Wie man Autor wird: Genial ist egal
Viele schreiben, wenn sie jung sind. Oft, um sich selbst zu beschreiben, entgegen Zuschreibungen von außen. Autor wird, wer damit nicht mehr aufhören kann.
Am Anfang stehen, stelle ich mir vor, kleine Erfolgserlebnisse, Ermutigungen von Respektspersonen und Außenseitergefühle. Alle drei Aspekte sind wichtig.
Erfolgserlebnisse: Vielleicht schreibt der angehende Schriftsteller besonders gefühlvolle Deutsch-Aufsätze. Vielleicht hat er sich in der Schulzeitung schon an einer kleinen Geschichte versucht oder an anderen Talentproben. Vielleicht hat er (oder sie) die Macht eines Tagesbuchs entdeckt – die Macht, einen Ort für sich zu haben, für sich und seine Gedanken.
Darüber, dass die Ermutigung von Respektspersonen gleichzeitig etwas Einschüchterndes haben kann, hat John Williams in seinem Roman „Stoner“ geschrieben. Ein Englischlehrer namens Sloane donnert in einer Unterrichtsstunde William Stoner, die Hauptfigur, an: „Über drei Jahrhunderte hinweg redet Mr. Shakespeare mit Ihnen, Mr. Stoner. Können Sie ihn hören?“ Danach geschieht etwas mit William Stoner. Er verspürt den Wunsch, der Literatur nah zu sein. Nun sind die Lehrer längst nicht mehr so autoritär wie dieser Sloane. Aber irgendeine beeindruckende Lehrerfigur, von der man das Gefühl hat, dass sie einem direkt ins Herz sieht, gibt es eigentlich immer.
Über die Bedeutung der Außenseitergefühle gibt es viele literarische Zeugnisse. Sich selbst beschreiben zu können, einen Begriff für die Kontexte zu haben, in die man hineingeboren wurde, das gehört zur jugendlichen Entwicklung dazu. Wenn man in seinem Bücherregal stöbert, ist es ziemlich Konsens, dass Schriftsteller gerade die Menschen werden, bei denen diese Selbstbeschreibungen erst einmal nicht so selbstverständlich klappen.
Wie wird man eigentlich Schriftsteller? Und wie bleibt man es? Warum sich der Mythos ums Schreiben und einen oft ruhmlosen Beruf hält, lesen Sie auf 15 Sonderseiten zum Publikumswochenende der Buchmesse – in der taz.am wochenende vom 22./23 Oktober. Darunter: „Das Cover geht gar nicht!“ Wie entsteht ein Buch? Ein Comic des Zeichners mawil. Und: Befreit Schreiben wirklich? Eine Begegnung mit Thomas Melle, der mit dem Roman über seine bipolare Störung für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Sich selbst erstmal fremd sein
„Warum bin ich doch so sonderlich und in Widerstreit mit allem, zerfallen mit den Lehrern und fremd unter den anderen Jungen?“ Einer der klassischen Sätze in Thomas Manns Künstlernovelle „Tonio Kröger“. Fremd unter den anderen Jungen – das steht im Kontext von Thomas Manns wohl nie ausgelebter Homosexualität, artikuliert aber auch ein allgemeines Außenseitergefühl. Der Wunsch, Schriftsteller zu sein, speist sich oft aus den psychischen Dramen solcher Identitätskrisen.
Wobei man aufpassen muss. Thomas Mann hat Außenseitergefühle in seinen Anfängen noch für ein Dekadenzphänomen gehalten, verbunden mit der Sehnsucht, so normal und gefestigt zu sein wie angeblich die anderen. Inzwischen hat man aber gelernt, dass sich fremd zu fühlen – „anders“ zu sein – ein normaler Bestandteil der jugendlichen Pubertät ist. Das relativiert die psychischen Identitätsdramen, die damit verbunden sind, keineswegs. Es zeigt vielmehr, wie verbreitet solche Identitätsdramen sind.
Für die Frage, welche Menschen Schriftsteller werden, bedeutet das eine interessante Verschiebung. Lange Zeit hat man gedacht, das seien besondere Menschen, die schreiben „müssen“, irgendwo zwischen narzisstischer Selbstbeschäftigung und Genialität oder auch weil es nun einmal ihre Natur ist. Inzwischen kann man es aber auch so sehen, dass sehr viele junge Menschen zunächst schreiben, und sei es ein jugendliches Tagebuch, das gehört vielleicht einfach auch zu einer Individualisierung dazu; dass die meisten aber wieder aufhören. Schriftsteller sind dann also diejenigen, die einfach nicht aufhören.
Wer jung ist, schreibt eh
Der Klassiker, der die Entstehung des Wunsches, Schriftsteller zu werden, mit der Entstehung von Individualität verknüpft, ist der Roman „Porträt des Künstlers als junger Mann“ von James Joyce. Der Autor Karl-Ove Knausgard hat dem Buch kürzlich einen schönen kleinen Essay gewidmet. „James Joyce lehrte uns, was Individualität bedeutet“ lautet der Titel der deutschen Fassung.
Knausgard beschreibt, wie zuerst Abenteuergeschichten – „Der Graf von Monte Christo“, „Die Schatzinsel“ – seine kindlichen Phantasien von einem Schriftstellerdasein beflügelt haben. Anhand von Joyce ging Knausgard aber auf, dass eben nicht solche äußeren Abenteuer, sondern die inneren Selbstverständnis-Abenteuer sind, die den Schriftsteller ausmachen: „Wir sind nicht nur unsere Zeit, wir sind nicht nur unsere Sprache, wir sind nicht nur unsere Familie, wir sind nicht nur unsere Religion, wir sind nicht nur unser Land oder unsere Kultur, wir sind auch noch etwas anderes, etwas Individuelles, womit wir all diesen Kriterien begegnen – aber was ist dieses Individuelle, auf welche Weise zeigt es sich, und wie beschreibt man es“.
Gegen die Zuschreibungen anschreiben
Nicht identisch zu sein mit sich und seinen Zuschreibungen – letztlich ist das vielleicht der Glutkern hinter dem Wunsch zu schreiben. Und diejenigen, die dem Wunsch nicht folgen, wollen dann zumindest lesend an die Dramen der eigenen Individuation erinnert werden, die Schriftsteller, wenn es gut läuft, nur bewusster ausleben als sie.
Anders sind einige große Bucherfolge der jüngeren Zeit nicht zu erklären. Das betrifft Karl-Ove Knausgard selbst. In seinem Romanprojekt „Mein Kampf“ wühlt er sich akribisch auf mehreren tausend Seiten in das, was sein Erzähler-Ich – einen angehenden Schriftsteller – umtreibt. Das sind schwere Krisen, das ist immer aber auch wieder die normale Härte des Beziehungs- und Berufsalltags.
Was Knausgard im weiteren Verlauf des Essays über Joyce schreibt, gilt auch für sein eigenes Schreibprogramm. Er „begibt sich in den Teil der Identität, für den es noch keine Sprache gibt, in den Zwischenraum zwischen dem, was allein dem Individuum gehört, und dem, was uns allen gemeinsam ist, in sämtliche Stimmungswechsel des Gemüts und die blind fließenden Ströme der Seele, in das, was wir als Stimmungen und Gefühle kennen, das Unartikulierte, die mehr oder weniger auffällige Präsenz der Seele, in das in uns, was uns erhebt, wenn wir uns begeistern, und uns herunterzieht, wenn wir uns fürchten oder verzweifelt sind.“
Es gibt noch ein weiteres aktuelles Beispiel für den gewaltigen Erfolg eines akribischen Romanprojekts, das die Entwicklung einer Schriftstellerfigur genau beschreibt und gleichzeitig offenbar die Dramen der Leserinnen und Leser trifft. Elena Ferrantes Saga „Meine geniale Freundin“ verzeichnet auch, wie ein weibliches Schriftsteller-Ich sich aus der als fremd empfundenen Herkunft herausarbeitet, mit allen Umwegen, Peinlichkeiten und Gemeinheiten, und wie sie dabei zur Autorenstimme findet.
Wie wichtig Bildung ist, Lernen, Lesen, steht auch in Elena Ferrantes Buch. Das gilt für die beiden Heldinnen bei Ferrante wie für die Millionen Menschen, die sie jetzt lesen und die möglicherweise auch aus Familien stammen, in denen es vor ein, zwei Generationen noch keineswegs selbstverständlich war, Abitur zu machen und zu studieren. Auch so eine Geschichte haben angehende Schriftstellerinnen und Schriftsteller möglicherweise im Rücken: den vielleicht nur unbewusst weitergegebenen Auftrag ihrer Eltern, etwas aus sich zu machen und ein eigenes Leben zu finden. Ein Schriftsteller ist eine Heldenfigur der aufstiegsorientierten Bildungsgesellschaft.
Nach den Anfängen kommt das Debüt und mit ihm, wenn es gelingt, der Eintritt in das Schriftstellerleben. Rund um das Debüt hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren sehr viel getan. Karin Graf lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und zählt auf.
Das Drucken von Büchern ist billiger und weniger aufwendig geworden, deshalb werden mehr Bücher gemacht. Die Lektoren in den Verlagen sind wacher geworden auf der Suche nach neuen Autorinnen und Autoren – auch weil es inzwischen Literaturagenten gibt, die vermitteln, Hinweise geben und einen Wettbewerb unter den Verlagen initiieren. Es gibt Veranstaltungen wie den Open Mike in Berlin, auf dem sich junge Schriftsteller präsentieren. Auf den Schreibschulen in Hildesheim, Leipzig und Biehl kann man das Schreiben von Literatur studieren. Fast jeder nennenswerte Verlag führt regelmäßig Debütanten im Programm. „Heute haben es Schriftsteller leichter“, sagt Karin Graf, „weil der Betrieb professioneller geworden ist.“
Karin Graf hat ihre Literaturagentur in der Berliner Mommsenstraße vor zwanzig Jahren gegründet. Sie verhandelt die Buchverträge namhafter Autoren und sieht sich als Partnerin, deren Schriftstellerleben zu organisieren. Man kann ihr gut Überblicksfragen stellen, weil sie im Betrieb dabei ist und mit vielen Schriftstellern zu tun hat. Mit solchen, die Karriere gemacht haben, wie mit solchen, die es nicht geschafft haben.
Bei Grass machte es noch plopp
„Es ist besser geworden jetzt“, sagt sie beim Gespräch in einem Berlin-Chalottenburger Straßencafé, „denn Schriftsteller können ihre Begabung in sich entdecken, ihre Stimme, und inzwischen auch trainieren. Musiker haben immer trainiert. Schriftsteller eigentlich nicht. Es herrschte noch lange Zeit das Diktum vom Originalgenie. Schriftsteller mussten im Grunde fertig in der Öffentlichkeit auftauchen. Grass zum Beispiel. Es machte plopp, und dann war er da. Aber jetzt können sich Autoren auch langsam entwickeln. Und das sind mir eigentlich auch die liebsten, die Autoren, die langsam in ihre Themen und ihre Stimme finden.“
Tatsächlich haben sich die möglichen Wege in ein Schriftstellerleben vervielfacht. In der alten Bundesrepublik existierte in Wirklichkeit nur ein Hauptweg: über die Gruppe 47, in der man sich als Debütant auf den von den Teilnehmern selbst so genannten elektrischen Stuhl setzten musste, vorlesen und das Urteil der anwesenden Kollegen und Kritiker über sich ergehen. Wer gut ankam und Glück hatte, erhielt einen Buchvertrag bei Suhrkamp. Und wenn altgediente Lektoren Interviews geben, rutscht ihnen schon einmal heraus, der wichtigste Bestandteil ihres Berufs bestehe darin, Bücher zu verhindern und nur die richtigen durchzulassen. Mit den literarischen Geburtshelfern, als die sich viele jüngere Lektoren beschreiben, hat das nicht viel zu tun.
Aber nicht nur die Rahmenbedingungen, auch die Debüts selbst haben sich verändert. Früher muss ein unglaublicher Druck auf ihnen gelastet haben, als ob man durch sie in einen anderen Seinszustand gerät. Wer erfolgreich debütierte, für den ergaben alle vorangegangenen Selbstzweifel, alle Außenseitergefühle mit einem Mal einen Sinn: Man war eben Schriftsteller, Künstler und wurde dann von allen Menschen anders behandelt als zuvor. Und wer erfolglos debütierte, war gescheiterter Künstler. Die Heftigkeit, mit der man im Leben scheitert, hat vielleicht sowieso insgesamt abgenommen.
Leichter scheitern
Das alles bedeutet keineswegs, Debüts wären heutzutage nicht mehr mit Selbstzweifeln und mit großen Phantasien verbunden. Das sind sie durchaus. Aber man kann sie tastender angehen, ausprobierender. Schriftsteller sein zu wollen ist auch nichts so Besonderes mehr in den Zeiten unserer Kreativgesellschaft, in der zum Beispiel auch Tausende Kunststudenten in den Kunsthochschulen herumlaufen. Und die Strukturen des Literaturbetriebes sind inzwischen darauf ausgelegt, dass viel mehr Menschen als früher einfach nicht so früh aufzuhören brauchen mit dem Schreiben. Sie haben die Möglichkeit zu schauen, wie weit es sie trägt.
Bis zum Alter von 35 Jahren kann man sich beim Open Mike und den vielfältigen Förderstipendien, die es so gibt, bewerben. Es gibt inzwischen Vierzigjährige, die immer noch als Nachwuchsschriftsteller bezeichnet werden. In der alten Bundesrepublik galt die ungeschriebene Regel, dass, wer bis zum dreißigten Lebensjahr nicht seinen ersten großen Roman geschrieben und veröffentlicht hatte, raus war aus dem literarischen Spiel.
Und wenn man Erfolg hat mit seinem Debüt, wenn man vielleicht 5.000 oder 8.000 Exemplare seines erstes Romans verkauft, seinen Namen in den Besprechungen der Feuilletons gelesen hat, vielleicht auch den Aspekte Literaturpreis für Debütanten gewinnt, sein Foto auf der Buchmesse am Verlagsstand neben bewunderten älteren Schriftstellerkollegen entdeckt und stolze Verwandte einen anrufen, dann passiert folgendes: Die Welt wird sich nicht groß ändern, man wird feststellen, dass es trotz der Honorare für Lesungen nicht leicht ist, auf Dauer vom Schreiben zu leben, und man wird in die vielen Förderprogramme hineinrutschen, vielleicht Aufenthaltsstipendien in Los Angeles oder aus Sylt bekommen. Und man wird gefragt werden: Woran schreiben Sie als nächstes? Wenn einem diese Frage gestellt wird, gilt man als etabliert.
Drei, vier Jahre braucht man schon
Auf das Debüt folgt, wenn alles gut geht, ein Leben mit dem Schreiben. Es gibt Berichte von Menschen, denen das Schreiben leicht fällt. Es gibt aber noch viel mehr Berichte von Menschen, denen das Schreiben ganz und gar nicht leicht fällt. Und in der Tat ist es ja nicht zu fassen, wieviel Arbeit und wieviel damit verbundene manisch-depressive Gemütsverläufe in einem guten Buch stecken. Zwei, drei, vier Jahre muss man für einen ernsthaften Roman schon veranschlagen. Das ist Lebenszeit, die man allein mit sich und dem Text verbringt.
Schreiben ist eine asoziale Tätigkeit. Man ist empfindlich, man ist auf sich und seine Ideen bezogen, man hat Angst, die Stimme im Kopf könnte abreißen, zwischendurch hat man immer wieder den Eindruck, das, was man geschrieben habe, tauge nicht und sei banal. Und selbst von sich so elegant kleidenden Autorinnen wie Silvia Bovenschen ist in Interviews zu hören, dass sie in Schreibphasen eigentlich kaum aus dem Haus gehen und ein wenig verlottern. Fremd unter den Menschen – das werden sich viele Menschen, die mit dem Schreiben leben, allein deshalb fühlen, weil sie in ihren kreativen Phasen so viele gar nicht sehen.
„Man muss sich klar sein, wem man etwas antut, indem man Schriftstellerin wird“, sagt Annett Gröschner in dem Café in Berlin-Prenzlauer Berg, das früher mal der „Torpedokäfer“ war, ein bohemistischer Ostberliner Literatentreffpunkt. Annett Gröschner ist selbst Schriftstellein („Moskauer Eis“, „Walpurgistag“) und unterrichtet Kulturjournalisten an der Universität der Künste Berlin. Ein paar Jahre war sie auch als Dozentin an der Schreibschule in Hildesheim. Den harschen Satz meint sie auf das soziale Umfeld der jeweiligen Schriftstellerin oder des Schriftstellers bezogen und darauf, dass man sich mit dem Beruf in der Regel für ein ziemlich prekäres Leben entschieden hat. Mit Familie? Annett Gröschner: „Schwierig.“
Es klingt überhaupt nicht larmoyant, wenn Annett Gröschner redet, aber die Rahmenbedingungen bleiben nun einmal die Rahmenbedingungen. „Du musst dir immer auch überlegen, was gibst du auf für das Schreiben? Will man eine Familie haben? Will man wirklich abhängig sein von jemandem, der das Geld nach Hause bringt?“ Und die Frage ist überhaupt schon: Wie lange hält man durch?
Einer im Jahr gewinnt
Das Schreiben, der Kampf mit dem Material und der Stimme, das ist das eine. Das andere ist, dass es tatsächlich überaus schwer ist, in Deutschland nur vom Schreiben zu leben. Das schaffen nur die wenigsten. Ein Buchpreisträger hat mir das einmal vorgerechnet. Von den Honoraren des ausgezeichneten Romans kann man sich eine kleine Eigentumswohnung kaufen. Okay, das ist schon mal gut. Aber dann ist Geld auch wieder weg, während die laufenden Ausgaben bleiben. Nur die allerwenigsten Buchautoren garantieren stabile Einnahmen über eine längere Zeit. Und wie viele Autorinnen oder Autoren werden schon Buchpreisträger? Einer im Jahr.
So mit Ende Dreißig, Vierzig wird das echt zu einem Problem. Die Ansprüche steigen. Man will ja nicht sein ganzes Leben studentisch leben. Die Familienfrage wird wirklich dringlich. Die Frage kommt auf, was eigentlich im Alter sein wird. Gleichzeitig haben die Nachwuchsförderprogramme aufgehört. Das ist dann die Phase, in der viele Autoren aus dem Schriftstellerleben wieder aussteigen. Sie haben zwei, drei Bücher gemacht, damit vielleicht auch etwas Erfolg gehabt und Talent bewiesen, aber nun wenden sie sich einem Plan B zu. Doch noch Lehrerin werden vielleicht. Sich informieren, ob das noch möglich ist, tun tatsächlich viele.
Annett Gröschner sagt, man braucht schon eine gehörige Portion Trotz, um immer weiter zu schreiben. Wer sich dafür entscheidet, entscheidet sich für eine Mischkalkulation. Dass man mit Lesungen Geld verdienen muss, ist eh klar. Man muss aber auch bei den Preisjurys am Ball bleiben und sich möglicherweise hier eine Gastdozentur, dort dort eine Übersetzung oder auch mal einen Reiseführer sichern. Hin und wieder was im Radio. Es gibt auch immer noch Magazine, die gelegentlich gut bezahlen. So kann man sich seine Autorenexistenz zurechtzimmern. Mit den Antrieben, die einen einst zum Schreiben brachten, haben diese Tätigkeiten nicht immer etwas zu tun. Und man bleibt ein Unternehmer seiner selbst.
Die Dramen des Durchhaltens
So stehen im Zentrum eines Schriftstellerlebens: oft Geldsorgen und die Frage, was man dem Schreiben opfert. Aber die Frage, die Karl-Ove Knausgard stellte, wie man „dieses Individuelle“ beschreibt, die ist immerhin unerschöpflich. Die Sache ist ja die, dass man an die Fragen, die einen in der Jugend bedrängt und möglicherweise zum Schreiben gebracht haben, souverän erst mit einiger Erfahrung herankommt. Man muss, glaube ich, um sie gut aufzuschreiben, lange dafür trainiert haben.
Vielleicht sieht man in unserem Literaturbetrieb fast schon ein bisschen zuviel auf Anfänge und Debütanten – nein, so ist das falsch formuliert, Anfänge sind oft interessant. Vielleicht sollte man aber mehr auf die Mechanismen und die psychischen Dramen des Durchhaltens und des Weitermachens von Schriftstellern achten.
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