Wikipedia in Frankreich: Dem Dienst dazwischengefunkt
Ein französischer Geheimdienst sah in einem Wikipedia-Artikel eine Gefährdung und ließ ihn offline nehmen. Dadurch wurde er erst recht bekannt.
BERLIN taz | Die allwissenden Geheimdienste Frankreichs sind um eine unliebsame Erfahrung reicher: Sie kennen nun den „Streisand-Effekt“.
Ein französischer Wikipedia-Eintrag ist seit dem vergangenen Samstag zu unverhoffter Popularität gekommen, nachdem Agenten des Geheimdiensts „Direction Centrale du Renseignement Intérieur" (DCRI) einen Wikipedia-Administrator am 4. April dazu genötigt hatte, den Artikel aus dem Netz zu nehmen.
Der Beitrag befasst sich mit der Militärfunkstation Pierre-sur-Haute, die zwischen den Kommunen Sauvain und Job, rund 100 Kilometer westlich von Lyon liegt. Nach Angaben des französischen Innenministeriums beinhalte er sensible Informationen zur Atomstrategie, deren Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährden könnte.
Die Wikimedia-Foundation tat am Wochenende auf ihrer Website ihr „völliges Unverständnis und ihre Bestürzung über die Machenschaften von Agenten der DCRI“ kund. Dem betroffenen Administrator, der das freie Online-Lexikon ehrenamtlich betreut, sei eindeutig Unrecht widerfahren.
Außerdem sei nicht nachgewiesen worden, dass die von Wikipedia verwendeten Informationen unter Verschluss stünden. Dass die DCRI den Mitarbeiter bedroht haben soll, lässt das Innenministerium der Tageszeitung Le Monde gegenüber dementieren. Inzwischen hat Wikipedia den Artikel wieder online gestellt, samt Verweis auf den gescheiterten Unterdrückungsversuch der Regierung.
Infolge seiner plötzlichen Medienpräsenz wurde der Eintrag rund 75.000 mal geklickt und von Autoren bis zum Montag in 20 verschiedene Sprachen übersetzt – auch ins Deutsche. Le Monde spricht inzwischen von einem „Streisand-Effekt“, bei dem der Versuch, unliebsame Informationen zu unterdrücken, das genaue Gegenteil hervorbringt: nämlich eine noch größere Öffentlichkeit für das Thema.
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