Wie lange müssen Eier kochen?: Ach du weiches Ei!
Ist das perfekt gekochte Ei hart oder weich? Zwei proteinreiche Plädoyers zur größten kulinarischen Frage.
Ein Ei muss hart sein!
Mein erstes weich gekochtes Ei habe ich gegessen, als ich 16 war. Ich hatte bei einer Freundin übernachtet und ihre Mutter stellte es kommentarlos auf den Tisch. Bei uns zu Hause gab es so was nicht. Bei uns zu Hause gab es zum Frühstück hart gekochte Eier, die wir auf Brötchen aßen. Ein wenig Butter drunter, ein wenig Salz drauf: ein Gedicht. Deswegen griff ich bei meiner Freundin auch instinktiv nach dem Messer, schnitt mir das Ei auf meine Brotscheibe und machte eine Riesenschweinerei.
Ein weiches Ei kann man nicht würdevoll verspeisen. Als Brotbelag sieht aus wie die eigenen Träume und Hoffnungen – zermatscht und zerflossen. Natürlich ließe sich ein weiches Ei auch löffeln, aber das ist erst recht keine Lösung. Bei keinem Bissen – ach wäre es doch ein Bissen, würden die Zähne doch bloß Widerstand spüren – stimmt das Eigelb-Eiweiß-Verhältnis. Ständig muss man nachsalzen und noch aufpassen, dass nichts vom Löffel auf den Teller, aufs Tischtuch oder, noch schlimmer, auf die Kleidung tropft. Viel zu viel Stress so früh am Morgen.
Bei mir kommen deshalb nur hart gekochte Eier auf den Tisch. Statt Matsche frühstücke ich gleichmäßige Scheiben auf einem warmen Brötchen. Und das ist nicht einmal die einzige Art, diese Köstlichkeit zu genießen. Hart gekochte Eier kann man den ganzen Tag über essen – in einem Salat, gefüllt als Vorspeise oder einfach so. Ein hartes Ei kann ich außerdem mitnehmen. Was sind schon Proteinbars oder -shakes gegen diesen handlichen Powersnack, bei dem die Schale bereits mitgeliefert wird?
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Und weiche Eier? Verharren schmählich unflexibel am Frühstückstisch, wie so eine Diva. Bourgeois! Wenn man dann doch versucht, aus dem weichen Ei mehr zu machen, kommt nur teurer Hipsterschabernack dabei raus, Stichwort „Cloud Eggs“.
Nein, nur das harte Ei ist flexibel, dabei so schön genügsam und unkompliziert. Es verlangt nach keiner besonderen Zubereitungsminute („nur viereinhalb“) oder nach besonderem Geschirr. Ein Topf, ein Ei, etwas Wasser, ein wenig Salz und fertig. Wahrlich proletarisch. Deswegen muss jeder zugeben: Wenn die Zeiten hart sind, sollten es auch die Eier sein.
Zu guter Letzt sorgt ein hart gekochtes Ei für Entschleunigung im Alltag. Anstatt angespannt am Topf zu stehen, um ja nicht den „perfekten“ Garpunkt zu verpassen und in 80 Prozent der Fälle doch eine Enttäuschung zu erleben, kann ich in Ruhe den Tisch decken oder einfach mit dem Kaffee in der Hand aus dem Fenster gucken. Ich brauche keine Meditationsapp, keinen Coach. Ich koche Eier.
Laila Oudray
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Ein Ei muss weich sein!
Ein Ei hart zu kochen grenzt an Körperverletzung. Am Ei selbst, aber vor allem gegenüber denen, die es essen sollen. Das Gelbe ist dann bröselig und staubig, verstopft Mund, Hals und Rachen, ehe es kloßklumpig im Magen sitzt wie etwas, das da nicht hingehört. Das, was nicht diesen Weg nimmt, fällt krümelig umher, landet auf dem Tisch, tritt sich fest, sieht aus nach Frühstück, das nichts war.
Das harte Ei ist das Ei für Anfänger, für Vergessliche, für Sicherheitsfanatiker. Es gelingt immer, weil es ab einer bestimmten Zeit „genau richtig“ ist, nämlich: hart wie ein Stein. Wie simpel ist das denn?
Abgesehen davon ist es auch ernährungsphysiologisch ein Unding. Eine mir nahestehende Lebensmitteloecotrophologin hat mal behauptet, ein hart gekochtes Ei führe dem Körper weniger Energie zu, als er brauche, um es zu verdauen. Falls das stimmt, spräche das tatsächlich für das Hartgekochte – sofern man abnehmen will. Doch will jemand etwas essen, nur um abzunehmen? Was hat das mit Lust zu tun, mit Genuss, der nie fehlen sollte beim Essen?
Ein Ei muss weich gekocht sein. Allerdings muss „weich“ in diesem Zusammenhang präzisiert werden. Kenner und Genießer akzeptieren ein Ei nur, wenn das Weiße stichfest ist, der Dotter aber cremig, seidig, langsam fließend. Von meiner Urgroßmutter („Ömlein“) wurde erzählt, sie habe weich gekochte Eier geliebt und sie auch gerne als Verpflegung auf Zugreisen mitgenommen, und zur Not habe sie so ein Ei dann auch während des Umsteigens bequem und elegant aus der Hand gegessen. Da kleckerte nichts, da krümelte auch nichts. Geschützt durch die bissfeste Hülle gleitet der cremige Dotter sanft in den Mund, im Sitzen, im Stehen, im Gehen, in jeder Lage. Nur so ist es genau richtig.
Ein weiches Ei zu kochen gleicht einer Zeremonie und nicht einem simplen Ablauf von Handlungen. Der Person, die es zubereitet, verlangt das einiges ab: Sie muss das Ei im Auge behalten, sich kümmern; vier Minuten muss so ein Ei mindestens kochen, erst dann gerinnt das Eiweiß und isoliert den weichen, gelben Kern, der eine um acht Grad Celsius höhere Gerinnungstemperatur hat und folglich nicht zur gleichen Zeit hart wird. Kocht es nur minimal zu lang oder zu kurz, ist es misslungen.
Ein schmaler Grat, ein Moment der Spannung, etwas für sensible Menschen. Das Resultat: die eleganteste Form, das Innere des kartesischen Ovals, das ein Ei nun mal ist, zu verspeisen. Warm und Glück vermittelnd. Jeden Sonntag zum Frühstück (oder zu jedem anderen Zeitpunkt) ist ein weich gekochtes Ei ein Ereignis.
Felix Zimmermann
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