Wieder Stadionverbot für Frauen im Iran: Eigenmächtige Hardliner
Im Iran wird Frauen unter Einsatz von Tränengas der Besuch des WM-Qualifikationsspiels gegen den Libanon verwehrt. Nun droht der WM-Ausschluss.
Berlin taz/dpa I Der iranische Fußball-Verband befürchtet den Ausschluss für die Weltmeisterschaft in Katar, nachdem Frauen der Zutritt zum WM-Qualifikationsspiel gegen den Libanon verweigert worden ist. Ursprünglich hatten das Sportministerium und der Verband 2.000 Frauen erlaubt, die Partie (2:0) am Dienstag zu sehen.
„Von der Fifa und der AFC hören wir besorgniserregende Nachrichten“, twitterte FFI-Vorstandsmitglied Mehrdad Seradschi am Mittwoch. Falls es zu einem WM-Ausschluss der iranischen Nationalmannschaft kommen sollte, „dann sind diejenigen verantwortlich, die in die bitteren Vorfälle in Maschad involviert waren“.
Das letzte Qualifikationsspiel des bereits für die WM qualifizierten Iran fand nicht wie üblich in der Hauptstadt Teheran, sondern in der religiösen Stadt Maschad im Nordostiran statt. Online waren zwar Karten für die weiblichen Fans zur Verfügung gestellt worden, doch die Frauen standen mit ihren gültigen Tickets bis zum Spielende vor verschlossenen Toren.
Dies hatte zu Protesten geführt, wobei laut Zeugen die Polizei Pfefferspray gegen die Frauen einsetzte. Beobachter vermuten, dass einflussreiche islamistische Hardliner in Maschad eigenmächtig und ohne Absprache mit dem FFI gehandelt haben.
Frauen im separaten Block
Im Iran war Frauen seit über vier Jahrzehnten der Besuch von Fußballspielen untersagt gewesen. Begründet wurde dies vom konservativen Klerus im Iran damit, man wolle die Frauen vor dem Anblick halbnackter Männer und einem vulgären Umfeld schützen. Auf Druck des Weltverbands Fifa wurden erstmals im Oktober 2019 in Teheran 4.000 Eintrittskarten für das WM-Qualifikationsspiel der Männer-Nationalmannschaft gegen Kambodscha an Frauen verkauft. Allerdings mussten sie getrennt von den Männern in einem separaten Block das Fußballspiel verfolgen.
Und die Fifa hatte den Druck auch erst erhöht, weil sich ein Monat zuvor die 29-jährige Iranerin Sahar Khodayari vor dem Gebäude des Islamischen Revolutionsgerichts in Teheran mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Ihr drohte eine Gefängnisstrafe, weil sie sich als Mann verkleidet Zutritt zu einem Stadion verschafft hatte. Khodayari starb an den Folgen der Verbrennungen. Fifa-Chef Gianni Infantino erklärte damals: „Unsere Position ist klar und eindeutig. Frauen muss der Zugang zu den Stadien im Iran gewährt werden.“ Mit dem Verweis auf die eigenen Statuten wurde dem Iran mit dem Ausschluss von der WM in Katar gedroht.
In der Pandemiezeit fanden dann die meisten Spiele sowieso ohne Publikum statt. Als sich der Iran vor wenigen Wochen im Januar durch einen 1:0-Erfolg für die WM in Katar qualifizieren konnte, waren im Azadi-Stadion in Teheran 2.000 Frauen Augenzeuginnen dieses Erfolgs. Nach der Premiere im Oktober 2019 schien man im iranischen Fußball die Politik der Öffnung weiter fortsetzen zu wollen.
Kritisiert wurde allerdings weiterhin, dass lediglich bei WM-Qualifikationsspiele der Nationalelf eine begrenzte Zahl an Zuschauerinnen zugelassen wurde, bei Begegnungen der ersten iranischen Männerliga dagegen nicht. Genau dies hatte aber auch die Fifa eingefordert.
Der Weltverband wird schon aus Glaubwürdigkeitsgründen auf die Vorfälle in Maschad reagieren müssen. Vor knapp drei Jahren hatte Infantino dem iranischen Fußballverband bereits ein Ultimatum gestellt: Bis zum 15. Juli 2019 solle sichergestellt sein, dass Frauen Zutritt zu WM-Qualifikationsspielen der Männer hätten. Davon kann bis heute keine Rede sein.
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