Whistleblower drohen 100 Jahre Haft: Wahrheit gesagt und weggesperrt
Barrett Brown hat geheime Informationen über private US-Sicherheitsfirmen veröffentlicht. Deshalb könnte er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen.
WASHINGTON taz | Genau ein Jahr ist es her, als am 12. September 2012 FBI-Beamte die Wohnung Barrett Browns stürmten, ihm Handschellen anlegten und ihn in das Gefängnis von Dallas, Texas, brachten. Dort sitzt der 32-Jährige heute noch.
Dem Autor, der für den Guardian und die Vanity Fair schrieb, droht ein Strafmaß von mehr als 100 Jahren Haft für seine politisch brisanten Recherchen im Zusammenhang mit geheimen Informationen privater US-Sicherheitsfirmen. Kritiker sehen darin einen weiteren Beweis für die Härte, mit der die Obama-Regierung gegen Enthüllungsaktivitäten vorgeht.
Brown gilt als Experte für das Hackerkollektiv Anonymous. Wegen seiner politischen Nähe wurde er gelegentlich auch als deren Sprecher zitiert. Die Vergehen, derentwegen er angeklagt wird, umfassen 17 Punkte. Neben der Bedrohung eines FBI-Ermittlers in einem Youtube-Video geht es vor allem um eine bereits öffentlich zugängliche URL-Adresse mit gehackten Informationen der US-Sicherheitsfirma Stratfor, die Brown in einem Chatforum postete. Weil das Dokument auch gestohlene Kreditkartendaten enthält, wird ihm auch vorgeworfen, Kreditkartenbetrug begangen zu haben.
Vor seiner Verhaftung untersuchte Brown Millionen interne E-Mails von Stratfor, die ihm zugespielt und später von Wikileaks veröffentlicht wurden. Bereits 2011 wertete er tausende E-Mails aus, die Anonymous zuvor von der privaten Sicherheitsfirma HBGary Federal gehackt hatte.
Psychologische Kriegführung
Browns Recherchen trugen dazu bei, das geheime Vorhaben des Unternehmens aufzudecken, das darauf abzielte, das öffentliche Ansehen von Wikileaks und des Guardian-Journalisten Glenn Greenwald zu beschädigen. Außerdem zeigte er, dass die Firma im Auftrag der US-Handelskammer gegen die Gruppe „Chamber Watch“ psychologische Kriegführung betrieb, sagte der Philosophieprofessor und Autor Peter Ludlow.
Das Vorgehen der US-Regierung gegen Brown stößt vor allem in Medienkreisen auf scharfe Kritik. Der Rolling Stone nennt Brown einen „politischen Gefangenen“. Reporter ohne Grenzen ist besorgt über die Vorwürfe gegen Brown und stellt den Fall in einen Zusammenhang mit dem Schlag der US-Regierung gegen andere Whistleblower wie Edward Snowden und Chelsea Manning.
„Barrett Brown ist kein Hacker, er ist kein Verbrecher“, sagte Christophe Deloire von Reporter ohne Grenzen. Er sei vor allem investigativer Journalist, der bloß seiner Pflicht nachgegangen sei, denn die Stratfor-E-Mails seien „eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse“.
Deloire hält die drohende Haftstrafe für „absurd und gefährlich“. Im Vergleich dazu bekomme der für den Stratfor-Hack tatsächlich verantwortliche Hacktivist Jeremy Hammond höchstens zehn Jahre. Dass dem Journalisten eine jahrhundertlange Gefängnisstrafe droht, sei „eine unheimliche Aussicht“ für derartige Recherchen.
Maulkorb für Journalisten
Mitte vergangener Woche verpasste das Bundesgericht in Dallas auf Anfrage der US-Regierung dem Journalisten einen Maulkorb. Konkret unterband das Gericht „jede Äußerung gegenüber Vertretern jeglicher Fernseh- und Radiosender, Zeitungen, Zeitschriften, Internet oder andere Medienorganisationen zu diesem Fall als Angelegenheit des öffentlichen Interesses“.
Weder er noch seine Anwälte und die Staatsanwaltschaft dürfen nun mehr öffentlich über den Fall sprechen. Um den Angeklagten ein faires Verfahren zu gewährleisten, dass nicht durch Bemerkungen gegenüber Reportern beeinflusst wird, so die Begründung.
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