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„Wetten, dass..?“ und „TV total“ zurückRevival am Wohnzimmertisch

„Wetten, dass..?“ und „TV total“ sind wieder da. Will man wirklich in Nostalgie schwelgen, zurück in eine vermeintlich schönere Zeit?

Jessica Biel (l.) und Karl Lagerfeld wundern sich über Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker Foto: Joerg Koch/dpa

Als ich aufs Gymnasium kam, war ich eines der wenigen Kinder mit Migrationshintergrund. Zum ersten Mal in meinem Leben befand ich mich in einem Umfeld, in dem ich tatsächlich eine Minderheit war. Die ersten Jahre auf der Schule waren für mich daher auch eine Zeit der teilnehmenden Beobachtung – ich lernte hier das „Deutschsein“ kennen. Und eines der faszinierendsten Phänomene war „Wetten, dass..?“. Obwohl in den frühen Nullerjahren die Hochzeit dieser Sendung schon vorbei zu sein schien, sprachen meine Mit­schü­le­r*in­nen am Montag aufgeregt über die Show am Samstag zuvor. Die meisten schauten es mit ihren Eltern und es war die einzige Zeit, wo sie so lange aufbleiben durften.

Ich habe „Wetten, dass..?“ zu dem Zeitpunkt – es war 2000 und ich war 10 – nicht gekannt, geschweige denn geschaut. Ich wurde aber neugierig. Es schien etwas Witziges, Heimeliges und Einzigartiges zu sein. Da meine Eltern nicht bereit waren, ihren Samstagabend mit Thomas Gottschalk zu verbringen, setzte ich mich halt alleine vor den Fernseher im Kinderzimmer.

Und ich verstand nichts. Es schien mir eine kuriose Aneinanderreihung von Promigesprächen, absurden Wetten und seltsamen Musikeinlagen zu sein, die völlig zusammenhangslos aufeinanderfolgten. Thomas Gottschalk machte mir mit seiner aggressiven Fröhlichkeit Angst. Ich weiß nicht mehr, wer der internationale Promi war, nur dass sie genauso verwirrt aussah, wie ich mich fühlte. Als ich dann ins Bett musste, war mir klar: Das ist nichts für mich.

So stand ich weiterhin am Montag früh in der Gruppe und nickte stumm, wenn mal wieder über den Samstagabend gequatscht wurde, und dachte mir meinen Teil dazu. Ich wurde nie warm mit der Show und das war auch nicht notwendig: Meine Freun­d*in­nen gingen die typischen Entwicklungsstufen von jugendlichen „Wetten, dass..?“- Zu­schaue­r*in­nen durch – von „voll lustig“ zu „ey, wie peinlich“. Später dann, mit 15/16, war es ja eh eine Todsünde, seinen Samstagabend mit seinen Eltern vorm Fernseher zu verbringen.

So verschwand „Wetten, dass..?“ langsam aus dem Bewusstsein meiner Generation, und als es 2014 schließlich eingestellt wurde, bekamen das einige wahrscheinlich gar nicht mit oder wunderten sich, dass das so lange ging. Es wirkte wie ein Vermächtnis aus einer verlorenen Zeit.

Doch „Wetten, dass..?“ war immer schon mehr als eine Sendung mit aufgedrehtem Moderator mit abgedroschenen Witzen. Wie auch das Revival und vor allem die Reaktionen darauf zeigten: Nicht nur, dass in den Medien tagelang auf das Comeback hingewiesen wurde. Als es so weit war, füllte sich Twitter sofort mit den Erinnerungen der User*innen: Wie sie – angekuschelt an ihre Eltern – die Sendung verfolgt haben, Schorle vor sich auf dem Tisch und Salzstangen daneben.

Die Kritiken des Revivals mögen daher durchwachsen gewesen sein, ein Quotenerfolg war es allemal. Und wenn das Publikum beim Erblicken von Gottschalk anfängt zu singen: „Oh, wie ist das schön“. Dann meinen sie es ernst, so seltsam es auch zu sein scheint.

Die Sendung war und ist nämlich immer noch ein Symbol für eine vermeintlich behütete Kindheit, als alles ruhiger und geordneter war. Sie ist eine Konstante in der kollektiven Identität der Deutschen. Und darauf besinnt man sich doch gerne zurück in einer Zeit, wo alles unsicher ist, die Gesellschaft auseinanderbricht, die Demokratie gefährdet ist, das Klima sich zu unseren Ungunsten verändert. Wie sich besser der modernen Welt entziehen, als Thomas Gottschalk dabei zuzuschauen, wie er Witze über das Gendern macht. Haha, fast wie früher. Es gibt keine Überraschungen, keine Herausforderungen – einfach einige Stunden der absoluten Sicherheit.

Revivals sind der Versuch, eine vermeintlich schönere Zeit wieder aufleben zu lassen. Es ist, als würde man den Fernseher schütteln und rufen: „Gib mir mein Scheißserotonin! Es ist doch alles wie früher!“ Nostalgie ist eben eine hell of a drug.

Wie süchtig die Gesellschaft nach dem Nostalgiekick ist, wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass auch „TV total“ wiederkommen soll. Nach den unschuldigen Kindheitserinnerungen kommt nun also die Reminiszenz an die Teenagerjahre, als man auf dem Schulhof „Wat, wer bist du denn“ rumgeblökt hat und das für einen Lacher reichte. Wie schlimm muss die Gegenwart sein, wenn man sich dahin zurückwünscht?

Vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass Revivals unser Bedürfnis nach der guten alten Zeit nicht befriedigen können. Es ist vorbei, und seien wir mal ehrlich: Früher war es auch nicht besser.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Mühsam, zu diskutieren, ob man Gebühren in den Aufguss solch überkommener Formate investieren sollte. Die, die damit großgeworden sind mag’s beglücken. Die jüngeren schauen sowieso keine öffentlich-rechtlichen.

  • Das einzig bemerkenswerte scheint mir zu sein dass bei Wetten Dass...? nicht die alten Shows auf ZDFneo abgespult werden.



    Auch finde ich es verwunderlich dass 'Die Drombuschs' im Hauptsender die Sendezeit füllen darf.



    In ZDFneo hat Psych grade wieder bei der ersten Staffel angefangen nachdem die letzte Staffel letzte Woche geendet hat. Unnötig zu erwähnen dass hier das Nachmittagsprogramm schlimmer als ein tägliche grüßendes Murmeltier erscheint.



    Zwei Folgen einer US-Serie, gefolgt von zwei Folgen einer anderen US-Serie wiederholen sich sogleich, Das Murmeltier grüßt zwei mal täglich.



    Die Suizidversuche von Phil werden nachvollziebar.

  • Natuerlich war frueher nicht alles besser. Gottschalk/Wetten dass war schon nach meiner Zeit als Jugendlicher zu Hause.



    Aber ich erinnere mich gerne an Zeiten, wo einmal in der Woche die ganze Familie beieinander sass und z.B. "Einer wird gewinnen" schaute. Einen wie H.J.Kulenkampff wird es wohl kaum mehr geben. Heute hat fast jedes Kind seinen eigenen Fernseher oder Smartphone. Das Beieinandersein wenigstens am Samstag Abend fehlt heute, leider.

    • @Johannes Rasper:

      Interessant, dass rückblickend bereits das gemeinsam in „die Glotze“ starren als familiäre Qualität erscheint. Loriot hat das seinerzeit kritischer gesehen („Ball“) aber im Vergleich zur völligen Individualisierung heute natürlich ein „soziales“ Ereignis.

  • Nur, weil man etwas nicht in der eigenen Sozialisation kennengelernt hat, heißt es doch nicht, dass andere das nicht mögen dürfen. Sicher gibt es auch in der Vergangenheit der Autorin etwas, was sie schön fand und gerne nochmals erleben würde. Und vielleicht würde ich das nicht nachvollziehen können.

  • schöne zeit...dass ich nicht lache! die zeiten als klar wurde, dass der bildungsauftrag des fernsehens für immer und unabwendbar im eimer war und verblödung gefeiert, salonfähig und mega cool wurde. ich habe als 8 jähriger fassbinders 8 stunden sind kein tag im fernsehen gesehen. dabei gings um was.... das waren fernseh-zeiten! mit dem auftauchen der privaten, gings auch mit den öffentlichen den berg runter.

  • Das war gar keine schöne Zeit.... ich hab es gehasst beim zappen auch nur an TVtotal vorbeizappen zu müssen