Wilderei in Deutschland: Mord am Greifvogel
Das illegale Töten von Bussarden, Habichten und anderen Greifen ist ein ernstes Artenschutzproblem. Wilderer werden kaum bestraft.
Ihnen geht es nicht um Elefanten, Nashörner oder Tiger: Wilderer in Deutschland erschießen, vergiften, fangen und erschlagen vor allem Greifvögel. Zwischen 2005 bis 2017 wurden hierzulande über 1.000 Fälle illegaler Greifvogeltötungen registriert. So viele, dass die Bundesregierung Wilderei als ernstes Problem für den Artenschutz einschätzt, das sich „deutlich negativ auf Populationen auswirken kann“. Bestandsabnahmen wie etwa beim Habicht ließen sich „kaum anders erklären“, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen.
Laut dem vom Bund geförderten Projekt Edgar („Erfassungs- und Dokumentationsstelle für Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität“) wurden im Beobachtungszeitraum 890 Mäusebussarde, 200 Rotmilane, 157 Habichte, 78 Turmfalken, 65 Seeadler, 51 Wanderfalken, 41 Sperber, 23 Rohrweihen, 22 Schwarzmilane und 11 Fischadler Opfer von gezielter Verfolgung. Hinzu kamen noch 30 Uhus, die größte heimische Eule, außerdem 11 Waldohreulen.
„Wilderei ist auch in Deutschland ein Problem“, sagt Steffi Lemke, Naturschutzexpertin der Grünen und Mitinitiatorin der Kleinen Anfrage. „Erschreckend sind die Zahlen zu Greifvögeln. Jedes illegal getötete Tier ist eines zu viel und bedroht die Artenvielfalt.“ Die Bundesregierung müsse mehr für den Schutz der Wildtiere in Deutschland tun. Lemke: „Es braucht eine bessere Ausstattung der Kontrollbehörden.“
Das ist leichter gesagt als getan, erklärt Alexander Heyd. Er ist Vogelexperte und Geschäftsführer des Naturschutzvereins „Komitee gegen den Vogelmord“, der die Edgar-Studie durchgeführt hat. Zwar sei die Gesetzeslage klar: Alle Greifvogelarten in Deutschland stehen unter Schutz und dürfen schon seit den 1970er Jahren nicht mehr bejagt werden. Aber vor allem in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bayern häuften sich die Vorfälle.
Vogelkiller werden bisher kaum bestraft
„Das eigentliche Drama ist, dass es kaum zu rechtskräftigen Urteilen kommt“, sagt Heyd. Seine Vermutung: Die ermittelnden Behörden hätten meist wenig Ahnung von der Sache. Man halte die Fälle für Ausnahmen und stelle die Ermittlungen aus mangelndem Interesse der Öffentlichkeit häufig ein. Bisher hat Heyd nur gut 70 Verurteilungen gezählt. Die Urteile gegen die Vogelfrevler sind laut Heyd viel zu niedrig: Mal musste ein Hühnerhalter 1.800 Euro für einen getöteten Habicht zahlen, mal ein Fasanenzüchter 2.500 Euro für die Einstellung eines Verfahrens wegen eines gefangenen Mäusebussards.
Immerhin zeigen sich bei den Verfahren die Motive der Vogelkiller: Etwa die Hälfte der Verurteilten sind Hobby-Geflügelzüchter, die andere Hälfte sogenannte Niederwildjäger. Beide Gruppen sehen ihre privaten Vorlieben durch die Greifvögel bedroht: Den einen machen sie Hühner oder Brieftauben streitig, den anderen Fasane, die sie schießen wollen. Daher, so erklärt Heyd, seien die Meldungen getöteter Greifvögel in Regionen besonders hoch, wo viele Fasane zum Abschuss ausgesetzt werden. Die behäbigen Vögel gelten nämlich als leichte Beute – für Jäger wie Greifvögel gleichermaßen.
„Selbstverständlich verurteilen wir die Greifvogel-Wilderei zutiefst“, sagt dazu Elena Finke vom Verband Deutscher Brieftaubenzüchter. „Bei jeder Gelegenheit“ weise man die „Züchter ausdrücklich darauf hin, dass Greifvögel geschützt sind“.
Wenig Schuldbewusstsein auch beim Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter: „Wenn es das heute noch geben sollte, dann nur klammheimlich“, erklärt dessen Präsident Christoph Günzel. Er gibt zu: „Das Problem mit den Greifvögeln gibt es, aber die meisten unserer Mitglieder nutzen Volieren, um ihre Tiere zu schützen.“
Leser*innenkommentare
Antoni
Greifvögel verschwinden zunächst einmal dort, wo Windräder gebaut werden sollen. Die Vögel verhindern nämlich den Bau oder schränken den Profit enorm ein. Die Summen, um die es dabei geht, lassen selbst Vogelfreude schwach werden. Das Risiko erwischt zu werden ist sehr gering.
Dagegen sind alle anderen Faktoren eher unbedeutend.
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Es geht nicht nur um ein paar Hühner. Wenn eine geschützte Vogelart nachgewiesen wird, ist es Essig mit dem persönlichen Profit aus Windkraftanlagen. Und zwar für Jahre.
Da der Profit mit dem CO2-Preis größer wird, werden auch mehr Horste fallen.
Lösung ? Strafen, die höher als der Profit sind und eine Strafverfolgung, die Biss hat.
pesetenpaule
Bei uns hat sogar die Kirche, weil sie keine Tauben mag, die Nistmöglichkeiten für zwei Turmfalkenpaare durch Vergittern unmöglich gemacht. Der Eulenkasten wurde auch entfernt......bei der Kirche stößt man da eher auf Taube Ohren....
95692 (Profil gelöscht)
Gast
Hallo Herr Müller
Mord bezeichnet die Tötung eines Menschen durch einen anderen und findet bei der Tötung von Tieren keine Anwendung. Schlachtung, Sachbeschädigung oder Wilderei sind hier die korrekteren Begriffe. Nur zur Info .
Frida Gold
@95692 (Profil gelöscht) Es gibt nicht nur juristische Sprache, sondern auch allgemeine. Und da wird "Mord" für alles mögliche verwendet. Auch für Tiere. Sogar für Spaß, mordslustig, oder? ;)
95692 (Profil gelöscht)
Gast
@Frida Gold Mag sein. Hier geht es aber um die Gleichsetzung von der Tötung von Menschen und Tieren.
Andreas Bitz
Vergiften, Abschuss, Fang Wilderei von Greifvögeln werden hier zahlenmäßig beschönigt. Die Dunkelziffer dürfte unvorstellbar hoch sein. Die Täter namentlich ausfindig zu machen und zu überführen (gerichtsverwertbare Beweise) ist schwierig.
Allerdings sind die Verluste durch den Straßenverkehr, durch Vergiftung (Einsatz von Rodentiziden), in den letzten Jahren vor allem durch Windkraftanlagen (Betrieb und im Vorfeld von Planungen) die wesentlichen Rückgangsursachen.
el presidente
In der Nähe von unserem Ferienhaus wurde vor ein paar Jahren der letzte Seeadler erschossen. Im Nest. Während der Brut.
Ich denke wir sollten es machen wie die Amis. Eigene Polizei für solche Fälle. Bei den Amis ist es glaube ich US-EPA. In Deutschland passiert gar nichts.
www.kreiszeitung-w...ewesen-sein_a73968
Heraklit90
Jäger, die einen Greifvogel erschießen, verlieren ihren Jagdschein. Das ist eine erhebliche Sanktion.
wirklich wahr?
Diese ganzen Vögel Opfer gezielter Verfolgung? Wie hat man das denn nachgewiesen?
Die "Wilderei" erfolgt ja wohl eher auf den Autobahnen, dort liegen ne Menge Greifvögel totgefahren. Schön ne Greifvogelstange auf die autobahnnahen Ausgkeichsflächen und schon dürfen sich alle suizidalen Greifvögel vorn Laster schmeißen und die heimlichen Wilderer der Autobahnmeistereien freuen sich diebisch....
Mein Fazit: Ist mit Sicherheit sehr unschön einen Bussard zu wildern und sollte auch verboten bleiben, aber zahlenmäßig im Vergleich völlig irrelevant.
90118 (Profil gelöscht)
Gast
@wirklich wahr? zahlenmäßige relevanz wird nicht durch selbsternannte experten erfühlt.
sondern ermittelt, durch experten, die das nicht als hobby oder gefühlsduselei betreiben - und die öffentlichkeit notfalls darauf aufmerksam machen.
Frida Gold
@wirklich wahr? Hm, mal überlegen - wie weist man es nach, ob ein Vogel gegen ein Auto geknallt ist oder ob ihn jemand abgeschossen oder vergiftet hat ...? Aber klar, ist kein Problem, die Bundesregierung irrt sich.
Mitch Miller
" „Wenn es das heute noch geben sollte, dann nur klammheimlich“"
Ach was? Doch nicht mit einer Party und Zeitungsmeldung?
Wer bedrohte Arten ohne Not oder Unfall dezimiert, begeht wissentlich m.E. ein Verbrechen an der Menschheit (also nicht AN, aber gegen die Interessen). Die Wildtiere und deren Diversität sind "Eigentum" aller Menschen.
Gilt natürlich genauso für alle anderen Länder und Wildtiere.
Frank Erlangen
Nicht zu vergessen die Horste, die "zufällig" genau dort zerstört werden, wo Windindustrieanlagen entstehen sollen.... .
Liese Erdmann
@Frank Erlangen Dazu hätte ich gern mal einen dieser "Belege"; es kann ja auch ne Einzelbeobachtung sein.
Leute, Kommentare entbinden nicht von einer gewissen "Belegpflicht"!
Chutriella
Die Ermittlungsverfahren führen, wie die Antwort der Bundesregierung zeigt, fast nie zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Wenn Wilderei keine ernsthaften Konsequenzen hat, muss sich niemand über eine Zunahme wundern.