Wikileaks-Partei in Australien: Der Chef-Enthüller gibt den Popstar
Mit einem peinlichen Auftritt versucht Julian Assange seiner Partei zu Popularität zu verhelfen. Für einen Sitz im Oberhaus dürfte das nicht reichen.
CANBERRA taz | Das einzige Mal, dass Wikileaks-Senatskandidat Julian Assange in den letzten Tagen in den australischen Medien auftrat, war in einem Video – als Kuriosum. Der 42-jährige Gründer der Enthüllungsplattform, der seit mehr als einem Jahr in der ecuadorianischen Botschaft in London ausharrt, erschien vor dem australischen Wahlvolk mit einer blonden Perücke und sang ein Lied.
Welchen Sinn der skurrile Auftritt haben sollte, ist nicht ganz klar. Jedenfalls dürfte er dem Ansehen der ohnehin wenig bekannten Partei nicht sonderlich geholfen haben.
Allerdings wäre es auch ohne diese peinliche Showeinlage wenig wahrscheinlich, dass Wikileaks, das sich Transparenz, Gerechtigkeit und Verantwortung auf die Fahne geschrieben hat, am Samstag einen Sitz im australischen Oberhaus gewinnen wird. Der Wahlkampf wird von wirtschaftlichen Themen dominiert und von der Frage, welche Partei am härtesten gegen Asylsuchende vorgeht, die auf Booten nach Australien zu gelangen versuchen.
Assange will mit seiner Kandidatur verhindern, dass die regierende Labor-Partei und die konservative Opposition Gesetze ohne eine wirkliche Einbeziehung der Öffentlichkeit verabschieden. „Wir werden keine Gesetzgebung oder Regierungspolitik dulden, die auf falschen, intransparenten oder unzureichenden Informationen basiert“, erklärte er.
Mit großer Sicherheit wird am kommenden Samstag der konservative Oppositionsführer Tony Abbott den Labor-Regierungschef Kevin Rudd ablösen.
Vier Rücktritte
Meldungen über ein parteiinternes Zerwürfnis dürften der Wikileaks-Partei in den vergangenen Wochen geschadet haben. Nachdem sie Assange undemokratisches Verhalten vorgeworfen hatten, traten vier der elf Mitglieder des Nationalen Konzils der Partei zurück. Unter ihnen war auch Leslie Cannold. Die Frau hätte Assanges Sitz im Parlament eingenommen, sollte er im Falle eines Wahlsieges weiter in London ausharren müssen.
Assange hatte den Schutz Ecuadors gesucht, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort werden ihm Sexualdelikte vorgeworfen. Der Australier hält seinen Kritikern entgegen, es sei wegen des Zeitunterschieds zwischen London und Melbourne regelmäßig zu Missverständnissen gekommen.
Die Partei hatte in den letzten Wochen allerdings auch Anhänger verloren, nachdem sie in einigen Bundesstaaten ihre Präferenzstimmen nicht der Grünen Partei zugewiesen hatte, sondern extremistischen Splitterparteien, etwa den christlichen Fundamentalisten.
Gemäß dem komplexen australischen Wahlsystem müssen Wähler jedem Senatskandidaten eine Nummer geben. Der Wunschkandidat erhält die Nummer 1. Es ist jedoch möglich, nur eine Partei zu bestimmen. Diese entscheidet dann, welchem Kandidaten anderer Parteien sie die sogenannten Präferenzstimmen überschreibt.
Die Abmachungen beruhen immer auf Gegenseitigkeit und führen gelegentlich zu „unheiligen Allianzen“ zwischen Parteien mit völlig unterschiedlichen Philosophien und Programmen. Ziel ist es, die Anzahl von Stimmen zu erreichen, die für einen Senatssitz benötigt werden.
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