Wie Mexico auf Deutschland blickt: Aus der Vergangenheit lernen
In Mexiko sind Deutsche beliebter als die US-amerikanischen Nachbarn. Doch die deutsche Vergangenheit bleibt präsent und prägt ihre Wahrnehmung.

W enn in Mexiko jemand raten soll, woher ich komme, ist die Vermutung meist dieselbe: Ich sei eine Gringa. Wenn ich dann, leicht empört, erwidere, dass ich aus Deutschland komme, ist die Reaktion in den allermeisten Fällen überrascht positiv, teilweise nahezu erleichtert. Wow, Deutschland! US-Amerikaner sind in Mexiko nämlich nicht so gern gesehen. Eine häufige Begründung: Sie würden die mexikanische Kultur zerstören.
Tatsächlich gibt es Kampagnen von US-Touristen, die etwa versuchen, traditionelle Musikgruppen auf den öffentlichen mexikanischen Stränden zu verbieten – die Musik ist ein Herzstück der mexikanischen Kultur.
Deutsche Touristen hingegen werden von vielen Mexikanern als offen und interessiert wahrgenommen. Ein Freund, der in einem Yogahostel in einem kleinen Hippiedorf am Pazifik arbeitet, meinte mal zu mir, Deutsche wären seine Lieblingstouristen. Während etwa Franzosen und US-Amerikaner oft in ihren eigenen Gruppen blieben, suchten die Deutschen oft den Kontakt zu den Einheimischen.
So viel zu den deutschen Touristen. Wenn über Deutsche im Allgemeinen gesprochen wird, dann fallen oft weniger freundliche Beschreibungen wie „kalt“, „ernst“ und „wenig humorvoll“. Und wenn es um Deutschland geht, dann ist die erste Assoziation nicht etwa, dass es entwickelt sei oder sicher (was zwar auch gesagt wird), sondern die deutsche Vergangenheit.
Deutschlands Vergangenheit bleibt im Gedächtnis
„Wenn ich an Deutschland denke, dann kommt mir zuerst seine Beteiligung an den beiden Weltkriegen und das Nazideutschland in den Sinn“, sagte mir eine Freundin. Eine andere Freundin, die mich einmal in Berlin besuchte, zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie eine Feuerwehr- oder Polizeisirene hörte.
Nicht etwa, weil die Sirenen ohrenbetäubend laut sind – Mexikaner sind da schmerzlos. Sondern, weil sie bei den Sirenen an die gruselige Vergangenheit Deutschlands denken musste. Die kennt sie zwar nur aus Filmen, aber das hat gereicht, um ihr jedes Mal einen Ausdruck des Horrors ins Gesicht zu jagen.
Doch nicht alle Mexikaner verbinden mit der deutschen Nazivergangenheit Angst und Schrecken. Kürzlich schickte mir ein Freund aus einem Antiquitätenladen in Mexiko-Stadt ein Foto. Auf dem Foto war eine – ziemlich hässliche – Pappmachébüste eines Manns mit auffällig gestutztem Bart und einem Reichsadler auf der Mütze zu sehen. „Der Besitzer des Ladens meinte, die Figur sei von seinem Vater“, schrieb mein Freund. Der Vater verehre die Figur – und ist damit nicht allein, es gibt viele Mexikaner, die Adolf Hitler feiern.
Persönlich kenne ich bislang keinen von ihnen. Wenn ich meine Freunde und Bekannten in Mexiko frage, was sie von den Deutschen bei dieser Bundestagswahl erwarten, dann ist der Konsens, dass die Leute hier aus ihrer Vergangenheit gelernt haben und hoffentlich im Februar eine Regierung wählen, die sich vom zunehmenden Faschismus abgrenzt.
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