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Wieder im KinoBezeugen und erzählen

„Black Limbo“ erzählt von der spanischen Diktatur in Äquatorialguinea, eine Filmreihe im Zeughauskino von der NS-Besatzung in Europa.

„Black Limbo“ (2024), Regie: Lorenzo Benítez Foto: Dokumentale

D er an der Westküste Zentralafrikas gelegene kleine Staat Äquatorialguinea gehört nicht gerade zu jenen Ländern, über die man in unserem Teil der Welt viel hört. Etwa 1,7 Millionen Einwohner leben dort, doch vom Erdölreichtum des diktatorisch regierten Landes profitiert nur eine kleine Elite. Unabhängig ist Äquatorialguinea erst seit 1968, zuvor war das Land eine spanische Kolonie. Und die Mechanismen und Verbrechen des Kolonialismus funktionierten überall sehr ähnlich, ebenso wie die kollektive Verdrängung jener Zeit in den Heimatländern der Kolonisten.

So ist es keine Überraschung, dass Món Fernandez-Dans, Sohn eines in den späten 1950er Jahren in Äquatorialguinea tätigen Staatsanwalts, und der Journalist David Morello in dem Dokumentarfilm „Black Limbo“ bei ihren Recherchen rund um den Fall des 1959 spurlos verschwundenen Unabhängigkeitsaktivisten Acaio Mañe auf spanische Zeitzeugen stoßen, die ihre Zeit in Afrika vor allem mit nostalgischen Gefühlen betrachten.

Bedeutete das Leben in der Kolonie doch einen beträchtlichen gesellschaftlichen Aufstieg: große Anwesen mit Pool, schicke Autos, schwarze Bedienstete. Man lebte wie andernorts nur die Reichen und machte sich keine Gedanken, auf wessen Kosten dies geschah.

Wirklich klären, was genau mit Mañe seinerzeit geschah, können Fernandez-Dans und Morello letztlich nicht: Akten aus der Franco-Ära werden auch 60 Jahre später noch als „Staatsgeheimnisse“ klassifiziert. Trotzdem sind Recherchen wie diese wichtig: Sie werfen ein Licht auf eine Vergangenheit, deren Schatten bis in die Gegenwart reichen, und das nicht nur, weil die Wunden bei den Hinterbliebenen der Opfer bis heute nicht verheilt sind.

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Im konkreten Fall hat der Film tatsächlich dazu geführt, dass der spanische Staat die Nachkommen Acaio Mañes – reichlich spät – entschädigt hat. Zu sehen ist „Black Limbo“ im Rahmen des Dokumentarfilmfestivals „Dokumentale“, zu einer Diskussion im Anschluss an die Vorführung wird Regisseur Lorenzo Benitez erwartet (17.6., 19.30, City Kino Wedding).

„Bezeugen und erzählen. Frühe Bilder befreiter Lager“ heißt eine Filmreihe im Zeughauskino, die ihrerseits die Schau „Gewalt ausstellen. Erste Ausstellungen zur NS-Besatzung in Europa, 1945-1948“ im Deutschen Historischen Museum begleitet. Ausstellungen und filmischen Zeugnissen der direkten Nachkriegszeit ist letztlich die Frage gemeinsam, wie man mit dem Horror der Nazi-Konzentrationslager umgehen sollte. Aufklärung, Umerziehung, Erinnerung, Strafverfolgung – all dies spielte dabei eine Rolle.

So begleitete die 1945 entstandene 20-minütige Dokumentation „Les Camps de la mort“ ursprünglich eine Ausstellung über Nazi-Verbrechen in Paris, wurde aber wenig später in der französischen Zone auch als Teil eines Umerziehungsprogramms eingesetzt.

In Alain Resnais' berühmtem Dokumentaressay „Nacht und Nebel“ aus dem Jahr 1955 geht es hingegen vornehmlich um das Erinnern: Beharrlich fährt die Kamera zehn Jahre später die zum Vernichtungslager führenden Schienenstränge ab und sucht in der einstigen Landschaft des Grauens nach den Spuren einer Vergangenheit, über die langsam das Gras wächst. Eine Einführung hält der Filmwissenschaftler und Kurator Thomas Tode (15.6., 18 Uhr, Zeughauskino).

Mir persönlich haben es die schicken blauen Kostüme der PanAm-Stewardessen angetan, aber auch sonst kommen Liebhaber der 60-Jahre-Ästhetik in Steven Spielbergs „Catch Me If You Can“ (2002) grundsätzlich auf ihre Kosten. Leonardo DiCaprio schwindelt sich als Hochstapler durch eine amüsante Komödie ohne große Prätentionen, stets verfolgt von Tom Hanks als FBI-Agent (15.6., 11.30 Uhr, Yorck Kino).

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Lars Penning
Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.
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