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Wie umgehen mit der BND-Affäre?Einsicht in die Listen gefordert

Die NSA soll dem BND Listen mit Tausenden unzulässigen Suchbegriffen geliefert haben. Der Bundestag will Einsicht, die SPD verlangt, sich über die USA hinwegzusetzen.

Die USA wollen die Veröffentlichung der Suchbegriff-Listen wohl ablehnen Bild: dpa

BERLIN dpa | Führende SPD-Politiker verlangen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Spähliste der NSA auch gegen den Willen der USA freizugeben. „Eine deutsche Kanzlerin darf nicht unterwürfig sein gegenüber den USA“, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi dem Berliner Tagesspiegel (Sonntag). Der NSA-Untersuchungsausschuss müsse Einblick erhalten. Dazu müsse „das Kanzleramt nicht unterwürfig in Washington um Erlaubnis betteln“. Es genüge, die USA zu informieren. „Wir dürfen uns nicht zum Vasallen der USA machen und die Rechte des Bundestags ignorieren.“

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre hinweg möglicherweise unwissentlich geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Dazu soll die NSA dem BND Listen mit Tausenden Suchwörtern (Selektoren) übermittelt haben. Das Parlamentarische Kontrollgremium und der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages verlangen seit Wochen Einblick in diese Listen. Die Bundesregierung wartet aber auf eine Erlaubnis der Amerikaner.

Bislang hat sich die Bundesregierung öffentlich noch nicht auf das weitere Vorgehen festgelegt. Eine offizielle Antwort aus Washington steht noch aus. Medienberichten zufolge wollen die USA die Veröffentlichung der Listen aber wohl ablehnen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hat wiederholt auf das Geheimschutzabkommen mit den USA verwiesen. Danach dürften die betreffenden Daten „nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung weitergegeben werden“.

In der SPD gibt es in dieser Frage Differenzen. Laut Spiegel hält auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Forderung, sich über den Willen der USA hinwegzusetzen, für wenig durchdacht. Dies habe er in einem Telefonat mit SPD-Chef Sigmar Gabriel bereits durchblicken lassen, der wiederum für eine Freigabe plädiere.

Gespräche mit den USA abwarten

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte die Bundesregierung auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie der NSA-Ausschuss Einblick nehmen könne. „Die Liste der Selektoren ist wichtig, um bewerten zu können, ob es unzulässige Ausspähversuche gegeben hat“, sagte er der Rheinischen Post. Es gebe Möglichkeiten, dass das unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehe. „Es ist jetzt Sache des Kanzleramtes, dafür geeignete Vorschläge zu machen.“

Der Innenexperte der Unionsfraktion, Stephan Mayer, verlangte, das Ergebnis der Gespräche mit den USA abzuwarten. Auch er würde es begrüßen, wenn die zuständigen Gremien unter strikter Wahrung der Vertraulichkeit Einblick in die Listen erhielten, sagte der CSU-Politiker, selbst Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

„Überzogene antiamerikanische Töne, wie sie aus der SPD-Parteizentrale zu hören sind, helfen jedenfalls nicht. Sie zeugen nur davon, dass einige führende Sozialdemokraten scheinbar nicht wissen, wie kompliziert auch angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus die Gemengelage ist“, sagte Mayer.

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3 Kommentare

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  • Der NSA steht gegenwärtig – zu Recht – im Brennpunkt. Dennoch sollte man nie vergessen: Deutschland ist Ziel von Geheimdiensten aus ALLER Herren Länder. Umso ungestörter können Schlapphüte aus Ländern, die uns nicht so „freundschaftlich“ gesonnen sind, im Schatten der NSA-Affäre spitzeln und schnüffeln.

     

    Gegen DIE ist man erst recht machtlos, denn die melden ihre Aktionen ganz bestimmt nicht beim BND (oder anderen deutschen Behörden) an. Und ein "No-Spy"-Abkommen wird es mit ihnen erst recht nicht geben!

     

    Es wird Zeit, dass sich auch Whistleblower in anderen Geheimdiensten (z. B. Russlands oder Chinas) finden und Öffentlichkeit schaffen!

  • Der gute alte islamistische Terrorismus! Wenn es ihn nicht schon gäbe - man müßte ihn glatt erfinden, so nützlich ist er den Mächtigen dieser Welt. Als Kriegsgrund. Als Ablenkung von der tatsächlichen Gefahr: dem Kapitalismus. Als ständige Bedrohung, um die eigenen Bevölkerungen in Schach zu halten. Herrlich, dieser islamistische Terrorismus! - Die moralische Überlegenheit hat der Westen ehemals (ob damals noch zu Recht, sei dahingestellt) über den Osten mit der dortigen Totalüberwachung begründet, der Hauptstütze der Diktaturen. Von dem, was heutige Geheimdienste tun, konnte die Stasi nur träumen. Es gab ein kurzes "Jahrzehnt der Freiheit" zwischen 1990 und 2000 - jedenfalls glaubten wir das. Heute ist die Überwachung hingegen allgegenwärtig - denn sie haben den "ganzen Heuhaufen"! Falls in diesem domestizierenden Politiksystem doch mal ein Abweichler auftauchen sollte, der für eine Trennung von der untergehenden Supermacht USA eintritt, oder für tatsächliche Transparenz, gegen jedes Staatsgeheimnis, ein ernstzunehmender Gegner des Sicherheits-Industriellen-Komplexes - wer auch immer: die vermeintlichen Sicherheitsbehörden würden alles daransetzen, diejenige oder denjenigen in der Öffentlichkeit unmöglich zu machen, denn irgendeine dunkle Seite haben alle, irgendetwas findet man immer: Korruption, strafbare - oder auch nur bizarr-lächerliche - sexuelle Praktiken oder sonst irgend etwas Bloßstellendes. Snowden hat dies beschrieben, das ist kein Hirngespinst von mir. Von der etablierten Politik ist daher keinerlei ernsthaftes Vorgehen gegen den Totalitarismus der "Sicherheitsbehörden" zu erwarten: jene ist in deren Hand. Denn sie haben den "ganzen Heuhaufen". Islamistischen Terrorismus hingegen - gibt es tatsächlich. Ihn hat zuallererst die CIA gezüchtet. Als es noch gegen die Sowjetunion ging.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Verkehrte Welt. Bestimmt 50 Leute beim BND und im Kanzleramt haben Zugang zu diesen Listen (Administratoren, Prüfer, Rechtsanwälte, Genehmigende, ...), schätze ich einmal. Jetzt gibt es in Deutschland einen gewählten Bundestag und einen aus guten Gründen eingesetzten und aus Mitgliedern von Regierung und Opposition bestehenden Ausschuß, dem genau diese Unterlagen noch nicht einmal zur nicht-öffentlichen Kenntnisnahme gewährt werden. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun. Schämen Sie sich, Frau Merkel.