist das ein großer Verlust für die ganze Menschheit.

Bild: Wir sind Kirche
Im Interview: Christian Weisner

61, ist gelernter Stadtplaner, arbeitet inzwischen aber ausschließlich als Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“.

Sind Sie froh, dass Benedikt XVI. nun geht?

Nein. Schadenfreude oder Häme sind fehl am Platz. Es ist eher eine tragische Situation.

Was hätten Sie statt Häme und Schadenfreude parat?

Ein bisschen Lob und viel Kritik: Was man sagen muss: Seine Sprache kann faszinieren. Aber er blieb sein Leben lang Professor. Das Charisma der Führung, das dringend nötig ist auf diesem Posten, das hat ihm gefehlt. Er konnte keine Menschen begeistern und wirkliche Dialoge zu führen, fällt ihm schwer. Zudem wollte er sich am liebsten um alles selbst kümmern.

Dabei hatte es ja schon allein mit all seinen Büchern, die er nebenbei geschrieben hat, genug zu tun.

Genau das ist es. Wie kann ich als Teilzeit-Papst für 1,3 Milliarden Menschen Oberhaupt sein, nur weil ich nebenbei noch Bücher schreiben möchte? Seine theologischen Vorlieben waren ihm offenbar wichtiger, die Verantwortung für die Kirche kam dabei zu kurz.

Das Kardinalskollegium besteht aus Menschen, die Johannes Paul II. und Benedikt XVI. berufen haben. Ist da überhaupt jemand dabei, der die Kirche moderner machen kann?

Das ist tatsächlich eine Hypothek, die beide Päpste hinterlassen haben. Ihre Auswahl der Kardinäle entspricht nicht der Verteilung der Katholiken in der Welt. Südamerika und Afrika zum Beispiel sind noch immer unterrepräsentiert. Was das Profil des Nachfolgers angeht, wünsche ich mir, dass er die Weltkirche im Blick hat und mehr von der Welt versteht, als der jetzige Papst. Wenn ich das Kirchenrecht richtig lesen, muss der neue Papst nicht bedingt aus der Reihe der Kardinäle gewählt werden.

Ja, woher soll er denn sonst kommen?

Es könnte zum Beispiel ein Ordensmann sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • HK
    Hady Khalil

    Ist eigentlich der Vatikan jetzt fest in der Hand der deutschen Bischöfe? Es hat fast den Anschein. Ich hab das gar nicht so richtig mitbekommen mit der deutschen Bischofskonferenz. Das muss wohl die Macht der Gewohnheit sein. Und ich konnte das erst gar nicht richtig glauben. Der Termin stand wahrscheinlich schon länger fest und man hat in der knappen Zeit, seit der Papst, der ja die geistige Ausrichtung vorgibt zurückgetreten war, nicht mehr geschafft, die Tagesordnung zu ändern. Ja und wenn man schonmal da war...Also die deutschen Bischöfe beschließen weitreichende und nachhaltige Entscheidungen, während der Stuhl Petri vakant ist. Das kann man doch so sagen, weil der noch Papst Benedikt kann ja keine päpstliche Antwort mehr darauf geben. Aber gut, das der Papst noch nicht gestorben ist, sonst hätte man noch die Trauerzeit abwarten möüssen. Kann der kommende Papst diese Beschlüsse aufheben. Sicher, aber schwierig, besonders, da ihm ja gleichzeitig schon ein Bankpräsident vorgesetzt worden.ist. Gehört das jetzt zum „Aufstellen seiner Truppen“ vor dem Konklave, und also aus einer Tradition legetimiert, und/oder ist das nicht ein Afront dem Kardinalskollegium und dem noch nicht bekannten und gewählten Papstes gegenüber? . Vielleicht soll das auch mögliche Kandidaten demotivieren.Soll vielleicht wieder ein deutscher Papst durchgedrückt, oder eine Marionette gewählt werden. Wenn man das zu Ende denkt, könnte es sogar sein, das Joseph Ratzinger nicht in die Heimat zurück darf, weil die deutschen Bischöfe das nicht wollen. Da kann man nur hoffen das der heilige Geist gut Schach spielen kann, Herr Lütz. Ansonst kann man als gläubiger Katholik und besonders Katholikin im moment nur demütig die Entscheidungen hinnehmen und eine Revision vom neuen Papst erhoffen. Allerdings wird das wohl mindestens ein paar Jahre dauern, verlören die deutschen Bischöfe sonst ihr Gesicht, So schafft man vollendete Tatsachen. Als neuer Papst würde ich dafür sorgen, das die Herren eines Tages mit rotem Kopf erwachen.. Aber wahrscheinlicher ist, das das zum normalem hauen und stechen vor einer Papstwahl gehört. Kirchenrecht begründet sich in manchem einfach aus der Tradition. Das verstehen wir normalen Menschen nicht..

  • MB
    Micha Blue

    warum macht sich die TAZ zum Sprachrohr dieser aufgeblasenen und vor allem anmaßenden Institution!

    bzw. der Reformbewegung die auch keinen Deut besser

    ist! Ich empfinde es als ausreichend eine kurze Pressenotiz zu bringen, die geistige verwirrtheit und das starre Festhalten an hohlen Traditionen.

    Wie wäre es mal mit Aufklärung eurer Leser,

    es gibt Kirchenkritiker! es gibt erforschte Kirchengeschichte!

    und es ist abwegig diese Typen für Stellvertreter Gottes zu halten, denn die Existenz Gottes ist unbelegt,

    warum sollte so jemand (Gott)sich hier stellvertreten lassen wenn er denn schon so mächtig und groß ist?

    Liebe TAZ ihr begebt euch auf das Niveau von Gläubigen.

    Die Kirche gehört abgeschafft, sie lebt wie ein Parasit im Staate.

    Oder sind s die katholischen Leser die Ihr nicht verprellen wollt?

  • S
    Supi

    Okay, danach höre ich auf, aber der muss noch:

     

    "Das Autodafé fällt aus."

    "Warum?"

    "Der Papst hat Burnout."

  • CM
    clemens maria haas

    Das Titelbild ist unwürdig und beleidigend. Es beleidigt nicht nur Millionen katholische Christen, es ist darüberhinaus auch nicht witzig, obwohl es das gerne wäre. Der Ideengeber wollte "schräg" wie bei der Titanic und ganz offensichtlich unbedingt modern rüberkommen, erreicht dabei aber leider nur Abi-Zeitungs Niveau. Dass der Papst geht, ist revolutionär. Er sagt damit ganz klar etwas aus, das auch schon seine allererste Amtshandlung ausgesagt hat: Der Papst ist nicht unfehlbar - er ist ein Mensch. Daß der Papst von den THC-Anhängern und unverbesserlichen, intoleranten Alt-68ern der TAZ beleidigt wird, war klar. Sie stellt sich damit aber in die momentane Progrom-Stimmung und heizt diese noch unverantwortlich und unnötig an.