Wie geht es eigentlich der Windbranche?: Zukunftsunternehmen am Tropf der Politik
Ob der weitere Ausbau der Windenergie gelingt, hängt vom Willen der Bundesregierung ab. Ohne Einspeisegarantien würden kaum neue Anlagen entstehen.

Die Ampelregierung hatte das Ausbauziel für die Windkraft an Land mit der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2023 auf 115 Gigawatt im Jahr 2030 angehoben. Aktuell sind 65,3 Gigawatt installiert, was für die verbleibenden Jahre einen jährlichen Nettozubau von rund 9 Gigawatt erfordern würde. Da zeitgleich aber zunehmend Altanlagen stillgelegt werden – 2024 waren es rund 0,7 Gigawatt mit vermutlich steigender Tendenz,– müsste der jährliche Bruttozubau aber tatsächlich bei etwa 10 Gigawatt liegen. Selbst im Vergleich zu den historischen Spitzenjahren, die zwischen 2014 und 2017 bei rund 4 bis 5 Gigawatt lagen, wäre also noch eine Verdopplung nötig.
Ob das gelingt, liegt zu einem guten Teil bei der Politik, denn ohne wirtschaftliche Absicherung durch den Staat würde kaum eine Anlage errichtet. Das zeigte sich Anfang August bei der Offshore-Windkraft: Erstmals wurden Flächen ohne die Möglichkeit der EEG-Förderung ausgeschrieben – mit der Folge, dass kein einziges Gebot einging. An Land dürfte es ähnlich laufen.
Bei der Photovoltaik hingegen ist die Situation anders: Wer heute eine Anlage baut und den Strom vom Dach weitgehend selbst nutzen kann, ist auf staatliche Einspeisegarantien nicht mehr angewiesen. Der Solarstrom, der einst der teuerste war von allen Erzeugungstechnologien, kann damit heute in manchen Marktsegmenten auf eigenen Beinen stehen.
Kleines Wettbewerbselement
Die Windkraft kann das bisher in der Regel nicht, weshalb der Gesetzgeber erhebliche Möglichkeiten hat, Einfluss auf den Zubau zu nehmen – in die eine oder die andere Richtung. Mehrere Stellschrauben entscheiden über den weiteren Ausbau: Das sind zum einen die Auktionen, denn viermal im Jahr schreibt die Bundesnetzagentur die Vergütungen für neue Windkraftanlagen an Land aus. Darauf können sich genehmigte Projekte bewerben. Wer sich mit den geringsten Vergütungen zufriedengibt, bekommt den Zuschlag. Das bringt ein Wettbewerbselement in einen ansonsten stark politisch geprägten Wirtschaftszweig.
Wie viel Strom braucht Deutschland in Zukunft? Das soll ein Energie-Monitoring zeigen, das Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nach der Sommerpause vorlegen will. Das betraute Institut lässt Böses ahnen. Warum das die Energiewende gefährdet.
Die Nachfrage nach den Vergütungsgarantien war zuletzt groß: Bei der Ausschreibung der Windkraft an Land zum Stichtag 1. Mai konnte das verfügbare Volumen von gut 3,4 Gigawatt voll vergeben werden, denn die Ausschreibung war deutlich überzeichnet; es lagen Gebote über fast 5 Gigawatt vor. Der Bundesverband Windenergie freute sich bereits und erklärte: Wenn sich die Entwicklung fortsetze, seien bis zum Ende des Jahres in der Summe Zuschläge in Höhe von rund 14,4 Gigawatt möglich.
Damit könnte der politisch festgeschriebene Ausbaupfad bis 2030 also durchaus einzuhalten sein. Eine Voraussetzung ist allerdings, dass die Bundespolitik weiterhin im gleichen Umfang ausschreibt wie derzeit. Die zweite, dass das zulässige Höchstgebot, das bei aktuell 7,35 Cent Vergütung je Kilowattstunde liegt, nicht nennenswert abgesenkt wird. Wenn die Politik das trotzdem tut, könnte es für viele Projekte eng werden.
Und wo weniger Wind weht?
Auch eine Sonderregel für Schwachwind-Regionen könnte – sollte sie wegfallen – den Ausbau in Teilen Deutschlands empfindlich treffen. Aktuell gibt es im EEG ein Referenzertragsmodell, das sich an einem fiktiven Standort mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 6,45 Metern pro Sekunde in einer Höhe von 100 Metern orientiert. Bringt ein Standort nur 60 Prozent des Stromertrags des Referenzstandorts, wird seine Vergütung um den Korrekturfaktor von 1,42 aufgestockt.
Speziell für Süddeutschland gibt es für Anlagen, die nur 50 Prozent dieses Ertrags bringen, sogar den Faktor 1,55. Damit ermöglicht das EEG im Maximalfall Garantievergütungen von rund 11,4 Cent pro Kilowattstunde. Bereits im Koalitionsvertrag heißt es aber, man werde „das Referenzertragsmodell auf Kosteneffizienz unter anderem hinsichtlich unwirtschaftlicher Schwachwind-Standorte“ überprüfen. Für die Windkraft in Deutschlands Süden könnte es damit eng werden. Die Schwäbische Zeitung fragte bereits: „Stoppt ein simples Wort die Windkraft in Baden-Württemberg?“
Doch neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen spielen auch die Strommärkte eine Rolle für den weiteren Ausbau der Windkraft. Denn in Stunden, in denen der Preis an der Strombörse negativ ist, bekommen die Anlagen inzwischen keine EEG-Vergütung mehr. Damit wächst das betriebswirtschaftliche Risiko für Investoren. Schließlich steigt die Zahl der Stunden mit Minuspreisen stetig – unterbrochen nur durch die Hochpreisphase an den Energiemärkten 2021 und 2022. Nun jedoch wird 2025 den Rekordwert des Vorjahres bei den negativen Stunden abermals deutlich überschreiten. Im Sommer ist es die Photovoltaik, die regelmäßig zu negativen Preisen führt.
Schreitet der Ausbau der Windkraft gemäß den Zielen voran, werden künftig aber auch im windreicheren Winterhalbjahr die Zeiten mit negativen Preisen erheblich zunehmen. Kannibalisierung heißt diese Situation, in der sich die Parks dann gegenseitig die Erträge streitig machen. Aber das sind dann Markteffekte, die Politik ist hier außen vor.
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